Dmitri Medwedew - Sanktionen bedeuten Handelskrieg

Dmitri Medwedew - Sanktionen bedeuten Handelskrieg
Von Tesa Arcilla
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Der Ministerpräsident der Russischen Föderation spricht im euronews-Interview über Syrien, die innenpolitische Lage seines Landes und Donald Trump.

Kurz vor seiner Teilnahme am Asien-Europa-Gipfel in Brüssel hat sich der Ministerpräsident der Russischen Föderation Dmitri Medwedew Zeit für ein Interview mit euronews genommen. Darin macht er unter anderem die Europäische Union für die derzeit schlechten Beziehungen zwischen Russland und der EU verantwortlich.

Euronews-Reporterin Tesa Arcilla:"Zu Gast bei 'The Global Conversation' ist der Ministerpräsident der Russischen Föderation Dmitri Medwedew. Vielen Dank, Herr Medwedew, dass Sie bei uns sind. In Kürze treffen Sie Ihre europäischen Kollegen in Brüssel. Anfang des Monats sagte der EU-Ratsvorsitzende Donald Tusk, dass das Russland Wladimir Putins die größte Bedrohung für die Einheit der Europäischen Union ist. Hat er recht?"

Dmitri Medvedev, Ministerpräsident der Russischen Föderation: "Die Europäische Union besteht nicht nur aus Donald Tusk. Wir sind uns schon begegnet und ich kenne seine Position zu verschiedenen Themen. Wir trafen uns bei verschiedenen Gelegenheiten. Um es noch einmal zu betonen: Dinge, die eine Person sagt, die an der Spitze einer Europäischen Institution steht, spiegeln nicht die Meinung der gesamten Europäischen Union wider. Nehmen wir das also als seinen Standpunkt."


Euronews: "Sie werden am Asien-Europa-Gipfel teilnehmen. Ihr Thema dort ist der Handel. Aber die Geopolitik wirkt sich auf den Handel aus. Was hat Russland zu bieten, was kann es auf den Tisch legen, und was wird Russland tun, um die Beziehungen zwischen Europa und Russland zu verbessern?"

Dmitri Medwedew: "Zunächst möchte ich ein paar Worte zum ASEM-Gipfel sagen. Ich denke, das Treffen ist eine ziemlich gute Plattform, um die Aussichten auf eine Ausweitung der Zusammenarbeit auf europäischer und asiatischer Ebene zu überprüfen. Natürlich ist dieser Gipfel kein Ort, an dem wichtige Entscheidungen getroffen werden. Der G20-Gipfel ist der Ort, an dem die Entscheidungen getroffen werden. Er spielt diese Rolle seit 2008. Der ASEM-Gipfel spielt eher eine beratende Rolle, aber er ist dennoch eine produktive und wichtige Plattform, an der auch wir teilnehmen. Der letzte Gipfel fand in der Mongolei statt. Es war ein nützliches Treffen, bei dem sich die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union mit Vertretern Russlands, der asiatisch-pazifischen Region und der ASEAN-Länder austauschten. Im Großen und Ganzen hat es dazu geführt, dass wir uns besser verstehen.

Schaut man sich die aktuellen Beziehungen zwischen Russland und der EU an, seien wir ehrlich, dann durchleben wir gerade schwierige Zeiten. Unserer Meinung nach ist das das Ergebnis ziemlich voreiliger Entscheidungen der Europäischen Union. Und ich denke, dass die EU Bürger diejenigen sein werden, die für diese Entscheidungen bezahlen. Ich betone noch einmal, dass wir diese schlechten Beziehungen nicht initiiert haben. Das hat natürlich auch negative Auswirkungen auf unser Land. Die Unternehmen bezahlen dafür. Letztendlich betrifft es die Menschen, denn ein erheblicher Teil der handelspolitischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit wurde ausgesetzt und die kulturelle Zusammenarbeit wurde erheblich eingeschränkt. Leider ist unser Dialog mit einigen Ländern abgebrochen.

Sie haben Herrn Tusk erwähnt. Obwohl er ein europäischer Beamter ist, kommt er dennoch aus Polen. Ich kann offen sagen, dass wir auf der Ebene des politischen oder wirtschaftlichen Dialogs keine Beziehungen zu Polen haben. Ist das gut oder schlecht? Ich bin mir nicht sicher. Ich denke, es ist eher schlecht, auch wenn wir an die besondere Geschichte denken, die unsere Länder verbindet. Jedenfalls denke ich, dass wir bei meinem Polenbesuch der Wiederaufnahme eines Dialogs wieder viel näher gekommen sind. Aber aktuell gibt es keinen Dialog und das ist schlecht."

