Forscher stellen eine Premiere vor: eine Simulation aller hundert Milliarden Sterne der Milchstraße. KI macht Physik im Galaxie-Maßstab hundertmal schneller als bisher.
Eine neue, von KI unterstützte Durchbruch-Simulation der Milchstraße liefert Forschenden den bislang detailliertesten Blick darauf, wie unsere Galaxie sich entwickelt.
Das Modell verfolgt mehr als 100 Milliarden einzelne Sterne über 10.000 Jahre Entwicklung. Es erreicht eine Auflösung, nach der Astrophysiker seit Jahrzehnten streben.
Bislang fassten selbst die modernsten Simulationen Sterne zu großen Gruppen zusammen. Dadurch gingen die feinen physikalischen Prozesse verloren, die das Wachstum und die Veränderung von Galaxien prägen.
Die neue Methode ändert das grundlegend. Sie verbindet Deep Learning mit klassischer, physikbasierter Modellierung. So erzeugte das Team eine Simulation im Galaxie-Maßstab, hundertmal schneller als bisherige Verfahren und mit hundertmal mehr Sternen.
Warum die Simulation unserer Galaxie so schwierig ist
Wer verstehen will, wie die Milchstraße entstanden ist und sich weiterentwickelt, braucht Modelle mit großem Spannungsbogen. Sie müssen die ausgedehnte Spiralstruktur abbilden und zugleich das Verhalten einzelner Sterne und Supernovae.
Doch die beteiligte Physik umfasst sehr unterschiedliche Zeitskalen. Gravitation, Gasdynamik, chemische Anreicherung und explosive Sternentode wirken auf sehr verschiedenen Zeitachsen.
Schnelle Ereignisse wie Supernova-Explosionen erzwingen sehr kleine Zeitschritte. Das kostet enorme Rechenleistung. Eine Milliarde Jahre Galaxiengeschichte zu modellieren kann deshalb Jahrzehnte dauern.
Die KI-Abkürzung
Das Projekt ist eine Zusammenarbeit unter Leitung des Forschers Keiya Hirashima am RIKEN Center for Interdisciplinary Theoretical and Mathematical Sciences (iTHEMS) in Japan, gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen der University of Tokyo und der University of Barcelona. Vorgestellt wurde es kürzlich auf der SC'25 (International Conference for High Performance Computing, Networking, Storage, and Analysis).
Das Team von Hirashima löste das Problem mit einem Deep-Learning-Ersatzmodell. Das KI-System wurde mit hochauflösenden Simulationen zum Verhalten von Supernovae trainiert. Es lernte vorherzusagen, wie sich Gas in den 100.000 Jahren nach einer Explosion verteilt.
Die Hauptsimulation konnte dadurch deutlich schneller voranschreiten und behielt die Detailtiefe einzelner Supernova-Ereignisse. Validiert wurde der Ansatz mit Daten vom japanischen Supercomputer Fugaku und vom Miyabi-System der University of Tokyo.
Das Ergebnis ist eine Milchstraßen-Simulation im Vollmaßstab mit echter Einzelstern-Auflösung, die deutlich effizienter läuft.
Eine Million Jahre Galaxienevolution dauert nun nur 2,78 Stunden. Eine Milliarde Jahre ließen sich so in rund 115 Tagen statt in 36 Jahren simulieren.
"Ein echtes Werkzeug für wissenschaftliche Entdeckungen"
Der Erfolg ist ein Meilenstein für die Astrophysik. Seine Folgen reichen weit über die Weltraumforschung hinaus.
"Ähnliche Methoden wie unsere lassen sich auf Simulationen zur kosmischen großräumigen Strukturbildung und zur Akkretion von Schwarzen Löchern anwenden. Ebenso auf Wetter-, Klima- und Turbulenzsimulationen", heißt es in der Veröffentlichung.
Solche hybriden KI-Physik-Methoden könnten diese Modelle drastisch beschleunigen. Sie wären damit schneller und präziser.
"Die Verbindung von KI und Hochleistungsrechnen markiert aus meiner Sicht einen grundlegenden Wandel. So lassen sich in den Computational Sciences Probleme mit vielen Skalen und vielen physikalischen Prozessen ganz anders angehen", sagte Hirashima.
"Dieser Erfolg zeigt außerdem, dass KI-beschleunigte Simulationen mehr sind als Mustererkennung. Sie werden zu einem echten Werkzeug für wissenschaftliche Entdeckungen und helfen uns nachzuverfolgen, wie die Elemente entstanden, aus denen das Leben hervorging, und das in unserer eigenen Galaxie", ergänzte er.
Als Nächstes will das Team die Methode weiter skalieren und ihre Anwendung in der Erdsystemmodellierung ausloten.