US-Handelsvertreter warnen auf X: Europäischen Dienstleistern drohen Gebühren und Beschränkungen, falls die EU „diskriminierende“ Tech-Regeln beibehält.
Das Büro der United States Trade Representative veröffentlichte vergangene Woche auf X eine Liste europäischer Dienstleister, die bestraft werden könnten, falls die Europäische Union mit diskriminierenden Maßnahmen gegen US-Tech fortfährt.
In der Mitteilung heißt es, die USA würden Gebühren und andere Beschränkungen für ausländische Dienste in Erwägung ziehen, falls die Europäische Union und die EU-Mitgliedstaaten "weiter darauf bestehen, die Wettbewerbsfähigkeit von US-Dienstleistern durch diskriminierende Mittel zu beschneiden, zu begrenzen und abzuschrecken".
Warum kommt die amerikanische Botschaft in Europa nicht an?
Der Unmut in den USA ist nachvollziehbar: Im Dienstleistungshandel haben die Vereinigten Staaten gegenüber der EU einen Überschuss von über €148 Milliarden (einschließlich Entgelten für geistiges Eigentum, professionelle, wissenschaftliche und technische Leistungen sowie Telekommunikations-, Computer- und Informationsdienste).
Zudem erschwert Europas aktueller und geplanter Regulierungsrahmen US-Techunternehmen das Geschäft im europäischen Markt.
EU-US-Handel: Fakten und Zahlen // Rat der Europäischen Union
Trotzdem stößt die amerikanische Sicht und die jüngste Argumentation in der EU kaum auf Akzeptanz. Oft löst sie eher Gegenreaktionen aus, stärkt ausdrücklich antiamerikanische Stimmen und lässt gemäßigte, auch transatlantische, verstummen.
Erstens: Wer die EU-Techregulierung mit geopolitischen Botschaften vermischt und pauschal scharfe Worte gegen die EU richtet (wie in jüngsten Posts von Elon Musk), treibt europäische Gemäßigte in die Defensive – selbst jene, die Überregulierung kritisch sehen. Das wirkt schnell wie eine geopolitische Drohung. Wenn ein russischer Beamter wie Dmitri Medwedew die Aussagen eines US-Tech-Chefs widerspiegelt, ist das gelinde gesagt kein gutes Zeichen.
Zweitens: Drohungen der USA mit Vergeltungsmaßnahmen gegen EU-Techunternehmen stärken Kräfte, die härteres Vorgehen gegen US-Konzerne fordern – mit Bußgeldern, Zwangsverkäufen und neuen Steuern. Die Agenda der Europäischen Kommission für 2025 bis 2029 umfasst mehrere neue Vorhaben. Am wirksamsten balancieren sie Akteure aus, die als klassisch liberal oder konservativ gelten.
Drittens: Amerikanische politische Botschaften sind oft stark auf das heimische Publikum zugeschnitten und wirken in Europa unpräzise. So haben viele Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens in den USA die jüngste Geldbuße von €120 Millionen gegen X als Angriff auf die Meinungsfreiheit dargestellt, obwohl sie damit wenig zu tun hat.
Die Behörden ahndeten "ein irreführendes System für blaue Häkchen, ein unzureichendes Anzeigenarchiv und eingeschränkten Datenzugang für Forschende". Überregulierung ist frustrierend? Sicher. Hat das mit freier Rede zu tun? Eher nicht.
Knackige Botschaften sind verständlich. Damit sie in Europa verfangen, müssen sie aber präziser sein und klar am Kern der Sache ansetzen.
Viertens: Wer das europäische Regulierungssystem und den sogenannten "Brussels Effect" in den Mittelpunkt stellt, könnte unbeabsichtigt andere Regionen dazu ermutigen, dies als Hebel gegen die USA zu nutzen.
Werden nach dem US-EU-Handelsabkommen die Hausaufgaben gemacht?
