Der Anschlag von Ankara: Auf der Suche nach den Hintergründen

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Es war der verheerendste Terrorakt in der Geschichte der türkischen Republik. Mindestens 97 Menschen kamen bei dem Anschlag in Ankara auf eine

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Es war der verheerendste Terrorakt in der Geschichte der türkischen Republik. Mindestens 97 Menschen kamen bei dem Anschlag in Ankara auf eine pro-kurdische Friedensdemonstration ums Leben.

Die Tat könnte den Konflikt zwischen der Regierung und der verbotenen Arbeiterpartei PKK verschärfen – und das drei Wochen vor den Neuwahlen für das Parlament.

Die Folgen des Anschlags lassen sich bislang überhaupt nicht abschätzen.

Wie sehr die Tat das Land erschüttert hat, das zeigten die Beisetzungen der Opfer, wie etwa in Tunceli. Tausende Trauernde versammelten sich dort, um den Toten die letzte Ehre zu erweisen. Sie schwenkten Fahnen der pro-kurdischen Oppositionspartei HDP und riefen Slogans, wie :“Dieb, Mörder, Erdogan” und “Unser Schmerz und unsere Wut sind groß”.

Landesweit protestierten Kurden gegen die Regierung, vereinzelt kam es bereits zu Zusammenstößen.

Die türkische Regierung konzentriert sich bei ihren Ermittlungen auf die Terrormiliz Islamischer Staat. Der IS werde als erste Priorität untersucht, sagte Ministerpräsident Davutoglu. Die Ergebnisse der Ermittlungen dürften von größter Bedeutung sein für die innere Sicherheit der Türkei.

euronews:

Die Türkei wird vom schlimmsten Anschlag in ihrer republikanischen Geschichte erschüttert. Die Bomben explodierten drei Wochen vor der Wahl an einem der sichersten Orte Ankaras. Ich spreche jetzt mit dem Analysten Nihat Ali Özcan.
Seit dem 24. Juli geht die Türkei militärisch gegen die PKK und die Miliz Islamischer Staat vor. Waren die Sicherheitsmaßnahmen für den Friedensmarsch in dieser spannungsgeladenen Zeit ausreichend?

Nihat Ali Özcan:

Wenn man die Ereignisse und die Erklärungen der Behörden betrachtet, dann handelt es sich hinsichtlich des Informationsflusses und der Sicherheit um eine Vernachlässigung. Die Polizei hat am Ort der Demonstration selbst die notwendigen Maßnahmen ergriffen. Doch die Terroristen haben die Menschen am Ausgangspunkt der Demonstration in eine Falle gelockt. Die Sicherheitsmaßnahmen rund um die Veranstaltung waren nicht eingerichtet.

euronews:

Der Regierung werden Vorwürfe gemacht, Ministerpräsident Davutoglu und der HDP-Vorsitzende Demirtas beschuldigen sich gegenseitig. Wen sehen Sie hinter dem Anschlag?

Nihat Ali Özcan:

Es gibt in dieser Sache mehrere Dimensionen. Alle Faktoren deuten auf die andere Seite hin.
Die Anschläge der IS-Miliz in Syrien gegen die PKK und die syrische Partei der Demokratischen Union zeigen, dass die Gewalt in die Türkei getragen wurde – und das hat mit der Wahl nichts zu tun. Doch gewiss hat die Regierung unter derartigen Umständen eine politische Verantwortung.

euronews:

Vor drei Monaten wurden in Suruc 33 Menschen getötet. Gibt es eine Verbindung zwischen den Anschlägen?

Nihat Ali Özcan:

Es gibt Ähnlichkeiten zwischen den Anschlägen, wenn Sie die Methode, die getroffenen Personen und die Bilanz nach den Anschlägen betrachten. Abgesehen von den beiden Anschlägen gibt es weitere, die mit ihnen in Verbindung stehen, und das setzt sich fort. Vor allem die HDP-Veranstaltung in Diyarbakir, am 6. und 7. Oktober während der Geschehnisse in Kobani, die Angriffe der PKK gegen IS-Sympathisanten und andere Aktionen zeigen, dass es sich tatsächlich um eine Konfrontation zwischen PKK und IS-Miliz handelt, die sich von Tag zu Tag ausweitet.

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euronews:

Ist das eine auf die Wahl ausgerichtete Strategie der PKK? Sie hatte am Tag des Anschlages erklärt, sie werde die Waffen bis zur Wahl ruhen lassen.

Nihat Ali Özcan:

Ich glaube, das ist Zufall. Doch die Wahlen sind schon bald. Die PKK hat Anschläge mit bestimmten Eigenschaften in bestimmten Gegenden durchgeführt. Die PKK spielt eine Rolle in Syrien und im Irak. Der Kampf gegen die IS-Miliz sichert ihr auf internationaler Ebene eine Legitimität, so kann sie ihren Kampf fortsetzen.

euronews:

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Wie kann der Anschlag von Ankara die Wahl am 1. November beeinflussen?

Nihat Ali Özcan:

Man kann diesbezüglich keine endgültige Schlussfolgerung ziehen. So ein Anschlag kann zu zwei Ergebnissen führen: Einerseits könnten sich die Menschen wegen eines Gefühls der Unsicherheit zur Regierung hingezogen fühlen. Andererseits könnten sie sich der Kritik anschließen und so den Anti-Regierungsblock verstärken.

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