Deutsche Wissenschaftler machen "große Entdeckung" über den Alterungsprozess

Haben wir endlich einen Weg gefunden, den Alterungsprozess zu verlangsamen?
Haben wir endlich einen Weg gefunden, den Alterungsprozess zu verlangsamen? Copyright Euronews/Canva
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Von Camille Bello
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Die Erkenntnis, dass mit zunehmenden Alter die Qualität der notwendigen Generneuerung nachlässt, eröffnet die Möglichkeit, diesen Prozess positiv zu beeinflussen.

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Trotz jahrhundertelanger Forschung und der Fortschritte in der Medizin gibt es immer noch viele ungelöste Rätsel, darunter die Frage, was den Prozess des Alterns verursacht und wie wir ihn verlangsamen oder umkehren können.

Eine neue Studie, die im Wissenschaftsmagazin Nature veröffentlicht wurde, könnte nun endlich Antworten auf diese Fragen liefern.

Forscher der Universität Köln haben nicht nur herausgefunden, dass die Gentranskription - der Prozess, bei dem eine Zelle eine RNA-Kopie eines DNA-Stücks anfertigt - mit zunehmendem Alter zwar schneller, aber auch ungenauer und fehleranfälliger wird, sondern auch, dass bestimmte Prozesse dazu beitragen könnten, diese Entwicklung umzukehren.

"Dies ist bisher der einzige Eureka-Moment in meinem Leben. Das ist Entdeckung, die man nicht jeden Tag macht", sagte Dr. Andreas Beyer, der leitende Forscher.

"Es gibt regelrechten einen Sturm auf Twitter. Einige Kolleg:innen sind ganz aus dem Häuschen", so Beyer er zu Euronews Next.

Andreas Beyer und sein Team feiern die Veröffentlichung ihrer bahnbrechenden Studie

Bevor er und sein Team vor 10 Jahren mit ihrem Forschungsprojekt begannen, wurde in typischen Alterungsstudien "nur die unterschiedliche Genexpression untersucht", sagt Beyer.

Frühere Studien, erklärt er, stellten im Grunde Fragen wie "Welche Gene werden im Alter aktiviert und welche ausgeschaltet?" und "Wie verändert das die Regulation oder den Stoffwechsel in der Zelle?".

Aber niemand hatte sich die Frage gestellt, wie sich der Transkriptionsprozess selbst mit zunehmendem Alter verändert - eine Fragestellung, die uns helfen könnte, den Verfall umzukehren oder aufzuhalten.

Transkription, der Schlüssel zum gesunden Altern

Die Transkription ist für die Forschung von grundlegender Bedeutung, da es sich dabei um den Prozess handelt, bei dem eine Zelle eine RNA-Kopie eines DNA-Stücks anfertigt.

Diese Kopie ist wichtig, weil sie die genetische Information enthält, die für die Herstellung neuer Proteine in einer Zelle benötigt wird. Proteine bestimmen die Gesundheit und Funktion der Zellen, und Zellen sind der Grundbaustein aller Lebewesen.

Im Laufe unseres Lebens regenerieren sich unsere Zellen, "aber jede Zelle ist anders, und was sie anders macht, sind die verschiedenen Gene, die in ihr aktiviert werden", erklärt Beyer. "Diese Aktivierung nennt man Transkription".

Da die Gene den Zellen ihren Zweck geben, muss ihre Transkription einwandfrei sein.

"Man muss für jedes Gen die richtige Menge an Transkripten erzeugen und eine exakte Kopie der Gensequenz haben, aber man muss auch genau die Gene aktivieren, die die Zelle braucht, um so zu funktionieren, wie sie soll", so Beyer.

Im menschlichen Körper gibt es viele verschiedene Zelltypen: Nervenzellen, Muskelzellen, Blutzellen, Hautzellen und so weiter. Und weil jede Zelle eine andere Funktion erfüllt, wird in jedem Zelltyp ein anderer Satz von Genen aktiviert (transkribiert).

