Europawahl:TV-Debatte um Austerität, Mindestlöhne und Migration

Europawahl:TV-Debatte um Austerität, Mindestlöhne und Migration
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Die sechs SpitzenkandidatInnen, die nach der Europawahl EU-Kommissionspräsident oder -präsidentin werden wollen, sind in einer TV-Debatte gegeneinander angetreten.

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Die sechs SpitzenkandidatInnen, die nach der Europawahl EU-Kommissionspräsident oder -präsidentin werden wollen, sind in einer TV-Debatte gegeneinander angetreten.

Der sozialdemokratische Europa-Spitzenkandidat Frans Timmermans fordert ein Ende der Sparpolitik in Europa, um über Investitionen mehr Jobs für junge Leute zu schaffen. "Die Austerität beenden, das sollten mehr Länder tun", sagte Timmermans am Mittwochabend in Brüssel.

Zudem forderte der Niederländer eine Ausweitung des Erasmus-Austauschprogramms auf alle jungen Europäer, Mindestlöhne von 60 Prozent des örtlichen Durchschnittslohns und die Ausweitung der Garantie, dass jedem Jugendlichen ein Job oder eine Ausbildung angeboten wird.

Der christdemokratische Spitzenkandidat Manfred Weber (CSU) widersprach Timmermans und erinnerte an die Verantwortung der Regierungen bei der Haushaltsführung. Er äußerte sich auch erneut skeptisch gegen Mindestlöhne. Doch warb auch Weber für gemeinsame Anstrengungen für mehr Jobs in Südeuropa. "Sozial ist, was Jobs schafft", sagte er.

Zur Vermeidung von Migration aus Afrika nach Europa fordern sowohl der konservative als auch der sozialdemokratische Spitzenkandidat für die Europawahl ein deutlich engeres Verhältnis zum Nachbarkontinent. Es brauche einen großen Plan für Afrika, so Timmermans. So könne verhindert werden, dass Menschen sich auf den Weg nach Europa machten. Zugleich müssten alle EU-Staaten sich bei der Verteilung von Asylbewerbern solidarisch zeigen. "Solidarität ist nicht nur für Dinge, die man gut findet", sagte Timmermans.

Weber verwies zudem darauf, dass die EU möglichst schnell 10 000 Grenzschützer brauche. Als Präsident der EU-Kommission werde er einen EU-Kommissar einsetzen, der nur für Afrika zuständig sei.

Die Grünen-Spitzenkandidatin Ska Keller forderte wie Timmermans, dass alle EU-Staaten sich bei der Verteilung von Flüchtlingen solidarisch zeigen müssten. Jan Zahradil von den Liberal-Konservativen Reformern lehnte diesen Ansatz hingegen ab.

Das war die Debatte:

Wer hat an der Debatte teilgenommen?

  • Die Liberalen schickten ein Schwergewicht ihres siebenköpfigen Spitzenteams: EU-Wettberwerbskommissarin Margrethe Vestager aus Dänemark.

Google, Apple, Facebook, Amazon: Die Liste der von Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager abgestraften Unternehmen liest sich wie ein Who-is-Who der Weltkonzerne. Doch der resoluten Dänin geht es nicht in erster Linie um die Milliardenstrafen, die sie verhängt. Mehr Wert legt sie darauf, illegales Verhalten von Unternehmen zu unterbinden - für einen Markt, der den Verbrauchern dient und ihnen bestmögliche Produkte, Preise und Auswahl bietet. Dabei nimmt es die 51 Jahre alte Pastorentochter aus Glostrup im Nordosten Dänemarks nicht nur mit den US-Riesen auf. In den vergangenen Jahren folgten Ermittlungen und Entscheidungen etwa gegen Ikea, Siemens, BMW, Daimler, VW und viele andere europäische Unternehmen.

In ihrer Heimat galt die studierte Wirtschaftswissenschaftlerin schon vor ihrem Wechsel nach Brüssel 2014 als starke politische Persönlichkeit. 1998 wurde sie mit 29 Jahren in ihrer Heimat Bildungsministerin - zu dem Zeitpunkt jüngste Ministerin in der Geschichte Dänemarks. Von 2011 bis 2014 war sie Wirtschafts- und Innenministerin im Kabinett der sozialdemokratischen Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt und Chefin der sozialliberalen Partei.