Euronews: "Ich kann nachvollziehen, dass Sie sagen, Russland habe diesen Konflikt nicht angefangen, aber Europa denkt wahrscheinlich anderes darüber. Ich komme gerade aus Brüssel und dort wird gerade über das gesprochen, was die niederländischen Behörden nach ihrer Untersuchung der angeblich abgewehrten (russischen) Cyberangriffe auf die OPCW (Organisation für das Verbot chemischer Waffen) bekanntgaben. Die Organisation ist der 'Wachhund', der die Skripal-Vergiftung und die chemischen Angriffe in Syrien untersucht. Außerdem gab es die koordinierte Anschuldigung von vier Ländern gegen Russland - die Niederlande, Großbritannien, Kanada und die USA. Und Sie haben Jeremy Hunt, der sagte, Russland versuche, die Instabilität in der ganzen Welt zu verstärken. Russland akzeptiert diese Anschuldigungen nicht. Wenn Russland das aber nicht ernst nimmt, warum sollte Russland dann ernst genommen werden, wenn Sie Ihr Land dort präsentieren?"

"Reden ist besser, als zu schweigen"

Dmitri Medvedev: "Ich verstehe nicht ganz, was Sie meinen. Sie sagen, dass Russland in irgendeiner Weise wahrgenommen werden sollte. Wir nehmen an diesen Veranstaltungen nicht teil, um in irgendeiner Weise wahrgenommen zu werden oder Noten zu erhalten. Da gibt es verschiedene Einschätzungen. Wir nehmen aus verschiedenen Gründen teil: Wir denken, kooperieren ist besser, als sich zu verweigern. Reden ist besser, als zu schweigen, und sich über Dinge zu einigen, ist besser als in der Opposition zu sein. Entwicklung ist besser als Stagnation. Deshalb nehmen wir an allen internationalen Veranstaltungen dieser Art teil.

Jedes Land hat das Recht, seine Bewertungen abzugeben. Wir hören allen zu, aber die russische Führung und unser Land als Ganzes sind mit den meisten von ihnen nicht einverstanden. Aber das bedeutet nicht, dass wir uns dem Dialog verweigern. Ich gehe davon aus, dass ich mit verschiedenen Kollegen auf dem ASEM-Gipfel ins Gespräch komme. Diese Kommunikation besteht immer aus zwei Teilen: Der erste Teil besteht aus vorbereiteten offiziellen Treffen mit Dolmetschern und vor Kameras. Und der zweite Teil spielt hinter den Kulissen.

Manchmal ist letzteres noch effektiver, da niemand dich hetzt und versucht, alles zu transkribieren und online zu veröffentlichen. Aber diese Art von Kontakten sind üblich, und auf dem letzten ASEM-Gipfel in der Mongolei hatte ich viele Treffen mit meinen Kollegen aus verschiedenen Ländern an verschiedenen Orten und sogar bei Veranstaltungen wie dem offiziellen Abendessen. Ich erinnere mich, was Herr Tusk – und das ist das dritte Mal, dass wir ihn erwähnen – über die mongolische Küche und eine Reihe anderer Themen sagte. Das bedeutet aber nicht, dass sich politische Kontakte darauf beschränken."

Euronews: "Ich stimme Ihnen zu, es gibt viele Gespräche, die nicht in der Öffentlichkeit, sondern hinter verschlossenen Türen stattfinden. Und dort bringen Staats- und Regierungschefs sicherlich sensible Themen zur Sprache, von denen eins vor allem für Großbritannien sehr wichtig ist – ich bin sicher, Sie sind schon oft danach gefragt worden: der Fall der Skripal-Vergiftung. Die Aussagen der beiden Verdächtigen wurde in Europa nicht ernst genommen. Hat das der Glauwürdigkeit Russlands geschadet?"

Russlands Haltung kann nicht beeinflusst werden

Dmitri Medwedew:"Jede Bewertung wie diese fördert definitiv nicht die internationale Zusammenarbeit. Ich erinnere mich an die Sowjetzeit, als die Sowjetunion Parolen benutzte, das internationale System des Kapitalismus stigmatisierte und über die Dinge sprach, die uns spalteten, aber das führte zu nichts Gutem. Deshalb glauben wir, dass jeder mit seinen Urteilen vorsichtig sein sollte. Erstens spiegeln die Einschätzungen einiger Länder nicht die tatsächliche Situation wider – und zwar beonders die englische zum bekannten Thema – und zweitens führen sie uns definitiv nicht in eine bessere Zukunft. Wer profitiert von diesen Anschuldigungen und den verschiedenen Sanktionen? Niemand. Es ist offensichtlich, dass alle Sanktionen uns definitiv in eine Sackgasse führen.

