3. Jahrestag der Covid-Pandemie: Was hat die Weltgemeinschaft gelernt?

Wie ist das mit der Übersterblichkeit durch Covid-19
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Von Mario BowdenEuronews
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Vor genau drei Jahren hat die WHO #Covid19 zur globalen Pandemie erklärt. Was sagen Experten zur Übersterblichkeit und was können wir aus der Corona-Pandemie lernen?

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Vor genau drei Jahren am 11. März 2020 erklärte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Covid-19 zu einer globalen Pandemie. Die Infektionen mit SARS-CoV-2 führten zu beispiellosen Lockdowns u.a. Einschränkungen in der ganzen Welt, da Regierungen und Gesundheitsbehörden versuchten, die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen.

"In den kommenden Tagen und Wochen erwarten wir, dass die Zahl der Fälle, die Zahl der Todesfälle und die Zahl der betroffenen Länder noch weiter ansteigen wird", sagte Tedros Adhanom Ghebreyesus, der Generaldirektor der WHO damals.

Drei Jahre später zeigen die Statistiken, dass die Todesfälle, die durch Covid-19 verursacht werden oder damit zusammenhängen, die Zahl der Übersterblichkeit weltweit deutlich erhöht haben. Nach Angaben der Johns Hopkins University gab es mehr als 6,8 Millionen Todesfälle, die direkt auf Covid-19 zurückzuführen waren. Durch Impfungen und schwächere Mutationen konnte die Bedrohung inzwischen jedoch eingedämmt werden.

Dennoch ist die Übersterblichkeitsrate in Europa in den letzten Monaten stark angestiegen. 

Was ist Übersterblichkeit?

Die Übersterblichkeit ist die Zahl der Todesfälle, die über das hinausgehen, was in einem bestimmten Zeitraum zu erwarten wäre. Sie wird gemessen, indem man die Zahl der Todesfälle in einem bestimmten Zeitraum (z. B. einem Jahr) mit der durchschnittlichen Zahl der Todesfälle im selben Zeitraum in den Vorjahren vergleicht.

"Die Sterblichkeit bleibt über die Jahre hinweg relativ stabil, es sei denn, es passiert etwas", erklärt Dr. Quique Bassat, Experte für Infektionskrankheiten bei ISGLOBAL, gegenüber Euronews. "Abweichungen von der erwarteten Sterblichkeit sind sehr aufschlussreich, da sie als Warnsignale dienen, dass etwas passieren könnte.

Laut einer von Eurostat durchgeführten Analyse stieg die Übersterblichkeit in der Europäischen Union im Dezember 2022 um 19 %, verglichen mit der durchschnittlichen Zahl der Todesfälle im gleichen Zeitraum zwischen 2016 und 2019.

Was bedeutet das nun in Zahlen? Laut EuroMOMO wurden im Dezember 2022 über 101.000 Todesfälle verzeichnet, verglichen mit 109.000 im Jahr 2020, als SARS-CoV-2 in Europa stark verbreitet war.

Nicht jeder Tod mit Covid-19 ist ein Tod durch Covid-19. Die Infektion mit dem Coronavirus verschlimmert bereits bestehende gesundheitliche Probleme - von Herz-Kreislauf- bis zu Atemwegserkrankungen.

Die überhöhte Sterblichkeitsrate variiert zwischen den einzelnen EU-Mitgliedstaaten. So verzeichneten osteuropäische Länder wie Bulgarien und Rumänien im Dezember 2022 mit -6 % bzw. -5,5 % deutlich niedrigere Raten als der EU-Durchschnitt.

Länder wie Deutschland, Frankreich, Österreich und Irland übertrafen jedoch alle den Durchschnitt für Dezember 2022. Deutschland verzeichnete in diesem Monat einen atemberaubenden Anstieg der überzähligen Sterbefälle um 37,3 %.

"Es ist möglich, dass die Bevölkerung jetzt eine schwächere Immunität gegen die Grippe hat als in den Jahren vor Covid-19, weil in den letzten beiden Jahren aufgrund des Abstandhaltens und des Maskentragens nur sehr wenige Menschen an Grippe erkrankten", sagt Dmitry Kobak, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Tübingen.

Überlastete Gesundheitsdienste schon vor der Pandemie

Möglicherweise tragen auch andere Faktoren zum Anstieg der Übersterblichkeitsrate in Europa bei. 

So hat die Pandemie die Gesundheitssysteme zumindest teilweise blockiert und den Menschen den Zugang zur medizinischen Versorgung bei anderen Erkrankungen erschwert. Dies könnte dazu geführt haben, dass es mehr Todesfälle durch nicht Covid-bedingte Ursachen wie Herzkrankheiten oder Krebs gibt.

