Telefonat zu dritt: NSA soll Frankreichs Präsidenten abgehört haben

Telefonat zu dritt: NSA soll Frankreichs Präsidenten abgehört haben
Von Euronews
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Hat das große Ohr des US-Geheimdienstes NSA auch bei den ehemaligen französischen Präsidenten Jacques Chirac und Nicolas Sarkozy sowie beim aktuellen

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Hat das große Ohr des US-Geheimdienstes NSA auch bei den ehemaligen französischen Präsidenten Jacques Chirac und Nicolas Sarkozy sowie beim aktuellen Staatschef Francois Hollande ganz genau hingehört? Das zumindest wollen die Enthüllungsspezialisten von Wikileaks herausgefunden haben. Die Plattform veröffentlichte Dokumente, die beweisen sollen, dass die NSA bei präsidialen Telefongesprächen als heimlicher Teilnehmer in der Leitung war und interessiert mithörte.

Die Dokumente enthalten brisante Einzelheiten. So soll sich Nicolas Sarkozy, der von 2007 bis 2012 das Präsidentenamt inne hatte, in persönlichen Telefonaten missfallend über den Umgang der Vereinigten Staaten mit der Finanzkrise geäußert haben. Welche Schlüsse die Amerikaner aus diesem Wissen und anderen gewonnenen Erkenntnissen zogen, ist unbekannt. Die US-Regierung gab zu den jüngsten Meldungen keinen Kommentar ab.

Den von Wikileaks veröffentlichten Aufzeichnungen ist ebenfalls zu entnehmen, dass Sarkozy 2011 einen eigenen Vorstoß plante, um Friedensgespräche im Nahen Osten anzuberaumen. Washington informierte er nicht darüber, sondern wollte offenbar lieber mit dem damaligen russischen Präsidenten Dimitri Medwedew zusammenarbeiten.

Auch Gespräche des amtierenden französischen Staatschefs sollen angezapft worden sein. Als sich Francois Hollande über die Krise im Euroraum und ein mögliches Ausscheiden Griechenlands aus der Währungsunion beriet, war die NSA den Wikileaks-Papieren zufolge live dabei und hörte kritische Worte Hollandes über die deutsche Kanzlerin Angela Merkel. Zugleich soll der französische Präsident 2012 geplant haben, sich mit den deutschen Sozialdemokraten auszutauschen.

Wikileaks nimmt die französische Regierung mit einer Karikatur auf die Schippe. All das erinnert an den Herbst 2013, als ein Papier auftauchte, das beweisen sollte, dass Angela Merkel bei vermeintlich vertraulichen Telefongesprächen ebenfalls ungebetene NSA-Gäste bei sich hatte. Die deutsche Generalbundesanwaltschaft hatte nach entsprechender Prüfung allerdings erklärt, ein Abhören des Kanzlertelefons lasse sich mit den Mitteln des Strafprozessrechts nicht beweisen.

Die vermeintliche Abhöraktion hatte für Verstimmungen zwischen Berlin und Washington gesorgt. In Paris ist man nach den neuen Meldungen auch nicht gerade erfreut.

“Misstrauen im Herzen”

Wir haben mit François Bonnet gesprochen, Mitbegründer von Mediapart und von Frenchleaks, einer Art französischem Wikileaks.

Euronews:
Wie sind Sie an diese streng geheimen Unterlagen gekommen?

Bonnet:
Wir sind schon lange Partner von Wikileaks, und wir haben schon ganz zu Beginn Julian Assange unterstützt.

Hier geht es nun also darum, dass die USA unter Bruch des Völkerrechts in großem Umfang andere Länder und Regierungen bespitzelt haben – und noch dazu mit Frankreich einen ihren engsten Verbündeten.

Langfristig gesehen, gab es dafür als Grund noch nicht einmal eine Krise.

Ein Jahrzehnt lang sind Überwachungen in Gang gesetzt worden, Telefone wurden abgehört, elektronische Kommunikation abgefangen.

Das betrifft nicht nur die letzten drei französischen Präsidenten, sondern auch hohe Beamte, Firmenchefs, Regierungsberater – und das trägt nun alle Züge einer
schweren Krise.

Euronews:
Haben Sie alles veröffentlicht, oder kommen da noch Überraschungen?

Bonnet:
Es handelt sich um wichtige Unterlagen, von denen jede einzelne ihre Geschichte erzählt – von Überwachung, von Spionage.

Daher werden wir diese Papiere in mehreren Stufen veröffentlichen. So haben wir
Zeit und können jeweils die genaue Tragweite dieser Unterlagen beurteilen.

Euronews:
Was sagt uns das nun über die Beziehungen der USA zu ihren Verbündeten?

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Bonnet:
Es sagt uns, dass im Herzen dieser Beziehungen doch immer wieder das Misstrauen wohnt.

Euronews:
Das ist aber doch nichts Neues?

Bonnet:
Das ist an sich nichts Neues, aber in diesem Umfang schon.

Man muss sich vor Augen halten, dass die Abwege der NSA sowie der CIA auch das Bild der USA als eines großen demokratischen Landes beschädigen.

Das heißt, die USA wollten sich schützen, mit diesen unglaublich hochentwickelten Überwachungssystemen.

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Letztlich haben diese Überwachungssysteme aber eigentlich nicht geschützt, das ist die erste Erkenntnis.

Die zweite ist, dass diese Systeme das Ansehen der USA als demokratisches Land zerstören.

Euronews:
Ist Julian Assange von Großbritannien aus weiter tätig? Zieht er die Fäden?

Bonnet:
Julian Assange ist weiterhin sehr aktiv. Ich will aber auf die unerträgliche Lage hinweisen, in der er seit drei Jahren ist.

Er lebt abgeschieden in einem kleinen Zimmer der ekuadorianischen Botschaft in London. Er kann sie nicht verlassen, ohne dass er sofort verhaftet wird. Edward Snowden ebenfalls: Er lebt abgeschieden in Russland.

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Frankreichs Größe würde sich darin zeigen, dass es Assange und Snowden Asyl gibt.

In Frankreich schlagen das immer mehr Leute vor, weil diese beiden für unsere Freiheiten kämpfen.

Deshalb ist es für Frankreich oder andere europäische Länder unverzichtbar, dass sie Assange und Snowden politisches Asyl geben.

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