Schottland und das Königreich: Better Together?

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Von Euronews
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Die Unterstützung der Schotten für ihre Unabhängigkeit vom Vereinigten Königreich bröckelt. Aktuellen Umfragen zufolge sind nur noch 30 Prozent dafür. Ein Referendum ist für Herbst 2014 vorgesehen. Der ehemalige britische Finanzminister Alistair Darling, ein gebürtiger Schotte und Labour-Politiker, ist gegen die Unabhängigkeit seiner Heimat. Die Kampagne “Better Together” soll das Königreich zusammenhalten. Euronews-Reporter Ali Sheikholeslami hat Alistair Darling in Edinburgh getroffen.

Euronews: Alistair Darling, bei der Vorstellung der Kampagne “Better Together” haben Sie zur Einheit des Königreichs aufgerufen. Warum?

Alistair Darling: Schottland geht es besser in der Einheit mit dem Vereinigten Königreich und umgekehrt. Wir sind mehr als der technische Zusammenschluss mehrerer Länder, nicht nur emotional, sondern auch wirtschaftlich. In dieser Zeit der Ungewissheit als selbständiges Land in eine noch ungewissere Zukunft zu steuern, scheint mir eine dumme Idee zu sein.

EN: Was stört sie an der aktuellen Diskussion? Geht es um gefährlichen Nationalismus, frei nach dem Motto: Hauptsache gegen England?

AD: Wir müssen uns doch gar nicht entscheiden. Wir können stolze Schotten und stolze Briten zugleich sein. Wir wollen uns nicht entscheiden müssen. Wir haben doch alle Freunde nördlich und südlich der Grenze und wir möchten einander nicht fremd werden. Soviel zur emotionalen Ebene. Und dann ist da noch etwas: Schottland ist Teil der britischen Wirtschaft. Schottland und die übrigen Teile des Königreichs greifen wirtschaftlich ineinander. Wie es für Großbritannien sinnvoll ist in der Europäischen Union zu sein, so ist es für Schottland sinnvoll mit seinem stärksten Nachbarn weiter eine Einheit zu bilden.

EN: Sollte es zu einer Unabhängigkeit Schottlands kommen, wird man auch über Öl- und Gasvorkommen sprechen müssen. Interessant wäre in diesem Zusammenhang auch, wieviel der britischen Staatsverschuldung auf Schottland übertragen werden müsste.

AD: Die Ölnutzung ist durch internationale Abkommen geregelt. Aber es ist endlich und sobald es aufgebraucht ist, wird man sehen müssen, woher Energie sonst kommen könnte. Aber Sie haben natürlich Recht. Es gäbe da viele wirtschaftliche Streitpunkte, zum Beispiel die Schuldenfrage. Und: Gäbe es weiter eine gemeinsame Währung? Die Nationalisten hatten 80 Jahre Zeit darüber nachzudenken. Allein in diesem Jahr hatten sie drei verschiedenen Ideen parat. Im Moment sieht es so aus, als ob man sich mit den übrigen Teilen des Königreichs auf eine Währungsunion einigen müsste – und das zu einem Zeitpunkt, zu dem sich der Rest Europas von einer Währungs- zurück zu einer politischen Union zu entwickeln scheint. Es gibt also viele offene Fragen, auch zur Mitgleidschaft in der EU. Die Nationalisten setzen viel voraus, können aber nur sehr wenige Antworten liefern. Alles ist offen.

EN: Angeblich will man in Schottland weiter das Pfund Sterling nutzen. Das würde einem unabhängigen Schottland aber keinen Einfluss auf die Politik der Bank of England geben, oder?

AD: Nun, eine Währungsunion müssten von beiden Seiten befürwortet werden und da müssten Sie erstmal England, Wales und Nordirland überzeugen, eine Union mit Schottland einzugehen. Schottland wäre tatsächlich Ausland und müsste sich dann der EU-Finanzpolitik unterwerfen, wie alle anderen Länder auch. Dann hätte es eine klare Bringschuld. Die politische Führung der Bank of England agiert nicht regional. Auch darüber hinaus stellen sich viele Fragen: Wer hätte das letzte Wort und die Verantwortung bei der Bewilligung und Aufstockung von Krediten? Welche der Zentralbanken wäre verantwortlich? Warum sollten England, Wales und Nordirland die Hand für ein unabhängiges Schottland ins Feuer legen? Nicht eine dieser Fragen haben die Nationalisten beantworten können. In Europa und dem Rest der Welt herrscht so viel Unsicherheit und so sage ich: Better together – wir bleiben besser eine Einheit.