Wir verstehen, warum das passiert. In den meisten Fällen dienen solche Vorwürfe und Sanktionen nicht dazu, jemanden zu bestrafen, jemanden zu schädigen oder eine internationale Position darzustellen. Nein! Sie haben andere Gründe - sie sind einer innenpolitischen Situation geschuldet. Aber wir haben heute noch nicht über unsere Freunde auf der anderen Seite des Ozeans gesprochen, beispielsweise über die Anti-Russlandhysterie in den USA. Wir sind uns der Tatsache bewusst, dass alles, was in den USA über Russland gesagt wird, ein anderes Ziel hat – innenpolitische Streitigkeiten; Streitigkeiten zwischen den Republikanern und den Demokraten und Streitigkeiten innerhalb der Republikanischen Partei. Dasselbe kann man von den europäischen Ländern sagen: In neun von zehn Fällen verfolgt diese Anti-Russland-Kampagne vor allem innenpolitische Ziele: an der Macht zu bleiben, eine Regierung zu bilden oder ein anderes Ziel zu erreichen. Aber sie hat sicherlich nicht das Ziel, Russlands Haltung zu beeinflussen. Die kann nicht beeinflusst werden, was jeder sehr gut weiß."

Der Fall Skripal

Euronews: "Sprechen wir über die Sanktionen und natürlich auch über die Wirtschaft, aber vorher noch einmal zurück zu der Verteidigung der beiden Skripal-Verdächtigen. Glauben Sie wirklich, dass sie dort waren, um eine Kathedrale zu besichtigen?"

Dmitri Medvedev: "Ich weiß es nicht. Ich werde das nicht kommentieren, denn weder kenne ich diese Menschen, noch bin ich mit den Aussagen in ausreichendem Maße vertraut. Ich weiß es nicht. Woher soll ich das wissen?"

Euronews: "Sprechen wir über die von den USA verhängten Sanktionen. Sie erwähnten, dass sie aufgrund der Russland vorgeworfenen Wahlinterventionen verhängt wurden. Sie sagten außerdem, dass die amerikanischen Sanktionen gegen russische Banken der Erklärung eines Handelskriegs gleichkommt. Sieht sich Russland im Krieg mit Amerika oder mit anderen, die Sanktionen gegen Ihr Land verhängt haben?"

**Dmitri Medwedew: "**Ich habe mich zu diesem Thema bereits geäußert. Es liegt doch auf der Hand, dass es in der Sanktionssackgasse zu keinem guten Ende führt, wenn man die Schrauben anzieht. Die Amerikaner kündigen immer wieder an, den Sanktionsdruck weiter aufzubauen. Ich habe bereits gesagt und wiederhole noch einmal, dass Sanktionen gegen die Sowjetunion – obwohl wir nicht die Sowjetunion sind und obwohl der russische Staat andere Werte hat, sind wir dennoch die Rechtsnachfolger der Sowjetunion – dass die Sanktionen im Laufe des 20. Jahrhunderts bereits zehnmal angekündigt wurden.

Ich habe das schon mehrfach gesagt: Hat das die Politik der Sowjetunion in irgendeiner Weise verändert? Sanktionen gegen die Volksrepublik China wurden verhängt. Haben sie den Kurs der politischen Führung Chinas in irgendeiner Weise geändert? Und so weiter und so fort. Sanktionen sind eine absolut kontraproduktive Idee.

Und ja, Sanktionen gegen den Bankensektor sind in der Tat die Erklärung eines Handelskriegs. Das sind die härtesten Sanktionen. Aber zweifellos werden wir in der Lage sein, diese Art von Druck zu bewältigen. Wir haben keinen Zweifel daran, dass unsere Wirtschaft in der Lage ist, sich an jede Form von Druck anzupassen. Die einzige Frage ist nur, wozu man so etwas braucht. Ich denke, dass es nur dazu führt, dass die internationale Ordnung gestört wird, einschließlich der internationalen Wirtschaftsordnung.

Momentan gibt es einige Handelskriege – denn es sind in der Tat welche – nämlich zwischen den USA und China, zwischen den USA und der Europäischen Union sowie zwischen den USA und dem Iran. Einige der Sanktionen richten sich auch gegen unser Land. Dabei stellt sich die Frage: Profitiert das internationale Handelssystem davon? Sind die Länder besser dran? Oder geht es den Unternehmen besser? Unter Umständen können innenpolitische Ziele erreicht werden, aber nur kurzfristig."

