"Den Nicht-Geimpften das Leben schwermachen" - Macron greift durch

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Copyright Jean-Francois Badias/Copyright 2021 The Associated Press. All rights reserved
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Von Stefan Grobe
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Wie können Impf-Verweigerer überzeugt werden, sich doch immunisieren zu lassen? Unser Thema diese Woche in State of the Union.

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In dieser Woche katapultierte sich Europa - nach einer schmerzhaften Aufholjagd - in die Weltspitze. Nicht bei den Olympischen Spielen, sondern der Impfkampagne.

Die EU erreichte ihr gestecktes Ziel, bis Ende Juli 70 Prozent der erwachsenen Bevölkerung geimpft zu haben. Darüber hinaus wurden bislang 57 Prozent mit zwei Dosen komplett geimpft.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zeigte sich zufrieden, aber nicht überschwänglich. Der Grund: Covid ist noch lange nicht besiegt - und der Impfstoff bleibt unsere einzige Waffe.

“Wir dürfen in unseren Anstrengungen nicht nachlassen. Die Delta-Variante ist sehr gefährlich, und deswegen rufe ich alle auf, sich impfen zu lassen - für sich und andere."

Die Ankündigung des positiven Zwischenergebnisses kam zu einem Zeitpunkt, an dem die Zahl der Infektionen steigt, zumeist unter Nicht-Geimpften.

Einige Länder wie Frankreich verabschiedeten strenge Gesetze, um den Anstieg der Delta-Infektionen einzudämmen, indem die bestraft werden, die sich nicht haben impfen lassen. Dies stieß auf Proteste einer lauten Minderheit, die sich verweigert. Staatspräsident Macron wurde als Diktator bezeichnet, der die Freiheiten der Bürger einkassiert.

Davon unbeeindruckt, attackierte Macron während einer Reise nach Französisch-Polynesien die Demonstranten. "Was ist Ihre Freiheit wert, wenn Sie mir sagen 'ich will mich nicht impfen lassen', aber wenn Sie Ihren Vater anstecken, Ihre Mutter oder mich? Ich bin dann ein Opfer Ihrer Freiheit, wenn Sie Gelegenheit hatten, sich selbst und mich zu schützen. Das ist nicht Freiheit, das ist Verantwortungslosigkeit und Egoismus.".

Harte Worte in einem sich immer mehr verhärtenden Kulturkampf. In Belgien schlossen Wissenschaftler gerade eine Studie ab, um herauszufinden, wie die Menschen beim Thema Impfung zu ihren Überzeugungen kommen. Was treibt sie, was motiviert sie?

Einer der Autoren der Studie war Timothy Desmet, Ökomnom, Marketing- und Konsumforscher an der Freien Universität Brüssel. Mit ihm führten wir das folgende Gespräch.

Euronews: Mit ihrer Studie wollten Sie herausfinden, warum sich die Belgier impfen lassen wollen oder nicht. Was ist das Ergebnis?

Desmet: Die meisten Menschen sind über die Impfkampagne sehr glücklich. Für sie sind die gesundheitlichen Vorteile für sich selbst, für schwächere und ältere Menschen klar überwiegend. Das ist der Hauptgrund für eine Impfung. Wir sehen aber auch einen harten Kern der Bevölkerung, der sich heute und in der Zukunft nicht impfen lassen will.

Euronews: Wie sieht statistisch gesehen ein Impfverweigerer aus, nach Alter, Geschlecht, Bildung und Einkommen?

Desmet: Wie sehen einige nur subtile Unterschiede unter den Gruppen, die Sie ansprechen. Die Einstellung zur Impfung wird nicht von Alter oder Geschlecht bestimmt, sondern von der Quelle der Informationen, die die Menschen haben. Wir sehen etwa, dass Impfskeptiker zugleich kritisch sind gegenüber traditionellen Medien. Diese Menschen beziehen ihre Informationen vor allem über soziale Netzwerke. Sie konsumieren dort also Meinungen, die ihre Überzeugung nur noch fester machen. Und diese Überzeugung ist, dass Impfungen gefährlich seien und gesundheitsschädlich wegen Nebeneffekten.

Euronews: Einige Regierungen in Europa haben den Druck auf die Nicht-Geimpften erhöht, sich doch impfen zu lassen. Inwieweit können diese Menschen überzeugt werden?

Desmet: Die Idee, den Druck zu erhöhen, ist gut, denn theoretische Argumente dringen nicht durch. Es reicht nicht zu sagen, dass Impfungen nicht gefährlich sind. So werden sich die Verweigerer nicht überzeugen lassen. Also muss man anders vorgehen. Basierend auf unserer Studie glaube ich, dass diese praktischen Konsequenzen mehr bewegen können. Man muss den Alltag der Nicht-Geimpften sehr schwer machen.

Euronews: US-Präsident Biden spricht von einer Pandemie der Nicht-Geimpften, die nun krank werden und sterben. Was halten Sie von diesem Argument?

Desmet: Ich denke, dass ist ein wenig zu einfach, aber ich kann sein Argument verstehen. Aber natürlich können auch die schon Geimpften sich noch anstecken und krank werden, die Chance ist sehr gering, aber sie ist da. Zu sagen, dass es nun nur noch ein Problem der Nicht-Geimpften ist, dem kann ich nicht zustimmen.

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