Halloumi: Kann Käse-Diplomatie Zypern einen?

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Von Julian GOMEZSabine Sans
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Der halbfeste Käse Halloumi/Hellim ist von der Europäischen Kommission seit April als geschützte Ursprungsbezeichnung (g. U.) eingetragen, sodass dieser wertvolle Name vor Nachahmung und Missbrauch in der EU geschützt ist.

Χαλλούμι/Halloumi/Hellim ist das bekannteste tierische Erzeugnis Zyperns. Neben seinem kulturellen Wert hat der Käse auch große wirtschaftliche Bedeutung für die Insel. Seine Eintragung als g. U. - "geschützte Ursprungsbezeichnung" mit gleichem Zugang für Erzeuger aus beiden zyprischen Gemeinschaften ist darüber hinaus ein symbolträchtiger Schritt, der die beiden Gemeinschaften einander näherbringen soll. Das Verfahren und die Verhandlungen sind komplex. Die Produktion und der Export der Käsesorte Halloumi stellt die Europäische Union derzeit vor diplomatische und wirtschaftliche Herausforderungen. Eine Unreported-Europe-Reportage aus Zypern.

Symbol der Teilung - vielleicht auch der Hoffnung

Halloumi ist nicht nur Käse, sondern auch ein Symbol der Teilung - vielleicht auch der Hoffnung - in Europas wohl längstem geopolitischen Konflikt. In den Tavernen in Zyperns Hauptstadt Nikosia ist Halloumi, ein halbfester und vielseitig verwendbarer Käse, nicht von der Speisekarte wegzudenken.

"Halloumi ist für uns ein ganz besonderes Produkt", sagt der Tavernenbesitzer Marinos Kapsis. "Im Gegensatz zu anderen Käsesorten kann man ihn grillen, kochen oder frittieren, außerdem schmilzt er nicht. Man kann ihn auch roh und frisch mit Früchten oder als Vorspeise essen. Halloumi ist seit vielen Jahren, seit Jahrhunderten fest in unserer Tradition verankert."

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Halloumi kann man auf unterschiedlichste Art und Weise zubereiteneuronews

Schutz vor Nachahmung

Halloumi-Liebhaber können sich freuen. Die Europäische Union hat den Käse mit ihrem höchsten Qualitätssiegel für Lebensmittel ausgezeichnet: g.U., "geschützte Ursprungsbezeichnung". Ab Oktober, wenn dieser Status in Kraft tritt, darf nur noch in Zypern hergestellter Halloumi unter diesem Namen im Ausland vermarktet werden. Als wichtigstes Exportgut bietet der Halloumi-Sektor bereits rund 20.000 Arbeitsplätze. Die Marktaussichten scheinen noch vielversprechender zu werden.

In einer der größten Fabriken Zyperns werden jedes Jahr etwa 10.000 Tonnen Halloumi hergestellt. Marios Konstantinou, Geschäftsführer von Charalambides Christis LTD meint:

"Die Kennzeichnung bietet Nachahmungsschutz in dem geografischen Gebiet, für das die "geschützte Ursprungsbezeichnung" gilt. In unserem Fall ist das die Europäische Union. Dadurch können wir die Ausfuhren von Halloumi in die Mitgliedstaaten der Europäischen Union weiter steigern, aber auch weltweit weiter wachsen."

Komplexes Verfahren und Verhandlungen

Doch das Label hinterlässt auch einen bitteren Beigeschmack. Die Insel ist seit der türkischen Besetzung 1974 geteilt: Die "geschützte Ursprungsbezeichnung" umfasst sowohl Halloumi als auch Hellim, wie der Käse in der selbsterklärten türkisch-zyprischen Republik Nordzypern genannt wird, die von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt wird.

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Hellim heißt der Halloumi auf der türkisch-nordzyprischen Seiteeuronews

Hersteller aus Zypern befürchten unlauteren Wettbewerb von der türkisch-zyprischen Seite: Dort sind Rohstoffe und Arbeitskräfte billiger und es gelten andere Gesundheits- und Hygienestandards als in der EU. Dennoch hält das Land an dieser doppelten Kennzeichnung fest, so der zyprische Regierungsbeamte Sokratis Sokratous, der das Registrierungsverfahren leitete.

"Der internationale Halloumi-Markt hat ein großes Potenzial. Unserer Meinung nach kann er sowohl den Halloumi der griechisch-zyprischen als auch den der türkisch-zyprischen Erzeuger aufnehmen. Außerdem wird es eine Übergangszeit geben. Wir werden sehen, wie sich die Dinge entwickeln. Unser Ministerium wird diesen Übergang überwachen, und wenn unsere Erzeuger Unterstützung brauchen, werden wir natürlich eingreifen."

Wie sieht man das Thema jenseits der Grünen Linie?