EN: Wie Sie schon sagten, werden die Ölreserven irgendwann zur Neige gehen. Wie existenzfähig wäre ein unabhängiges Schottland ohne Öl?

AD: Noch gibt es Öl. Was in 20 oder 30 Jahren geschehen wird, können wir für keine Wirtschaft der Welt voraussagen. Was kommt nach dem Öl? Die schottischen Nationalisten setzen auf erneuerbare Energien. Nun ist diese Industrie in Schottland in hohem Maß von englischer Finanzierung abhängig. Auch diese Unterstützung würde mit der Unabhängigkeit wegfallen. Schottlands Wirtschaft geht es in Teilen sehr gut. Anderen Teilen könnte es so viel besser gehen, wenn man es nur richtig anfasste. Ohne das Öl der Nordsee wäre Schottland vollkommen abhängig von außen. Das haben wir gesehen, als zwei unserer großen Banken, RBS und HBOS, in Schwierigkeiten gerieten. Nur die Stärke des Vereinigten Königreichs konnte da helfen. Dessen Schatzkanzler kann einen Scheck ausstellen und das System so vorm Zusammenbruch retten. Das wäre in einer sehr viel kleineren schottischen Wirtschaft unmöglich.

EN: Noch ist fraglich, ob das Referendum 2014 überhaupt stattfinden wird. Wäre anstatt einer völligen Unabhängigkeit vielleicht auch die lediglich finanzielle Selbstständigkeit Schottlands möglich? Gäbe es also die Möglichkeit einer “Unabhängigkeit light”? Oder gibt es nur Ja oder Nein?

AD: Es muss eine klare Stellungnahme geben: Wollen die Schotten Teil des Königreichs bleiben oder nicht? Wollen sie bleiben, könnte man tatsächlich über eine Übertragung einzelner Rechte und Pflichten auf Schottland sprechen. Die Übertragung von Befugnissen auf Schottland ist eine komplizierte Sache. Bedeutet das ein wenig mehr Unabhängigkeit oder sehr viel? Alles außer Außenpolitik beispielsweise? Wollte man in einem Referendum darüber abstimmen, nur die wenigsten Wähler würden es verstehen. Der Wähler versteht aber sehr wohl, was Unabhängigkeit oder eben das Verbleiben im Vereinigten Königreich bedeuten. Diese Frage kann in einem Referendum gestellt werden. Diese Frage ist übrigens die Existenzgrundlage der schottischen Nationalisten, seit 80 Jahren. Sie scheuen das Referendum, weil sie sehr gut wissen, wie es ausgehen würde.

EN: Sie als ehemaliger Finanzminister können uns doch sicher die Vorteile einer unabhängigen schottischen Wirtschaft nennen.

AD: Mir fällt es eher schwer die Vorteile zu sehen. Die Nationalisten möchten gern die Körperschaftssteuer kürzen. Aber Sie glauben doch nicht, dass der sehr viel größere Nachbar sich das gefallen lassen würde. Sie würden nachziehen, und das mit sehr viel mehr Leichtigkeit als das kleine Schottland. Es ist doch klar, dass die heutigen Wirtschaften voneinander abhängen. Die Wirtschaften außerhalb der Eurozone haben zwar mehr Freiheiten. Doch die Idee, dass sich eine kleine Wirtschaft dem weltweiten Trend widersetzen könnte, ist zumindest gewöhnungsbedürftig. Die Nationalisten haben sich früher Island zum Vorbild genommen. Heute wird dieser Vergleich jedoch seltener bemüht. Ich sehe also keinerlei Vorteil in einer schottischen Unabhängigkeit. Meiner Meinung nach ist die Union mit dem Vereinigten Königreich die einzige Option mit Zukunft.

EN: Alistair Darling, vielen Dank, dass Sie bei uns waren.

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