Ukrainische Mediziner berichten über zunehmende Fälle der Gasbrand-Erkrankung. Die Krankheit ist aus den Schützengräben des Ersten Weltkriegs bekannt und galt seitdem als so gut wie ausgerottet.
Militärmediziner berichteten der Zeitung "The Telegraph", dass die Evakuierung verwundeter Soldaten durch die russischen Drohnenangriffe fast unmöglich geworden sei. Infektionen, die einst der Geschichte angehörten, würden sich nun aufgrund der verzögerten Behandlung mit alarmierender Geschwindigkeit ausbreiten.
Beim sogenannten Gasbrand handelt es sich um eine bakterielle Infektion, die einst Soldaten in den Gräben des Ersten Weltkriegs zum Schicksal wurde, weil sie keine Antibiotika erhielten. Die rettenden Medikamente wurden erst nach dem Krieg entwickelt, nach der Entdeckung von Penicillin im Jahr 1928.
Zunehmend Fälle von Gasbrand unter ukrainischen Soldaten
Jetzt sucht die Krankheit dem Bericht zufolge im modernen Grabenkrieg in der Ukraine die Soldaten heim. Und auch heute soll es immer wieder fatal enden. Der Grund: Antibiotikaresistenzen, diese haben an der ukrainischen Front stark zugenommen. Das erklärte ein Sanitäter aus der östlichen Kriegsregion Saporischschja dem Telegraph.
Bei Gasbrand handelt es sich um eine schwere Muskelinfektion, die vor allem durch Clostridium-Bakterien verursacht wird und bei der sich Gasblasen unter der Haut bilden. Daher auch der Name.
Clostridium-Bakterien verbreiten und vermehren sich in sauerstoffarmem, nekrotischem Gewebe. Es kommt zu Schwellungen und das Gewebe verfärbt sich. Die Patienten leiden unter starken Schmerzen und fühlen eine Art Kribbeln, wenn sich das Gas bewegt.
Die Infektion tritt in der Regel nach Verletzungen wie tiefen Schuss- oder Explosionswunden auf, insbesondere wenn die medizinische Versorgung verzögert wird, wie es in der Ukraine häufig der Fall ist. Der Sanitäter, mit dem der Telegraph gesprochen hat, erklärte: "Wir haben Menschen, die seit einigen Wochen verletzt sind und einfach in unterirdischen Stabilisierungsstationen sitzen, wo wir sie so gut wie möglich am Leben halten."
Evakuierung von Verletzten unter Dauerbeschuss kaum möglich
In Bunkern und Kellern verlassener Gebäude wurden Feld-Lazarette eingerichtet. Dort ist eine anständige Behandlung von Gasbrand jedoch quasi unmöglich. Und die Verwundeten können aufgrund des ständigen Beschusses nicht abtransportiert werden.
Unbehandelt ist Gasbrand "eine extrem lebensbedrohliche Infektion mit einer Sterblichkeitsrate von fast 100 Prozent, sagte der Mikrobiologie-Professor Lindsey Edwards dem Telegraph. Er erklärt weiter: "Normalerweise umfasst die Behandlung von Gasbrand ein chirurgisches Débridement [Entfernung von infiziertem Gewebe] sowie die Verabreichung sehr starker Dosen intravenöser Antibiotika."
Eine so umfassende Behandlung, bei der auch der Zugang zu einem Labor vonnöten ist, ist jedoch an der Front in der Ukraine unmöglich. Laut dem Sanitäter, der sich dem Telegraph anvertraute, stehen Teams von Chirurgen bereit, um die erforderlichen lebensrettenden Behandlungen durchzuführen, doch die Evakuierung der Verletzten ist extrem kompliziert und verzögert sich oft.
"Wir sehen immer mehr Menschen mit Verletzungen, die eigentlich überlebensfähig sein sollten – zum Beispiel Amputationen oder Fälle, in denen jemand nur eine Bluttransfusion benötigt – die auf dem Feld sterben“, so der Sanitäter. "So viele von ihnen können nicht rechtzeitig evakuiert werden und schaffen es einfach nicht."