Dänisches Modell gegen Terrorismus: Dialog statt Repressionen

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Von Euronews
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Im Kampf gegen Radikalisierung setzt das dänische Modell auf Prävention: Ein Netzwerk von Experten setzt sich mit jungen potenziellen Dschihadisten auseinander.

Es ist ein besonderer Vormittag für diese Schüler einer dänischen Schule: Die Lehrer sprechen über Diskriminierung, Rassismus und Terrorismus. Auch über Meinungsfreiheit und ihre Grenzen wird an diesem Tag geredet. Nach den Anschlägen von Paris gab es eine angeregte Diskussion unter den Schülern.

“Hier kommen die Kinder aus ganz unterschiedlichen Familien, deshalb die Idee, diesen Workshop an unserer Schule abzuhalten. Wenn die Gesellschaft um uns herum immer radikaler wird, hat das natürlich einen Einfluss auf den Unterricht. Die Diskussionen werden heftiger und die Meinungen schärfer. Das ist hoffentlich ein Weg, damit umzugehen”, so Solveig Korreborg, Lehrerin an der Tilst-Schule.

Wir sind in Aarhus, der zweitgrößten Stadt Dänemarks. Sie ist Pionier einer==Kampagne gegen Extremismus== , die das dänische Parlament auf das gesamte Land ausgeweitet hat.

Eine Initiative, die Teil der nationalen Politik gegen Verbrechensbekämpfung ist, bei der Schulen, Polizei und soziale Dienste zusammenarbeiten.

“Wir haben landesweit regionale Kontaktnetzwerke mit Ansprechpartnern in den Gemeinden aufgebaut. Diese Personen kennen sich aus mit Radikalismus und seinen Warnsignalen. Das Ziel ist, das Bewusstsein für Warnsignale zu erhöhen, sodass sie sehr früh eingreifen können, bevor es zu Gewalttätigkeiten kommt”, so Ali Murat Türksal vom dänischen Zentralamt für Soziale Dienste.

Seit 2010 sind mehr als Hundert junge Dänen als Glaubenskrieger nach Syrien und in den Irak gegangen.

Eine der höchsten Quoten in Europa – für ein Land mit 5,5 Millionen Einwohnern.

Im Kampf gegen Radikalisierung setzt das dänische Modell auf Prävention: Ein Netzwerk von Experten setzt sich mit jungen potenziellen Dschihadisten auseinander.

Aufsuchende Sozialarbeit, die so sensibel ist, dass unser Experte es bevorzugt, anonym zu bleiben. Einen potenziellen Terroristen zu erkennen sei extrem schwierig, sagt er. Aber der Kampf gegen soziale Ausgrenzung sei entscheidend bei der Präventionsarbeit: “Wenn man nach einer Identität sucht und nicht das Gefühl hat, der Gesellschaft anzugehören, ist das einer der Wege, sich angenommen zu fühlen, wo man das Gefühl hat, tatsächlich geschätzt zu werden mit all seinen Fähigkeiten. Einige wählen diesen Weg. Man ist ein Auserwählter, das ist ein sehr starkes Gefühl, wenn man daran glaubt. Als Auserwählter hat man keine Angst vor dem Sterben und kann alle seine Handlungen rechtfertigen. Das ist der Lottogewinn, und für die Gesellschaft ist es schwer, das mit anderen Alternativen zu überbieten.”

2014 ist in der Region Aarhus nur ein Jugendlicher nach Syrien gegangen, im Vergleich zu 30 Personen im Jahr davor. Das Ergebnis, wenn man Repressionen mit Dialog ersetzt, sagt der Leiter des Antiradikalisierungsprogramms in Aarhus Toke Agerschou. Dänischen Rückkehrern werden psychologische Unterstützung sowie Hilfe bei der Ausbildung und Arbeitssuche angeboten: “Der einfache Weg, Sicherheit zu garantieren, ist, Menschen ins Gefängnis zu stecken. Das ist die einfache Lösung. Schwieriger ist es, diese Menschen wieder als normale Bürger in die dänische Gesellschaft zu integrieren. Das ist schwierig, aber wir glauben, es ist die beste Methode.”

Dieser junge Mann war zwei Mal in Syrien: Zuerst, um mit der Freien Syrischen Armee gegen das Regime von Baschar al-Assad zu kämpfen, dann als Medienoffizier. Heute arbeitet er als politischer Aktivist: “Viele der jungen Leute, die dort hingingen und zurückkehrten, waren Menschen, die die Situation nicht kannten. Sie wussten nichts über die Situation. Wir hatten dieses Gefühl, etwas gegen die Ungerechtigkeit machen zu müssen. Es ist nicht gut, sie zu kriminalisieren. Man muss die Leute erziehen. Ein 17-Jähriger kam zu mir und erzählte mir, dass er nach Syrien gehen wolle. Er wusste nicht, dass ich dort gewesen war. Ich redete mit ihm und sagte: ‘Ich war dort, das ist nichts für Dich. Mach’ eine Ausbildung und mach’ etwas aus Deinem Leben und für andere Leute. Es ist nichts Gutes daran, als Kämpfer nach Syrien zu gehen. Engagiere Dich für humanitäre Arbeit, spende Geld für Menschen in Not. Das ist viel besser, als in Kämpfe verwickelt zu sein.”

Das Antiradikalisierungsprogramm von Aarhus basiert auf dem permanenten Dialog zwischen Sozialdiensten, Polizei, Geheimdiensten, den Familien und den religiösen Führern.

Diese Moschee in einem Vorort von Aarhus wurde vor Kurzem von der Polizei für ihre Zusammenarbeit mit den lokalen Behörden gewürdigt. Dabei wurde sie lange der Unterstützung von Dschihadisten-Netzwerken verdächtigt. Einige dänische Politiker forderten ihre Schließung.

Ihr Vorsitzender Oussama El Saadi versicherte, gegen jegliche Form von Gewalt gegen Zivilisten zu sein. Aber eine klare Absage gegen das Vorgehen der IS ist von ihm nicht zu hören. Und er warnte vor denjenigen, die seiner Meinung nach nur Öl ins Feuer gießen: “Ich möchte betonen, dass die offene Kritik an den Kriegen, die im Nahen Osten geführt werden und die nur zur Zerstörung führen, nicht bedeutet, dass wir gegen dieses Land oder dass wir Feinde dieses Landes sind. Wenn wir offen sprechen, wird leider unsere Meinungsfreiheit eingeschränkt. Dagegen haben andere, die den Islam beleidigen, das Recht dazu. Das muss aufhören. Man kann keine Kriege pflanzen und Blumen pflücken.”

Die Debatte um den Kampf gegen den Terror bewegt Dänemark und andere europäische Länder. Und das dänische Modell findet nicht nur Unterstützung im Land.

Für diesen ehemaligen dänischen Abgeordneten syrischer Herkunft und Nahost-Experten ist man noch weit davon entfernt, dieses komplexe und vielschichtige Phänomen einzudämmen: “Es ist schwer, einen Dschihadisten mit dem dänischen Modell zurück zur Demokratie zu konvertieren. Ich stimme zu, dass es einige junge Leute, die mit dieser Ideologie geliebäugelt haben, davon abgehalten hat. Aber eine Radikalisierung ist ein Prozess. Mit vielen Gesichtern. Und das dänische Modell ist gut für die Einsteigerphase”, so Naser Khader.

Der dänische Ansatz wird dennoch von einigen EU-Ländern mit Interesse beobachtet, die aber gleichzeitig die Sicherheitsmaßnahmen verstärken.

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