Die "Maschine" - wie Beyer sie nennt -, die für die Abschrift der Gensequenzen verantwortlich ist, heißt Pol II (RNA-Polymerase II).

Sein Team fand heraus, dass der Transkriptionsprozess mit zunehmendem Alter schneller abläuft, und diese beschleunigte Transkription führt dazu, dass Pol II mehr Fehler macht, was im Wesentlichen zu "schlechten" Kopien führt, die zu zahlreichen Krankheiten führen können.

"Wenn Pol II zu schnell wird, macht es mehr Fehler, und dann ist die Sequenz nicht mehr identisch mit der Genomsequenz. Die Folgen sind ähnlich wie bei Mutationen im Genom selbst", so Beyer.

Stoppen schlechter Zellkopien, der zweite große Durchbruch

Frühere Studien hatten bereits gezeigt, dass kalorienarme Diäten und die Hemmung der Insulinsignalisierung - also die Blockierung des Signals zwischen Insulin und Zellen - bei vielen Tieren die Alterung verzögern und die Lebensspanne verlängern können. In ihren Experimenten wollte das Team von Beyer herausfinden, ob diese Maßnahmen auch die Geschwindigkeit von Pol II verlangsamen und die Anzahl der fehlerhaften Kopien verringern.

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Die Untersuchung - eine gemeinsame Zusammenarbeit von 26 Personen aus sechs verschiedenen Labors - arbeitete zunächst mit Würmern, Mäusen und Fruchtfliegen, die genetisch so verändert wurden, dass sie die Insulinsignalisierung hemmen, sowie mit Mäusen, die eine kalorienarme Diät erhielten, um die Leistung der Zelltranskription im Alter zu bestimmen. In beiden Fällen reagierte und bewegte sich Pol II langsamer und machte weniger Fehler.

Beyer und sein Team verfolgten dann das Überleben von Fruchtfliegen und Würmern, die die Mutation trugen, die Pol II verlangsamte, und die Tiere lebten 10 bis 20 Prozent länger als ihre nicht mutierten Gegenstücke.

Als die Forscher die Mutationen in den Würmern durch Gen-Editing rückgängig machten, verkürzte sich die Lebensdauer der Tiere, so dass ein kausaler Zusammenhang hergestellt werden konnte.

Um ihr Experiment an Menschen zu testen, arbeiteten sie mit Blutproben von jungen und alten Menschen.

"Und als wir die jungen Zellen mit den sehr alten Zellen in vitro verglichen, erhielten wir genau die gleichen Ergebnisse", erklärte Argyris Papantonis, einer der Wissenschaftler des Teams, gegenüber Euronews Next. Die artenübergreifenden Ergebnisse bestätigen, dass es sich "wirklich um ein allgemeines Phänomen handelt, das für die Alterung gilt, und nicht nur für ein einzelnes Modell, zum Beispiel für Fliegen", so Beyer.

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"Unsere Studie besagt, dass zum Beispiel eine gesunde Ernährung und eine Kalorienrestriktion die Qualität der Transkription der RNA-Produktion in der Zelle verbessern würde. Und das würde sich langfristig positiv auf die Zellen auswirken".

Die Ergebnisse könnten dazu beitragen, die Entstehung von Krebs zu verhindern, so Papantonis, denn "Krebs ist eine Krankheit, die aufgrund von Fehlern erst spät im Leben auftritt. Die Einschränkung von Fehlern könnte eine Möglichkeit sein, die Entstehung von Krebs oder von Krankheiten im späteren Leben zu verhindern".

Sie könnten es uns auch ermöglichen, "das Altern besser zu verstehen, besser zu verstehen, was vor sich geht, wenn wir altern", und schließlich "Interventionen besser zu verstehen, was meiner Meinung nach neue Möglichkeiten eröffnet, das Altern zu verzögern oder gesundes Altern zu erweitern", so Beyer.

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