Eigene Fehler wollte Biden in seiner Rede zum Afghanistan-Abzug nicht eingestehen. Aber die Ära großer Armee-Operationen zur Umgestaltung anderer Länder sei zu Ende.
Nach dem Ende des Afghanistan-Einsatzes steht US-Präsident Joe Biden innenpolitisch unter Druck. Die Republikaner und auch einige Demokraten kritisieren den Abzug als „überstürzt und chaotisch“. In eine Rede an der Nation verteidigte Biden das Vorgehen.
"Abzug oder Eskalation"
6000 Amerikaner hat das US-Militär seit Mitte August aus Afghanistan ausgeflogen, doch mehr als 100 Amerikaner und Tausende Ortskräfte bleiben vorerst zurück.
Biden verspricht, sich weiter für sie einzusetzen: "Tatsache ist, dass 90 Prozent der Amerikaner, die ausreisen wollten, dies auch tun konnten. Für die verbleibenden Amerikaner gibt es keine Frist. Wir sind nach wie vor entschlossen, sie herauszuholen, wenn sie es wollen."
Biden: Ära militärischer Umgestaltung anderer Länder vorbei
Von einem Scheitern der Mission will Biden nicht sprechen, aber man müsse aus Fehlern der Vergangenheit lernen, die Ära großer Armee-Einsätze zur Umgestaltung anderer Länder sei vorbei.
Mit dem Truppenabzug überlässt der Westen das Land wieder jenen Islamisten, die er durch den US-geführten Einsatz Ende 2001 entmachtet hatte. Die Taliban hatten Mitte August nach einem militärischen Eroberungszug, der sich nach Bidens Abzugsankündigung rasant beschleunigt hatte, in Afghanistan wieder die Macht übernommen.
Bisher traten die Islamisten gemäßigter auf als während ihrer Herrschaft von 1996 bis 2001. Viele Afghanen bezweifeln aber, dass sie bei dieser Linie bleiben. Es gibt Berichte über Menschenrechtsverletzungen und Angriffe auf Journalisten.
Bisher ist weitgehend unklar, wie die Taliban das Krisenland regieren wollen. Der Taliban-Führungsrat besprach die Bildung einer neuen islamischen Regierung sowie die aktuelle Lage und die Sicherheit im Land bei einem Treffen in der südlichen Provinz Kandahar. Eine offizielle Regierung gibt es noch nicht.