Die Liberalen treten mit einem Spitzenteam aus sieben KandidatInnen an - einer von ihnen ist Guy Verhofstadt. Wir haben den Belgier interviewt:

  • Der deutsche Europaabgeordnete Manfred Weber tritt für die Europäische Volkspartei an.

Der CSU-Politiker Manfred Weber sitzt seit 2004 im Europaparlament. Seit 2014 führt er die Fraktion der konservativen Europäischen Volkspartei mit mehr als 200 Abgeordneten aus der ganzen EU. Der 46-Jährige ist kein Freund offener Konfrontation, sondern kämpft lieber im Hintergrund für seine Ziele. Im Wahlkampf tourt der Niederbayer allerdings unermüdlich durch Europa und präsentiert sich als heimatverbundener Europäer, der die EU wieder näher an ihre Bürger bringen möchte.

Der Christdemokrat will sich für ein weltweites Verbot von Einwegplastik sowie für eine Steuer auf Flugzeugtreibstoff einsetzen. Eine verpflichtende Abgabe auf den Ausstoß von klimaschädlichen Kohlendioxid (CO2) lehnt er allerdings ab.

Der Deutsche lehnt die Forderung nach einer gemeinsamen Arbeitslosenversicherung und nach einem EU-weiten Mindestlohn ab. Stattdessen will er lieber dafür sorgen, die Position von Unternehmen zu stärken, damit diese Arbeitsplätze sichern oder schaffen können. In Ausnahmefällen will er zum Beispiel Zusammenschlüsse von europäischen Unternehmen trotz wettbewerbsrechtlicher Bedenken befürworten - wenn diese denn die Position der EU auf dem Weltmarkt stärken können.

Weber hat den Außengrenzschutz zu einem zentralen Anliegen seines Wahlkampfes gemacht. Er will die EU-Staaten dazu bewegen schon bis 2022 rund 10 000 Grenzschützer bereitzustellen. Derzeitige Pläne sehen 2027 vor. Das Verhältnis zwischen der EU und Afrika möchte Weber deutlich ausbauen. Dabei setzt er auf Handelsverträge und besondere Partnerschaften mit den Ländern.

Diskutieren müsse man die Herabsetzung des Wahlalters bei der Europawahl, sagt Weber. Allerdings will er sich nicht darauf festlegen, dass künftig schon 16-Jährige an Wahlen teilnehmen dürfen sollten. Zudem verweist er darauf, dass die Festlegung des Wahlalters eine Angelegenheit der EU-Staaten sei.

  • Der tschechische Europabgeordnete Jan Zahradil tritt für die Europäischen Konservativen an.
  • Frans Timmermans, polyglotter Niederländer und derzeit 1. Vizepräsident der EU-Kommission kandidiert für die Sozialdemokraten.

Der Niederländer ist seit 2014 Stellvertreter von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Zuständig für Fragen des Rechtsstaats, legte sich der 58-Jährige in den vergangenen Jahren mit den Regierungen in Polen, Ungarn und Rumänien an. Aus diesen Ländern schlägt ihm teils offene Feindseligkeit entgegen. Der Diplomatensohn und frühere Außenminister spricht sieben Sprachen und hofft auf eine Mehrheit mit Grünen, Liberalen und Linken im Parlament. Auch er hat uns bereits Rede und Antwort gestanden.

  • Ska Keller, ebenfalls deutsche Europaabgeordnete, kandidiert für die Grünen.

Was sind Ihre Positionen? Hier unser Interview mit ihr.

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  • Der hispano-belgische Gewerkschafter Nico Cué tritt für die Linke an.

Cué tritt gemeinsam mit der Slowenin Violeta Tomic an, die uns ebenfalls Rede und Antwort gestanden hat.

EU/ Dominique HOMMELWT5

Der oder die EU-Kommissionspräsidentin wird nicht über das Wählervotum direkt bestimmt. Die meisten großen Fraktionen des Europäischen Parlaments nominieren ihreN bevorzugten KandidatIn für das Amt. Nach der Wahl ernennen die EU-Staats- und RegierungschefInnen dann einen dieser KandidatInnen, eklärterweise soll das in Berücksichtigung der Wahlergebnisse stattfinden. Anschließend muss das neue Parlament diesen Vorschlag ratifizieren.

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