US-Auslieferungsantrag für Julian Assange abgeleht - Anwälte stellen Kautionsantrag

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London: Gericht lehnt Auslieferungsantrag der USA für Assange ab

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Mit Jubel und Begeisterung haben Anhänger von Julian Assange auf die Gerichtsentscheidung gegen eine Auslieferung des Wikileaks-Gründers an die USA reagiert. Richterin Vanessa Baraitser begründete ihre Entscheidung mit dem psychischen Gesundheitszustand Assanges und den Haftbedingungen, die ihn in den USA erwarten würden.

Dazu John Rees, Vertreter einer Unterstützerkampagne für Julian Assange:

"Bitte feiern sie, dass US-amerikanische Gefängnisse so schlecht sind, dass selbst der Richter Julian Assange dort nicht hineinschicken würde. Das ist der Punkt, an dem wir stehen. Das ist heute der Stand der Dinge".

Der Rechtsstreit dürfte weitergehen, denn gegen die Entscheidung kann die US-Justiz Berufung einlegen. Über eine Freilassung des Wikileaks-Gründers wird an diesem Mittwoch in London entschieden. Assanges Anwälte haben einen entsprechenden Antrag gestellt.

Im Fall einer Verurteilung hätten Assange in den USA bis zu 175 Jahre Haft gedroht. Die USA kündigten an, in Berufung zu gehen. Assange sitzt derzeit im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh im Südosten der britischen Hauptstadt. Angesichts der Corona-Pandemie durfte er nur sehr eingeschränkt Besuch empfangen, auch Telefonate nach draußen waren nicht unbegrenzt möglich. 

Wegen eines Corona-Ausbruches im Gefängnis wurde zeitweise ein ganzer Block unter Quarantäne gestellt. Familienmitglieder sorgten sich seit langer Zeit um Assanges psychischen und gesundheitlichen Zustand.

Die amerikanischen Behörden werfen dem gebürtigen Australier Assange vor, gemeinsam mit der Whistleblowerin Chelsea Manning - damals Bradley Manning - geheimes Material von US-Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan gestohlen und veröffentlicht zu haben. Der 49-Jährige habe damit das Leben von US-Informanten in Gefahr gebracht, so der Vorwurf. Seine Unterstützer sehen in ihm hingegen einen investigativen Journalisten, der Kriegsverbrechen ans Licht gebracht hat.

Der UN-Sonderberichterstatter für Folter, Nils Melzer, sieht in dem Prozess in London kein faires Verfahren. "Was wir sehen, ist, dass die Briten Julian Assange systematisch seiner grundlegenden Rechte berauben, seine Verteidigung vorzubereiten, Zugang zu seinen Anwälten und zu rechtlichen Dokumenten zu haben", sagte der Schweizer der Deutschen Welle.

Reporter ohne Grenzen: USA wollen Exempel mit abschreckender Wirkung statuieren

Auch in Deutschland gibt es zahlreiche Stimmen, die sich für Assange stark machen. Die Organisation Reporter ohne Grenzen fordert die sofortige Freilassung des Wikileaks-Gründers. "Die US-Anklage gegen Julian Assange ist eindeutig politisch motiviert", sagte Geschäftsführer Christian Mihr am Freitag. "Die USA wollen ein Exempel statuieren und eine abschreckende Wirkung auf Medienschaffende überall auf der Welt erzielen."

"Wenn die USA mit ihrem Auslieferungsantrag erfolgreich sind und Assange vor Gericht stellen, droht dasselbe Schicksal künftig jedem Journalisten und jeder Journalistin weltweit, die geheime Informationen von öffentlichem Interesse veröffentlichen", sagte Mihr. "Hier stehen die Zukunft von Journalismus und Pressefreiheit weltweit auf dem Spiel."

Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Bärbel Kofler, zeigte sich hinsichtlich des Verfahrens besorgt. "Menschenrechtliche und humanitäre Aspekte dürfen nicht übersehen werden", schrieb die SPD-Bundestagsabgeordnete. Auch der körperliche und psychische Gesundheitszustand von Assange müsse bei der Entscheidung über die Auslieferung in die USA "unbedingt Berücksichtigung finden". Großbritannien sei dabei an die Europäische Menschenrechtskonvention gebunden, "auch mit Blick auf das mögliche Strafmaß und die Haftbedingungen", so Kofler.

Linke: Britische Regierung könnte Auslieferung verhindern

Im Bundestag gibt es inzwischen eine parteiübergreifende Arbeitsgemeinschaft, die sich für eine Freilassung Assanges einsetzt. Darin sind Abgeordnete aller Parteien außer der AfD vertreten. Die Obfrau der Linken im Auswärtigen Ausschuss, Sevim Dagdelen, will beim Urteilsspruch in London dabei sein. "Selbst wenn die Auslieferung juristisch beschieden würde, kann die britische Regierung diese jedoch stoppen - und verhindern, dass der Fall Assange eine Blaupause für die Verfolgung unliebsamer Journalisten wird", sagte Dagdelen. "Eine Auslieferung in die USA wäre ein Dammbruch und muss verhindert werden."

Assanges Vater, John Shipton, hofft inzwischen auf eine Begnadigung seines Sohnes durch den designierten US-Präsidenten Joe Biden. Assanges Verlobte, Stella Moris, hatte bislang vergeblich versucht, den scheidenden US-Präsidenten Donald Trump zu einer Begnadigung ihres Partners zu bewegen.

Assange hatte sich 2012 aus Furcht vor einer Auslieferung nach Schweden und von dort in die USA in die Landesvertretung Ecuadors in London gerettet. Er blieb dort bis zu seiner Festnahme im Frühjahr 2019. Ermittlungen in Schweden wegen Vergewaltigungsvorwürfen wurden später eingestellt. UN-Experte Melzer hatte sie als "konstruiert" bezeichnet.

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