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US-Atomwaffen in Deutschland: "Wer als Erster schießt, stirbt als Zweiter"

Atompilz nach Explosion einer Atombombe
Atompilz nach Explosion einer Atombombe Copyright  Joe Cavaretta/AP2005
Copyright Joe Cavaretta/AP2005
Von Laura Fleischmann
Zuerst veröffentlicht am Zuletzt aktualisiert
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Etwa 20 US-Atomwaffen lagern in Deutschland, modernisiert und einsatzbereit. Doch Experten warnen: Die nukleare Abschreckung durch die USA ist keine Garantie. Könnten die Waffen bald ins Baltikum verlegt werden?

Die Bundeswehr feiert unter Anspannung 70-jähriges Bestehen in Berlin. Noch nie seit ihrer Gründung war die sicherheitspolitische Lage so kritisch wie heute. Einen Teil der Stabilität sichern US-amerikanische Atomwaffen auf europäischem Boden.

Etwa 20 von ihnen lagern in Deutschland: freifallende Bomben, die mit Kampfjets wie dem Eurofighter abgeworfen werden könnten. Ihre Zerstörungskraft ist verheerend. Erst vor Kurzem wurden sie modernisiert.

Die Waffen sind Teil des nuklearen Sicherheitsversprechens der Vereinigten Staaten. Schützend halten die USA ihre atomare Hand über ihre europäischen Verbündeten. Doch angesichts der wachsenden Zweifel an der Verlässlichkeit von US-Präsident Donald Trump gegenüber der NATO wächst in Europa die Sorge, Washington könnte im Ernstfall zögern – oder gar einen Rückzieher machen.

"Es war nie und es kann gar nicht sicher sein, dass die USA wirklich Nuklearwaffen einsetzen. Es ist keine Garantie. Wichtig ist aber, dass der Gegner es nicht ausschließen kann", erklärt der Politikwissenschaftler und Sicherheitsexperte Karl-Heinz Kamp gegenüber Euronews. Kamp war mehrere Jahre Präsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik, beriet die NATO und ist heute Associate Fellow der Deutschen Gesellschaft für Außenpolitik (DGAP). "Abschreckung ist reine Spekulation. Bisher hat sie gehalten, 50 Jahre lang."

US-amerikanischer F-35 Kampfjet landet in Puerto Rico, 19. September 2025
US-amerikanischer F-35 Kampfjet landet in Puerto Rico, 19. September 2025 Copyright 2025 The Associated Press. All rights reserved

Atomwaffen für Europa

Im Sommer sollen die Vereinigten Staaten neue Atomwaffen nach Europa gebracht haben, wie mehrere US-Medien berichteten. Hinweise darauf liefern unter anderem Flugrouten sowie der Kauf spezieller F-35-Kampfflugzeuge. Die Kampfjets können "taktische Atomwaffen" transportieren, also Atomwaffen mit begrenzter Sprengkraft, die gegen militärische Ziele eingesetzt werden können. Eine offizielle Bestätigung der US-Behörden steht bislang aus.

Auch Deutschland hat F-35-Kampfjets bestellt. 2026 sollen die ersten geliefert werden.

Seit dem Kalten Krieg lagern US-amerikanische Atomwaffen in ganz Europa. Wie viele es genau sind, bleibt geheim. Ihr Zweck ist vor allem symboligisch: Sie sollen potenzielle Angreifer, etwa Russland, abschrecken.

Nie zuvor seit Ende des Zweiten Weltkriegs war die atomare Abschreckung politisch so bedeutsam wie heute. Immer wieder hat Putin seit Beginn seines großangelegten Angriffskriegs gegen die Ukraine mit dem Einsatz von Atomwaffen gedroht, wie Euronews berichtete. "Um die russischen Streitkräfte stand es sehr schlecht. Putin hat darüber nachgedacht, weil er sich in die Ecke gedrängt gefühlt hat", analysiert Kamp.

"Wer als Erster schießt, stirbt als Zweiter"

Regelmäßig präsentiert der Kreml-Chef sein Waffenarsenal, darunter die RS-24 "Yars". Die Interkontinentalrakete hat bis zu 11.000 Kilometer Reichweite und kann Nuklearsprengköpfe transportieren.