Ob mit oder ohne Label, die türkisch-zyprischen Hersteller können immer noch nicht direkt in EU-Märkte exportieren. Komplexe Verhandlungen sind im Gange, Hellim-Produzenten werfen Zypern vor, die Situation stagnieren zu lassen.

In dieser Gülgün-Fabrik werden 20 Molkereiprodukte hergestellt, darunter Milch, Sahne, Butter, Eiscreme und auch etwa 6,5 Tonnen Hellim pro Tag, der Käse wird hauptsächlich in die Türkei und die Golfstaaten exportiert.

"Halloumi gehört nicht dem Norden oder Süden oder dem Osten oder Westen Zyperns", sagt Ali Bayraktar, Export-Manager bei Gülgün Molkereiprodukte. "Halloumi ist ein zyprisches Produkt. Der Käse wurde schon vor den Türken und Griechen auf dieser Insel hergestellt. Es spielt keine Rolle, wo auf dieser Insel er hergestellt wird. Halloumi ist Halloumi. Auf der türkisch-zyprischen Seite sind zwischen 50 und 60.000 Menschen im Halloumi-Geschäft tätig. Sobald wir mit dem Export in die EU beginnen, wird sich das doppelt auswirken. Es wird noch mehr Arbeitsplätze in diesem Bereich geben, und das Einkommensniveau dieser Arbeitnehmer wird sich vielleicht verdoppeln oder verdreifachen, weil der europäische Markt ein hochpreisiger Markt ist."

Die derzeitigen Gespräche mit den zyprischen Behörden und der Europäischen Union werden von der türkisch-zyprischen Handelskammer geführt. Sie vertritt 4.500 lokale Unternehmen, von denen 25 Prozent aus dem Landwirtschaftssektor stammen. Dem Handelskammer-Präsidenten zufolge werben sie bei potenziellen Handelspartnern um Verständnis:

"Wir sind der Meinung, dass für einen erfolgreichen Abschluss des gesamten Prozesses die volle Zusammenarbeit mit der Europäischen Union nötig ist, um die richtigen Überwachungsmechanismen einzurichten", so Turgay Deniz. "Wir fordern diese umfassende Zusammenarbeit, um die Probleme der türkisch-zyprischen Hellim-Produzenten zu lösen und ihnen dabei zu helfen, die EU-Vorschriften und die Standards in den Bereichen Tierschutz, Sicherheit, Hygiene und öffentliche Gesundheit einzuhalten."

Landwirte und Erzeuger in der Zwickmühle

Abgesehen von geopolitischen Fragen stieß das Label auch bei zyprischen Kuh-Landwirten auf besorgte Skepsis. Ein Großteil des vermarkteten Halloumi wird derzeit zu 80 Prozent aus Kuhmilch hergestellt. Ab 2024 wird das Gütesiegel die Erzeuger jedoch dazu verpflichten, den Käse auf traditionelle Weise herzustellen, d. h. mit einem Anteil von 51 Prozent Schafs- und Ziegenmilch. Betriebe wie dieser, mit einer Tagesproduktion von 4.000 Litern Kuhmilch, sehen sich plötzlich in der Zwickmühle und bitten um mehr Flexibilität:

Der Landwirt Andreas P. Kailas von Andreas Kailas & Sohn LTD. sagt: "Die geschützte Ursprungsbezeichnung Halloumi hat im Moment keinen Bezug zu den Marktanforderungen. Es gibt Halloumi in Scheiben, Halloumi mit Chiligeschmack, Halloumi als Burger. All diese Produkte können sich nicht auf das Gütesiegel für Halloumi berufen. Die Regierung und die Europäische Union müssen uns die Mittel an die Hand geben, die geschützte Ursprungsbezeichnung an die Marktanforderungen anpassen zu können."

Einzelhandel und Kunden profitieren

Im Gegensatz zu den Landwirten oder Erzeugern sehen Einzelhändler in dem neuen Siegel eine Win-win-Situation sowohl für ihr Geschäft als auch für ihre Kunden, die sicher sein können, ein zertifiziertes Qualitätsprodukt zu kaufen. Obwohl er hauptsächlich Trockenfrüchte verkauft, zögerte Feinkosthändler Philippos Philippou in Nikosia nicht, verschiedene Halloumi-Sorten in sein Angebot aufzunehmen:

"Halloumi ist ein Botschafter Zyperns", sagt der Inhaber von "Nuts Nuts ETC". "Touristen nehmen ein Stück Halloumi mit und behalten damit den Geschmack unserer Insel. Halloumi ist eine der stärksten Erinnerungen, die Touristen mit nach Hause nehmen können."

Tavernenwirt Marinos Kapsis meint: "Natürlich sind die Halloumi in Nord- und Südzypern unterschiedlich. Aber sie haben auch einiges gemeinsam. Und beide Gemeinschaften genießen den Käse sicherlich gleichermaßen. Wenn es dazu beitragen kann, Brücken zwischen den beiden Gemeinschaften zu bauen, dann ist das eine gute Nachricht".

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