Kurz vor Europa: Deutsches Ferienressort wird zum Flüchtlingslager

Cesme ist wohl das, was man ein beschauliches Städtchen an der türkischen Küste nennen könnte. Kleine Häuschen, die Promenade am Meer, dahinter die steil aufsteigende, steinige Küste. Und die imposanten Mauern der Burg aus dem 14. Jahrhundert. Weniger beschaulich war Cesme immer dann, wenn 700.000 Touristen hier herkamen. Und auch heute hält sich die Beschaulichkeit in Grenzen: Die Hotels werden derzeit nicht von Deutschen bevölkert, sondern von Flüchtlingen. Eine lokale antikapitalistische Organisation kümmert sich um sie.
Wir haben keine Angst mehr vor dem Tod
Hinter Nur Şahinoğlu stapeln sich Kisten mit Hilfsgütern. T-Shirts, Babyschuhe, Ausrüstung für den Aufenthalt in Cesme und die Weiterreise nach Europa. “Wir geben den Babies und den Kindern Milch, Babykekse und Fruchtpürrees”, erzählt Şahinoğlu. “Wir verteilen Hygieneartikel für Babies und Frauen, Essenskonserven, Brot und Wasser. Wir geben ihnen auch Kleidung.”
Leben in Cesme kostet Geld
Für die Flüchtlinge ist Cesme eine verlockende Zwischenstation. Die griechische Insel Chios, das Tor nach Europa, ist nah. In Cesme warten sie auf gutes Wetter für die Überfahrt über das ägäische Meer. Doch jeder Tag hier kostet Geld. Je länger sie warten müssen, desto weniger bleibt ihnen für die gefährliche Weiterreise.
“Wir waren seit 30 Jahren unter Raketenbeschuss”, sagt ein afghanischer Flüchtling. “Wir haben keine Angst mehr vor dem Tod. Uns geht das Geld aus, deshalb müssen wir uns auf die Boote begeben. Mir ist klar, dass wir zu 99 Prozent dabei draufgehen werden.”
Die Türkei geht jetzt stärker gegen Schlepper vor, die Flüchtlinge auf Booten nach Europa schicken. In Brüssel verhandelt die EU ein Abkommen, das die gefährlichen Überfahrten überflüssig machen soll. Noch ist es aber nicht so weit. Und so wird sich Cesme je anch Wetterlage auch weiterhin mit Neuankömmlingen füllen.