Russische RS-24 Yars Rakete bei der Vorbereitung für die Parade zum "Tag des Sieges" 2024. Sie kann mit Nuklearsprengköpfen besetzt werden, 02. Mai 2024
Russische RS-24 Yars Rakete bei der Vorbereitung für die Parade zum "Tag des Sieges" 2024. Sie kann mit Nuklearsprengköpfen besetzt werden, 02. Mai 2024 Copyright 2024 The Associated Press. All rights reserved

Russland verfügt Schätzungen zufolge über rund 5.500 nukleare Sprengköpfe. Auch der Kreml nutzt sie politisch: Als Abschreckung des Westens, in den Ukraine-Krieg einzugreifen.

Doch dass Putin tatsächlich den Einsatzbefehl für Atomwaffen geben würde, bezweifelt Kamp. "Wer als Erster schießt, stirbt als Zweiter. Das ist kein erstrebenswerter Zustand."

In Deutschland lagern nach Schätzungen rund 20 atomare Wasserstoffbomben vom Typ B61-12 am Fliegerhorst Büchel in Rheinland-Pfalz. Erst kürzlich wurden sie modernisiert und sind jederzeit einsatzbereit.

Und es könnten noch mehr werden: Eine große Zahl sogenannter "Vaults" existiert an verschiedenen Standorten in Deutschland. Vaults, das sind Lagersysteme für Atombomben. Jederzeit könnten die USA neue Waffen in Deutschland stationieren oder bestehende abziehen.

Kritisiert werden die nuklearen US-Waffen auf deutschem Boden von verschiedenen Initaitiven wie dem Anti-Atombündnis ICAN Deutschland. Sie fordern ihren Abzug.

In Europa lagern US-Atomwaffen auch in Belgien, den Niederlanden, Italien, der Türkei sowie seit Kurzem in Großbritannien. Insgesamt sollen es etwa 100 Stück sein.

Denkbar wäre auch eine Verlagerung ins Baltikum, nahe der russischen Grenze, erklärt Kamp. Auch in Polen oder Rumänien könne die NATO ein deutliches Signal an Russland senden.

Eigene nukleare Waffen sind "kein Hexenwerk"

Rein theoretisch könnte Deutschland eigene Atomwaffen herstellen. Das sei "kein Hexenwerk", sagt Kamp. Alle technologisch fortschrittlichen Nationen seien dazu in der Lage. Politisch wäre ein solcher Schritt für Deutschland aber ein "Desaster", vor allem wegen der historischen Verantwortung.

Atomwaffentest durch die USA in Nevada, 22. April 1952
Atomwaffentest durch die USA in Nevada, 22. April 1952 Copyright 2020 The Associated Press. All rights reserved.

Gleich zwei völkerrechtliche Verträge verbieten Deutschland den Besitz eigener atomarer Waffen: Zum einen der "Zwei-plus-Vier-Vertrag" von 1990, geschlossen nach der Wiedervereinigung zwischen Deutschland und den Alliierten-Siegermächten.

Zum anderen der Atomwaffensperrvertrag, den die Bundesrepublik 1969 unterzeichnete. Aus beiden Verträgen könnte Deutschland theoretisch wieder austreten.

Theoretisch könnte Deutschland aus beiden Verträgen austreten, praktisch ist das jedoch politisch und gesellschaftlich kaum denkbar.

Einen weiteren Vertrag, den UN-Atomwaffenverbotsvertrag, der seit Januar 2021 in Kraft ist, haben Deutschland und weitere NATO-Staaten nicht unterzeichnet. Auch die Atommächte lehnten eine Unterzeichnung ab. Ziel des Abkommens ist eine Welt ohne Atomwaffen.

In der Bevölkerung gibt es kaum Unterstützung für die Entwicklung eigener Atomwaffen. Nur rund ein Drittel der Deutschen ist dafür.

Und notwendig wäre sie ohnehin nicht. Selbst ohne die Vereinigten Staaten bleibt Deutschland im Rahmen der NATO geschützt – durch die Atomarsenale Frankreichs und Großbritanniens.

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