Patrick Wall Professor of Public Health am University College Dublin erklärt: "Anfangs war es eine Epidemie im Gesundheitswesen. Viele Beschäftigte im Gesundheitswesen waren Covid-19 ausgesetzt und infizierten sich. Sie konnten nicht arbeiten. Die Gesundheitseinrichtungen waren unterbesetzt. Und da sie zu wenig Personal hatten, wurden elektive Eingriffe, Vorsorgeuntersuchungen, Krebs- und Chemotherapien abgesagt, so dass die Auswirkungen enorm waren. Viele Menschen gingen nicht zu den Vorsorgeuntersuchungen und die Diagnose wurde verzögert."

"Die [Gesundheits-]Systeme versuchen, die durch die Pandemie verursachten verpassten Diagnosen und verzögerten Behandlungen nachzuholen, insbesondere wenn die Gesundheitssysteme überlastet oder einfach unterbesetzt waren. Dies trägt erheblich zur derzeitigen Belastung der Gesundheitssysteme bei". Das sagt Dr. Jeffery Lazarus, Leiter der Forschungsgruppe Gesundheitssysteme bei ISGlobal, gegenüber Euronews.

Es ist klar, dass die Belastung der nationalen Gesundheitssysteme durch die Pandemie die bereits bestehenden Belastungen für die Krankenhäuser und das Gesundheitspersonal noch verstärkt hat. Viele betonen, dass sie immer noch zu kämpfen haben.

Nachdem sich die Pandemie beruhigt hatte, waren die meisten Regierungen nicht in der Lage, die zusätzlichen Kosten zu bewältigen, die solche Herausforderungen mit sich brachten, und kehrten zu der Situation vor der Pandemie zurück, in einigen Fällen sogar zu einer noch schlimmeren Situation.
Professor Quique Bassat
Kinderarzt und Virologe am ICREA in Barcelona

Hitzewellen

Die medizinischen Probleme sind nicht der einzige Faktor, der zur Übersterblichkeit beiträgt. Das Klima spielt eine immer größere Rolle für die Gesundheit der Menschen. Ein Beispiel dafür sind die historischen Hitzewellen, die Europa im Sommer 2022 erschütterten, als die Temperaturen in Spanien, Italien, Frankreich und Großbritannien über 40 Grad erreichten. Die intensive Trockenheit auf dem Kontinent führte nicht nur zu Dürreperioden, sondern auch zu Todesfällen.

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Nach Angaben der WHO starben in Europa über 15.000 Menschen an den Folgen der Hitze.

"Diejenigen, die am stärksten von Hitzewellen betroffen sind, sind typischerweise im Freien arbeitende Menschen wie in der Landwirtschaft und im Baugewerbe, sowie die älteren Menschen in der Gesellschaft, die sich oft schon in einem schlechten Gesundheitszustand befinden", sagt Dr. Jeffery Lazarus, Health Systems Research Group bei ISGlobal, gegenüber Euronews.

Die verschiedenen Wetterextreme des Sommers 2022 trafen die am meisten gefährdeten Gruppen, wie z. B. ältere Menschen, durch Hitzestress, Atemwegsprobleme aufgrund von verschmutzter Luft und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Was können die Regierungen tun, um künftige Pandemien zu verhindern?

Der Anstieg der Übersterblichkeitsrate in Europa ist also auf eine Reihe von Faktoren zurückzuführen.

Während wir beginnen, über eine Ära nach der Pandemie nachzudenken, sind sich die Regierungen darüber im Klaren, dass unsere Gesundheit und Freiheit nicht als selbstverständlich angesehen werden dürfen. Doch was kann getan werden?

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"Wir brauchen einen besseren, ganzheitlicheren Ansatz, um Probleme anzugehen, wenn wir mit der nächsten Pandemie fertig werden wollen. Wir haben die Pflege abgewertet, bis wir tatsächlich die Pflege als genauso wichtig wie die Behandlung einstufen, werden wir die Probleme nicht lösen."
Patrick Wall
University College Dublin

"Die Regierungen müssen proaktiv und nicht reaktiv handeln", sagt Dr. Lazarus.

"Sie müssen evidenzbasierte Maßnahmen ergreifen, wie die Verbesserung der Luftqualität in Innenräumen und die Förderung der Covid-19-Impfstoffauffrischung. Stattdessen versuchen sie, die Pandemie zu verdrängen, mit dem Ergebnis, dass Millionen von Europäern an Covid-19 oder LongCovid erkrankt sind."

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