Nach Jahren mageren Wachstums befreit sich die Eurozone aus zäher Inflation und strengen Zinsen. Wer wächst in den nächsten Jahren am schnellsten?
2025 wirbelt ein Mix makroökonomischer Kräfte die Weltwirtschaft auf. Politische Turbulenzen und wechselnde Geldpolitik halten Analysten auf Trab. Nach dem Boom 2021 und der anschließenden Abkühlung prägen in diesem Jahr Handelskriege, Zolldrohungen und fallende Zinsen das Bild.
Technologien wie künstliche Intelligenz und bessere Finanzierungsbedingungen dürften das globale Wachstum in den kommenden Jahren anschieben, so die OECD. Dennoch bleiben Risiken. Arbeitsmärkte verlieren an Kraft. Die Wachstumsprognosen klaffen zwischen den Ländern weit auseinander, weil sich die globale Ordnung verschiebt. Treiber sind vor allem technologische Entwicklungen und die Verfügbarkeit von Ressourcen, unter anderem.
Nach OECD-Prognosen bleibt das reale BIP-Wachstum der Eurozone 2025 hinter den zwei größten Volkswirtschaften der Welt, den USA und China, zurück. Wie geht es 2026 und 2027 weiter? Und wie schneiden die einzelnen Länder in der Eurozone ab?
Wachstum 2025: Finnland fällt zurück
Bis Ende 2025 dürfte Irland unter den OECD-Ländern das stärkste Wachstum verzeichnen: 10,2 %. Der Schub speist sich laut dem im Dezember 2025 veröffentlichten OECD Economic Outlook aus vorgezogenen Pharmalieferungen vor Inkrafttreten der US-Zölle.
Nach einer Serie von Drohungen kündigte US-Präsident Donald Trump Einfuhrzölle von bis zu 100 % auf Pharmaprodukte ab dem 1. Oktober an. Ausnahmen soll es für Unternehmen geben, die in den USA ein Werk bauen. Die EU verweist jedoch auf ein früheres Handelsabkommen, das Ausfuhren aus der Union schützt und US-Zölle auf Waren des Blocks auf 15 % begrenzt.
Irland ist damit ein Ausreißer in der OECD-Rangliste. Dahinter folgen die Türkei mit 3,6 % und Polen mit 3,3 %.
Allerdings taugt das irische BIP oft nur bedingt als Gradmesser. Wegen der traditionell niedrigen Unternehmenssteuern buchen viele multinationale Konzerne ihre Gewinne in Irland. Das verzerrt die Statistik.
Am anderen Ende der OECD-Tabelle steht Finnland: 2025 soll die Wirtschaft gar nicht wachsen. Schwaches Verbrauchervertrauen und ein Einbruch beim Wohnungsbau zur Korrektur von Überangeboten drücken die Leistung, so die OECD.
Nächstes Jahr: 1,2 % Wachstum in der Eurozone
Für die Eurozone erwartet die OECD 2026 ein leichtes Nachlassen des realen BIP-Wachstums von 1,3 % auf 1,2 %. 2027 soll es auf 1,4 % anziehen.
„Zunehmende Spannungen im Handel werden durch bessere Finanzierungsbedingungen, laufende Investitionen aus RRF-Mitteln und robuste Arbeitsmärkte kompensiert“, erklärte die OECD.
Der RRF ist das zentrale Instrument, um die EU-Wirtschaften nach der Pandemie stärker und widerstandsfähiger zu machen. Die Europäische Kommission nimmt dafür im Namen der EU Anleihen am Kapitalmarkt auf. Die Mittel fließen anschließend an die Mitgliedstaaten, um große Reformen und Investitionen zu unterstützen.
Drei europäische Volkswirtschaften liegen vorn
2026 reicht die Spanne des realen BIP-Wachstums unter 27 europäischen Ländern von 0,6 % in Italien bis 3,4 % in Polen und der Türkei. Litauen folgt mit 3,1 %. Nur diese drei Länder liegen über dem globalen Durchschnitt von 2,9 %.
Am unteren Ende folgen Österreich und Finnland (jeweils 0,9 %) auf Italien. Sie sind die einzigen Länder mit Wachstum unter einem Prozent.
Spanien führt unter den fünf größten Volkswirtschaften
Die OECD erwartet für Spanien 2026 ein Wachstum von 2,2 %. Das ist die höchste Rate unter den fünf größten Volkswirtschaften Europas, deutlich vor dem Vereinigten Königreich mit 1,2 %.
„In Spanien stützen eine starke Beschäftigungsdynamik und reale Lohnzuwächse den privaten Konsum. Das Investitionswachstum profitiert von der fortgesetzten Umsetzung des Plans für Wiederaufbau, Transformation und Resilienz (RTRP) und von niedrigeren Finanzierungskosten“, heißt es im Bericht.
Die direkte Betroffenheit Spaniens durch US-Zölle ist gering, denn Warenexporte in die USA machen nur 1,1 % des BIP aus.
Im Vereinigten Königreich bremsen Ausgabengrenzen der Regierung und Unsicherheit das Expansionstempo. Der Arbeitsmarkt kühlt ab: Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten sank im Jahr bis September um rund 0,4 %, und die Zahl der offenen Stellen ging im selben Zeitraum um fast 14 % zurück.
Deutschland und Frankreich sollen um 1 % wachsen, Italien liegt mit 0,6 % am unteren Ende.
„In Deutschland dürfte eine expansive Finanzpolitik die Konjunktur stützen, getragen von höheren Ausgaben für Verteidigung und Infrastruktur. In Frankreich und Italien bremst dagegen die erwartete Konsolidierung“, so der OECD-Bericht.
Die fünf größten Volkswirtschaften 2027
2027 weist Spanien erneut das höchste reale BIP-Wachstum unter den fünf größten Volkswirtschaften auf, auch wenn das Tempo auf 1,8 % sinkt. Deutschland dürfte von 1 % auf 1,5 % beschleunigen. Im Vereinigten Königreich und in Italien erhöht sich das Wachstum nur um 0,1 Prozentpunkt gegenüber 2026, Frankreich bleibt bei 1 %.
Unter 27 europäischen Ländern sieht die OECD 2027 die Türkei mit 4 % an der Spitze. Höhere Zölle werden die Exporte zwar schwächen, der Effekt dürfte jedoch relativ gering und von kurzer Dauer sein. Bessere Finanzierungsbedingungen stützen 2026 und 2027 den privaten Konsum und die Investitionen und treiben damit die Importe. Der Rückgang der Inflation dürfte zudem anhalten.
Allmähliche Erholung in Finnland
Nach der Rezession 2025 hellt sich die Lage in Finnland spürbar auf: 2026 rechnet die OECD mit 0,9 % BIP-Wachstum, 2027 mit 1,7 %.
„Niedrigere Zinsen, ein sich stabilisierender Wohnungsmarkt, steigende Verteidigungsausgaben und stärkeres Wachstum der Handelspartner stützen die Erholung“, heißt es. Gegenwind kommt jedoch von US-Zöllen, globaler Unsicherheit und fiskalischer Konsolidierung.