Im August 2025 sah es etwas besser aus: Die USA und die EU unterzeichneten ein US-EU-Handelsabkommen. Damit schien endlich eine sachorientierte Debatte zu beginnen, denn Artikel 8 hält das gemeinsame Bekenntnis fest, "nichttarifäre Handelshemmnisse zu verringern oder zu beseitigen", und Artikel 17 vereinbart ein weiteres Vorgehen gegen "nicht gerechtfertigte Barrieren im digitalen Handel".
Die Frage ist nun, ob die Arbeit nach dem Abkommen tatsächlich läuft. Leider wirkt diese Frage weitgehend rhetorisch.
Die USA sollten sich nicht nur auf bestehende Regeln wie den Digital Markets Act (DMA), den Digital Services Act (DSA) und den AI Act konzentrieren. Wichtig sind auch Risiken der anstehenden Agenda – etwa Initiativen wie der Digital Fairness Act, der den Markt für personalisierte Werbung deutlich umgestalten könnte.
Nach der Verabschiedung ist es zu spät. Die Erfahrungen mit DSA, DMA und AI Act zeigen, dass sich solche Regeln später nicht einfach wieder kippen lassen. Die Hausaufgaben müssen rechtzeitig erledigt werden.
Welche europäischen Unternehmen stehen auf der Liste?
Als mögliche Ziele werden genannt: Accenture (Sitz in Irland), Amadeus (Sitz in Spanien), SAP, Siemens und DHL (alle mit Sitz in Deutschland), Capgemini, Mistral AI und Publicis (alle mit Sitz in Frankreich) sowie Spotify (Sitz in Schweden).
Warum ausgerechnet diese Firmen und nicht andere im Visier stehen, bleibt unklar. Einige europäische Dienstleister, darunter Techunternehmen, fehlen; manche der genannten unterhalten tief verankerte Partnerschaften mit US-Tech, und einige stehen der US-Position zur EU-Überregulierung von Tech weitgehend nahe.
Im Juli betonte etwa SAP-Chef Christian Klein, Europa solle nicht den direkten Wettbewerb mit den USA suchen, sondern eigene Stärken und Nischen ausbauen: "Ich würde nicht mit Unternehmen konkurrieren, die großartige Arbeit geleistet haben, wie die Vereinigten Staaten oder China. Das KI-Rennen ist auf der Software-Ebene noch nicht entschieden. Die Nachfrage ist dort enorm."
Mistral AI gehörte im Streit um den AI Act im Europäischen Parlament zu den lautesten Kritikern.
Siemens forderte gemeinsam mit SAP bereits im Juli eine Überarbeitung des AI Act.
Überregulierung ist auch für Europäer ein Problem
Die EU-Techregeln nur als Problem amerikanischer Firmen zu framen, ist falsch und schädlich. Überregulierung belastet auch europäische Unternehmen und ihre Wettbewerbsfähigkeit.
Mario Draghi sagte selbst, allein die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) mache Daten für europäische Gründer im Vergleich zu amerikanischen um 20 Prozent teurer.
EU-Vorschriften, die sehr große Online-Plattformen (VLOPs) adressieren – etwa DSA, DMA und andere –, werden bald auch für viele europäische Techunternehmen, Unicorns eingeschlossen, zum Problem. Mit zunehmender Größe geraten sie in ähnliche Prüfprozesse wie US-Konzerne.
Die EU bewegt sich mit der sogenannten Vereinfachung durch den Digital Omnibus endlich in die richtige Richtung. Ziel ist es, Datenregeln, den AI Act und mehr zu straffen.
Für viele Europäer ist eine Verschlankung des Tech-Regelwerks der EU (und weniger Regulierung insgesamt) Voraussetzung für Wettbewerbsfähigkeit. Das deckt sich mit Forderungen, die die USA seit langem erheben.
Dieser Artikel erschien zuerst auf EU Tech Loop und wurde im Rahmen einer Vereinbarung mit EU Tech Loop auf Euronews geteilt.