Die Woche in Europa - Skandal in Brüssel, humanitäre Krisen in der Welt

Trümmer eines Wohnhauses, das bei einem russischen Raketenangriff in Kryvyi Rih, Ukraine, beschädigt wurde.
Trümmer eines Wohnhauses, das bei einem russischen Raketenangriff in Kryvyi Rih, Ukraine, beschädigt wurde. Copyright AP/Ukrainian Emergency Service
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Von Stefan Grobe
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Ein Blick auf eine Woche, die es in sich hatte: vom Korruptionsskandal im Europäischen Parlament, über Entscheidungen des EU-Gipfels, bis zu humanitären Krisen in der Ukraine und anderswo.

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Was war das für eine Woche!

Der letzte EU-Gipfel des Jahres fand statt; die Staats- und Regierungschefs trafen sich mit ihren Kollegen der Länder Südostasiens in Brüssel; Bosnien-Herzegovina erhielt den Status eines EU-Beitrittskandidaten; die EU gab einem 18-Milliarden-Euro-Hilfspaket für die Ukraine grünes Licht, nachdem Ungarn sein Veto aufgegeben hatte; und das mutige Volk der Ukraine erhielt den Sacharow-Preis für geistige Freiheit des Europäischen Parlaments.

Das war nicht das einzige Mal, dass das Parlament diese Woche in den Schlagzeilen war, um es einmal sehr milde auszudrücken.

Es begann mit der Nachricht, dass Abgeordnete angeblich Schmiergelder eines Golfstaates angenommen hatten, wahrscheinlich Katar, um politische Entscheidungen zugunsten dieses Landes zu beeinflussen. Im Zentrum stand offenbar Eva Kaili aus Griechenland, eine von 14 Vizepräsidenten der Volksvertretung und ein aufstrebender Star bei den Sozilalisten.

Der Skandal sandte Schockwellen durch die EU-Institutionen, vor allem das Parlament. Das volle Ausmaß dieser Korruption innerhalb der Kammer ist noch nicht abzusehen, doch der Schaden ist bereits immens.

Roberta Metsola, Präsidentin des Europäischen Parlaments: “Das Europäische Parlament ist Ziel eines Angriffs, Europas Demokratie ist Ziel eines Angriffs. Und unsere freien und offenen Gesellschaften sind Ziele eines Angriffs. (…) Es wird nichts unter den Teppich gekehrt. Wir werden interne Ermittlungen einleiten und alle Vorgänge im Zusammenhang mit dem Parlament untersuchen und wie unsere Systeme wasserdicht gemacht werden können."

Nur zwei Tage später konnte sich Metsola wieder regulären Geschäften widmen: der Verleihung des Sacharow-Preises für geistige Freiheit an die mutigen Menschen in der Ukraine. Damit würdigte das Europäische Parlament die Widerstandskraft eines Landes, das um sein Überleben kämpft.

Der Preis kam zu einem Zeitpunkt, als Moskau bekannt gab, seine Angriffe während der Weihnachtszeit nicht einzustellen.

Nach zehn Monaten Krieg hat das International Rescue Committee (IRC) die Ukraine zum ersten Mal auf seine jährliche Emergency Watchlist der zehn schlimmsten Krisenländer gesetzt – eine traurige Auszeichnung.

Alles in allem gibt es jetzt weltweit mehr als 340 Millionen Menschen in dringender humanitärer Not, 65 Millionen mehr als im Vorjahr! Ob es 2023 zu einer Linderung kommt, ist alles, worauf wir hoffen können.

Dazu ein Interview mit Harlem Désir, Vizepräsident Europa des (IRC).

Euronews: Das IRC veröffentlichte gerade seine jährliche Watchlist, auf der die weltweiten humanitären Krisen dokumentiert werden. Was hat sich im Vergleich zum Vorjahr geändert?

Désir: Was sich zunächst geändert hat, sind die zwanzig schlimmsten humanitären Krisen, bei denen wir die Gefahr einer Verschlechterung für das nächste Jahr sehen. Dies ist eine Kombination aus bewaffneten Konflikten, Klimawandel und auch wirtschaftlichen Turbulenzen, die durch die Folgen der COVID-Krise, aber auch des Krieges in der Ukraine noch verstärkt wurden. Letzterer löste einen Anstieg der Lebensmittelpreise und der Energiepreise aus, der die schon länger schwelenden Krisen dramatisch verschlechtert hat.

Euronews: Laut Watchlist sind die Systeme, die verhindern sollen, dass solche Krisen außer Kontrolle geraten, zusammengebrochen – was heißt das im einzelnen?

Désir: Es geht um die Sicherungen, die im Prinzip dazu da sind, die Zivilbevölkerung davor zu schützen, Opfer der Folgen dieser Krisen zu werden. So sehen wir zum Beispiel eine riesige Finanzierungslücke zwischen dem, was die Vereinten Nationen an humanitären Mitteln verlangt hat, und dem, was den Ländern tatsächlich zugute kommt.

Euronews: Was empfiehlt das IRC, um diese humanitären Krisen zu bekämpfen?

Désir: Zuerst muss die Finanzierung sichergestellt werden. Dann müssen die Verantwortlichen für Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung zur Rechenschaft gezogen und bestraft werden. Auch muß die Unterstützung lokaler Gruppen, insbesondere von Frauen geführte Organisationen, verstärkt werden. Frauen und Mädchen sind die große Mehrheit der Vertriebenen auf der Welt.

Euronews: Die Watchlist sagt auch, dass humanitäre Krisen nur ein Prozent der Medienberichterstattung ausmachen – wie ist das zu erklären?

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Désir: Nun, ich denke, eine der Erklärungen ist die Tatsache, dass viele dieser Krisen langwierige Konflikte sind, wie zum Beispiel in Somalia. Daher ist es schwierig, Aufmerksamkeit zu erreichen, weil der Konflikt schon so lange besteht. Während ein neuer Konflikt, etwa in der Ukraine, mehr Medieninteresse erregt, was nur fair ist. Die Berichterstattung über den Konflikt in der Ukraine ist 100.000-mal größer als beispielsweise über den Konflikt in der Demokratischen Republik Kongo, wo der humanitäre Bedarf aber ebenfalls sehr hoch ist.

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