Portugals aussichtsloser Kampf: Krankenschwestern zieht es ins Ausland

Therapeutin Catia Jesus hält die Hand einer Covid-Patientin auf der Intensivstation der Santa-Maria-Klinik in Lissabon
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Von Filipa SoaresEuronews
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Sie kehren zu Tausenden ihrer Heimat den Rücken: Das Krankenpflegepersonal wandert massenweise in Länder wie Deutschland, Großbritannien und auch Spanien aus. Den Trend hat die Coronakrise nicht gestoppt, sondern anscheinend sogar verstärkt.

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Der portugiesischen Krankenschwester Sofia ist in Vila Nova de Gaia eine farbenfrohe Wandmalerei gewidmet. Abgebildet ist eine Krankenschwester in Arbeitskleidung, die mit einem Vorschlaghammer auf ein übergroßes Coronavirus einschlägt.

Es ist ein ausdrucksstarker Tribut an diejenigen, die in Portugal an vorderster Front gegen die Coronakrise kämpfen. Hinter der Straßenkunst steckt die Geschichte von Sofia. Sie arbeitet in der größten Klinik von Porto in Nordportugal und hatte sich im März mit dem Coronavirus infiziert. Was folgte, war eine lange Leidens- und Genesungsgeschichte.

Erst in der vergangenen Woche nahm Sofia die Arbeit an der Corona-Front wieder auf. Sie schuftet sieben Tage am Stück. Jede Schicht dauert 18 Stunden und der Stundenlohn beträgt sieben Euro brutto.

"Kein Platz in diesem Land"

Niedriglöhne und schwierige Arbeitsbedingungen macht der portugiesische Verband der Krankenschwestern für die Auswanderung von 18.000 Fachkräften verantwortlich.

Sara Vieira und Maria Gonçalves bereiten sich gerade darauf vor, demnächst in einem Krankenhaus im englischen Bristol anzufangen.

Die 22-jährige Maria Gonçalves sagte im Euronews-Interview: "In anderen Nationen wie England, wo wir hin wollen, gibt es bessere Bedingungen und eine höhere Wertschätzung für unseren Beruf."

Sara Vieira ist ein Jahr älter als Maria: "Es geht auch um die Qualifikation, seinen Job gut machen zu können. Dazu gehören Fortbildung, Sicherheit und Anerkennung. Für uns ist im Moment kein Platz in diesem Land."

Verdienst liegt bei 1000 Euro netto

Portugal hat durchaus in Fortbildung investiert. Aber Länder wie Spanien, Großbritannien und Deutschland bieten teiliweise auch Unterkunft und Fahrtkosten zusätzlich zum besseren Gehalt.

Der Verband der Krankenschwestern geht davon aus, dass über zwei Drittel seiner Mitglieder netto kaum mehr als tausend Euro verdienen.

Luís Barreira ist der Vizepräsident des Verbandes: "Portugal kann sich den Verlust von Krankenpflegepersonal nicht mehr leisten. Wir bekommen täglich entsprechende Anfragen ausländischer Behörden. Natürlich vergleichen unsere Krankenschwestern ihre Bedingungen mit den deutlich attraktiveren im Ausland. Und dann treffen sie natürlich ihre Auswahl. Deshalb fordern wir mit großer Überzeugung, dass dieser Missstand diskutiert werden muss. Die Regierung muss eine nationale Strategie ausarbeiten, damit unsere Krankenschwestern hier bleiben."

Euronews-Korrespondentin Filipa Soares kommentierte in Porto: "Umfangreiche staatliche Investitionen in Fortbildungsmaßnahmen zahlen sich nicht unbedingt aus. Tausende Krankenschwestern zieht es trotzdem in wohlhabendere Länder, die eine bessere Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen zu bieten haben."

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