Eine gemeinsame Recherche von Mediazona, dem russischen Dienst der BBC und Freiwilligen dokumentiert inzwischen über 158.000 getötete russische Soldaten im Krieg gegen die Ukraine. Die tatsächlichen Verluste dürften deutlich höher liegen - Experten sprechen von bis zu 345.000 Toten.
Die unabhängige russische Online-Publikation Mediazona führt gemeinsam mit dem russischen Dienst der BBC und Freiwilligen eine Liste mit den Namen russischer Militärangehöriger, die im Krieg gegen die Ukraine getötet wurden. Laut dem jüngsten Bericht umfasst diese Liste inzwischen mehr als 158.000 bestätigte Namen.
Zahlen und Leben
Das Expertenteam, das die Verluste auf russischer Seite dokumentiert, weist zu Beginn auf erhebliche Unsicherheiten hin: Die Erhebung und Auswertung statistischer Daten sei äußerst schwierig, die Zahlen spiegelten nicht die tatsächliche Lage wider.
Journalisten und Freiwillige tragen die Informationen aus offenen Quellen zusammen - darunter Medienberichte, Nachrufe, Mitteilungen lokaler Behörden, Friedhofsdaten sowie Beiträge in sozialen Netzwerken von Angehörigen und Freunden der Gefallenen.
"Ständig kommen neue Daten hinzu, und wir werden noch mehrere Monate benötigen, um die Verluste für das Jahr 2025 vollständig auszuwerten", warnt der russische Dienst der BBC. Alle bestätigten Einträge sind auf der Website von Mediazona dokumentiert und in vier europäischen Sprachen abrufbar.
Die Autoren der Analyse gehen davon aus, dass die tatsächlichen Verluste deutlich höher liegen als jene, die sich aus offenen Quellen belegen lassen. Militärexperten schätzen, dass die Auswertung von Friedhöfen, Kriegsdenkmälern und Nachrufen lediglich 45 bis 65 Prozent der tatsächlichen Todesfälle abdeckt.
Ein Grund dafür ist, dass viele Leichen von Soldaten, die in den vergangenen Monaten gefallen sind, noch auf dem Schlachtfeld liegen könnten. Ihre Bergung gilt als extrem gefährlich, insbesondere wegen anhaltender Drohnenangriffe.
Wer sind diese Menschen und woher kommen sie?
Nach Angaben des Teams konnten die Namen von 158.143 russischen Militärangehörigen ermittelt werden, die seit Beginn der Invasion in der Ukraine ums Leben gekommen sind. Die tatsächliche Zahl der Toten auf russischer Seite wird auf 239.000 bis 345.260 geschätzt.
Rund 55 Prozent der identifizierten Toten waren Freiwillige, Mobilisierte oder Häftlinge, die aus Strafkolonien an die Front geschickt wurden. Den größten Anteil machten Freiwillige aus: 51.538 Menschen.
Seit Beginn des Krieges hat Russland nach Einschätzung der Projektbeteiligten zudem mehr als 6.278 Offiziere verloren, von denen 77 Prozent dem Unteroffiziersrang angehörten. Die Regionen Baschkortostan und Tatarstan führen die Statistik in absoluten Zahlen identifizierter Gefallener an.
Für das Jahr 2025 schätzt der russische Dienst der BBC, dass mindestens 33.203 russische Soldaten in der Ukraine getötet wurden. Diese Zahl liegt formal noch unter den Verlusten des Jahres 2024, in dem Medienberichten zufolge 64.950 Tote gezählt wurden.
Experten betonen jedoch erneut, dass die Datenerhebung unvollständig ist. So seien im Jahr 2025 rund 40 Prozent mehr Nachrufe veröffentlicht worden als 2024 - wobei die Zahl der Nachrufe nicht mit der Zahl bestätigter Todesfälle gleichzusetzen ist. Die Fachleute gehen davon aus, dass 2025 trotz diplomatischer Initiativen und Friedensappelle das bislang verlustreichste Jahr für die russische Armee werden könnte.
Seit Beginn der russischen Invasion haben weder Moskau noch Kyjiw offizielle Angaben zu ihren militärischen Verlusten veröffentlicht. Beobachtern zufolge neigen beide Seiten dazu, eigene Opferzahlen herunterzuspielen und die Verluste des Gegners zu überhöhen.
Vor diesem Hintergrund gilt das gemeinsame Projekt von Mediazona, dem russischen Dienst der BBC und Freiwilligen als einer der umfangreichsten Versuche, die russischen Verluste unabhängig zu dokumentieren.