Das neue "Bundeslagebild Kriminalität im Kontext von Zuwanderung“ zeigt für 2024 einen leichten Rückgang tatverdächtiger Zuwanderer. Demnach wurden 172.000 Menschen erfasst. Erstmals wertet das BKA auch die häufigsten Tatorte aus - und verzeichnet zugleich einen Anstieg der Opferzahlen.
Im Jahr 2024 registrierte das BKA insgesamt 1,97 Millionen Tatverdächtige. 697.000 von ihnen hatten keine deutsche Staatsangehörigkeit, 172.000 wurden nach BKA-Definition als Zuwanderer erfasst – das entspricht 8,9 Prozent aller Tatverdächtigen.
Die Zahl der tatverdächtigen Zuwanderer ist demnach gegenüber dem Vorjahr um etwa 3,6 Prozent gesunken. Wie auch in der Gesamtstatistik wird dieser Rückgang vor allem auf die Teillegalisierung von Cannabis zurückgeführt.
Erfasst wurde damit eine Gruppe, die überwiegend der Fluchtmigration zugeordnet wird. Als tatverdächtige Zuwanderer gelten Personen, die in der Polizeilichen Kriminalstatistik mit bestimmten Aufenthaltsanlässen geführt werden: als Asylbewerber, als Schutzberechtigte oder Asylberechtigte einschließlich Kontingentflüchtlinge, als Geduldete oder als Personen mit unerlaubtem Aufenthalt.
Die Statistik bezieht sich ausschließlich auf die Allgemeinkriminalität - also Straftaten ohne politischen Hintergrund. Ausländerrechtliche Verstöße werden nicht mitgezählt.
BKA analysiert erstmals die häufigsten Tatorte
Bei den einzelnen Deliktbereichen zeigen sich deutliche Unterschiede. Besonders hoch war der Anteil tatverdächtiger Zuwanderer bei Vermögens- und Fälschungsdelikten (12,3 Prozent), bei Straftaten gegen das Leben (12,2 Prozent) sowie bei Diebstahlsdelikten (12,1 Prozent). Niedriger lag er hingegen bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, wo Zuwanderer 7,9 Prozent der Tatverdächtigen stellten.
Auch nach Herkunftsländern ergeben sich klare Abweichungen. Den stärksten relativen Anstieg im Vergleich zum Vorjahr verzeichnete das BKA bei tatverdächtigen Zuwanderern mit türkischer Staatsangehörigkeit (+25,8 Prozent).
Aus der Ukraine wurden 22.098 tatverdächtige Zuwanderer erfasst, ein Plus von 7,1 Prozent. Rückläufig waren die Zahlen hingegen bei Afghanistan mit 17.798 Tatverdächtigen (-11,1 Prozent) und beim Irak mit 8.213 Tatverdächtigen (-15,5 Prozent).
Insgesamt waren mehr als die Hälfte der tatverdächtigen Zuwanderer unter 30 Jahre alt, über drei Viertel männlich.
Erstmals hat das Bundeskriminalamt zudem ausgewertet, an welchen Orten Straftaten mit tatverdächtigen Zuwanderern besonders häufig stattfinden. Mehr als jede vierte dieser Taten (27,5 Prozent) ereignete sich in Dienstleistungs- und handwerklichen Einrichtungen, etwa in Geschäften. An zweiter Stelle folgt der öffentliche Personennahverkehr mit 19,5 Prozent. Öffentliche Straßen waren deutlich seltener Tatort. Hier wurden 13,8 Prozent der Fälle registriert.
Straftaten gegenüber Zuwanderern gestiegen
Die Zahl der Zuwanderer, die 2024 Opfer einer Straftat wurden, stieg im Vergleich zum Vorjahr um 5,2 Prozent an. Insgesamt lag ihr Anteil an allen Opfern bei 5,3 Prozent.
Im Lagebild wird zudem darauf hingewiesen, dass die "Ausländer-/Asylthematik" auch 2024 ein zentrales Mobilisierungsfeld der rechten und rechtsextremistischen Szene blieb. Angesichts der weiter steigenden Zahl in Deutschland aufhältiger Geflüchteter müsse eine entsprechende Resonanz dieser Szene in Betracht gezogen werden.
Die erneut gestiegenen Fallzahlen zum Angriffsziel "Asylunterkunft" stützen diese Einschätzung: Insgesamt wurden 3.707 Fälle registriert, ein Anstieg um 15,6 Prozent gegenüber 2023.
Unterschied zur Polizeilichen Kriminalstatistik vom Mai
Ein zentraler Unterschied zwischen der im Mai veröffentlichten Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) und dem „Bundeslagebild Kriminalität im Kontext von Zuwanderung“ liegt in der Definition der erfassten Personengruppen.
So nutzt die PKS die breite Kategorie der "nichtdeutschen Tatverdächtigen", die 2024 einen Anteil von 41,8 Prozent erreichte. Dazu zählen alle Personen ohne deutschen Pass - also auch Touristen, Durchreisende oder Pendler.
Die Gruppe der Zuwanderer bildet hingegen eine deutlich kleinere Unterkategorie und umfasst nur Personen, deren Aufenthalt im Kontext von Fluchtmigration steht.
Für die Einordnung ist außerdem wichtig: Erfasst werden Tatverdächtige, nicht verurteilte Personen. Ermittlungen können noch laufen, und ein Teil der Fälle wurde bereits im Vorjahr begangen, aber erst 2024 registriert oder angezeigt.
Warnung vor Instrumentalisierung und falschen Schlüssen
Fachleute warnen deshalb vor einer politischen Instrumentalisierung der Zahlen. Der Kriminologe Dr. Christian Walburg betont in einem Beitrag für die Bundeszentrale für politische Bildung, dass Zusammenhänge zwischen Migration und Kriminalität komplex sind und sich nicht auf einfache Ursache-Wirkungs-Modelle reduzieren lassen.
Kriminalstatistiken würden nur das sogenannte Hellfeld ab - also Fälle, die der Polizei bekannt werden. Vergleiche zwischen sozialen Gruppen seien daher nur bedingt möglich, da die Wahrscheinlichkeit, entdeckt, angezeigt oder verurteilt zu werden, nicht überall gleich hoch ist.
Befragungsstudien zeigen etwa, dass jugendliche Opfer eher Anzeige erstatten, wenn ein Täter als "fremd" wahrgenommen wird; zugleich bleibt Kriminalität in abgeschlossenen Milieus - auch unter Zugewanderten - häufiger unsichtbar.
Für neu zugewanderte Geflüchtete können zudem belastende Unterbringung, Statusunsicherheit und soziale Isolation zusätzliche Risikofaktoren darstellen. Erwachsene Migranten mit Perspektive auf den Arbeitsmarkt treten hingegen insgesamt selten strafrechtlich in Erscheinung. Aus kriminologischer Sicht könne es deshalb riskant sein, bestimmte Zuwanderergruppen migrationspolitisch von Integrationsangeboten auszuschließen.