Wie reagiert Russland auf den Handelskrieg?

Euronews: "Wie würde Russland reagieren? Sie sagen, dass Russland entweder wirtschaftlich, politisch oder, wenn nötig, auch mit anderen Mitteln auf diesen Krieg reagieren wird. Was meinen Sie genau damit? Was bedeutet mit anderen Mitteln?"

Dmitri Medwedew: "Je nach Situation könnte es ganz unterschiedliche Reaktionen geben."

Euronews: "Militärisch?"

**Dmitri Medwedew: "**In der heutigen Welt kommt das absolut nicht mehr in Frage. Wir sind ein verantwortungsbewusster Staat und ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrats. Diese Art von Themen fallen generell in den Aufgabenbereich der obersten Behörde des Landes, in die Zuständigkeit des Präsidenten.

Es gibt heute verschiedene Formen auf einen Handelskrieg zu antworten, einschließlich asymmetrischer. Und diese müssen nicht unbedingt militärischer Natur sein. Es ist nicht unbedingt notwendig, auf wirtschaftliche Bedrohungen oder wirtschaftliche Erpressung mit entsprechenden wirtschaftlichen Mitteln zu reagieren. Das wäre der Handelskrieg. Wir betrachten beispielsweise das Ausmaß der Integration oder der gegenseitigen Abhängigkeit der russischen und US-amerikanischen Wirtschaft als unbedeutend. So sind die amerikanischen Unternehmen von den Sanktionen, die die Vereinigten Staaten gegen unser Land verhängt haben zum Beispiel gar nicht so sehr betroffen, weil das Handelsvolumen eher gering ist.

Die europäischen Unternehmen hingegen sind hart von den Sanktionen getroffen worden, weil das Handelsvolumen hier enorm ist. Derzeit wird unser Handel mit den Vereinigten Staaten auf etwa 20 Milliarden Dollar geschätzt – das ist ein niedriger Stand, das ist nichts. Der Umfang des Handels mit der Europäischen Union ist viel größer, der Handel mit der Europäischen Union macht 45 Prozent unseres Handels aus. Der Handelsumsatz geht in die Hunderte Milliarden Euro.

Ich möchte Ihnen noch ein Beispiel geben. Nach den Sanktionen der Europäischen Union hat sich unser Handel mit den europäischen Staaten fast halbiert und ist irgendwann von 430 Milliarden auf 220 bis 230 Milliarden Euro gefallen. Meine Frage lautet: Welche Verluste hat Europa erlitten? Europa hat Arbeitsplätze verloren. Europa hat Einnahmen verloren. Das Vertrauen in die Entwicklung kleinerer Regionen ging verloren, die sich auf den Handel mit unserem Land spezialisiert hatten. Deshalb sind Sanktionen ein schlechter Ansatz. Wir sagen das immer wieder, wir haben sie nicht initiiert und wir sind nicht diejenigen, die sie beenden können."

Ist Trump das Beste, was Russland passieren konnte?

Euronews: "Mal abgesehen von den Sanktionen, die die USA gegen Russland verhängt haben, scheint Donald Trump Russland gegenüber dennoch etwas freundlicher gesinnt zu sein als andere. Ist Donald Trump das Beste, was Russland in letzter Zeit passieren konnte?"

Dmitri Medwedew: "Wir haben Donald Trump nicht gewählt. Donald Trump ist der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Und wir respektieren die Wahl des amerikanischen Volkes. Wenn es einen anderen Präsidenten anstelle von Trump gäbe, würden wir ihn nicht weniger respektieren. Soweit wir sehen können, hat es Donald Trump schwer, weil er sowohl von rechts als auch von links angegriffen wird. Einerseits steht er im Verdacht, eine Art Sympathie für unser Land zu hegen, obwohl er bisher eigentlich noch nicht wirklich etwas für die Verbesserung der Beziehung zwischen unseren Ländern getan hat, und das wird er wahrscheinlich auch nicht tun, wegen des Drucks, der auf ihn ausgeübt wird. Und andererseits steht er in anderen Bereichen unter Druck."

Euronews: "Zum Thema Druck erzeugen – sprechen wir von dem Druck in ihrem Land. Wir haben Proteste auf den Straßen gesehen, vielleicht wegen der Rentenreform. Es gab Bilder von Ihnen, auf den Plakaten war zu lesen: "Feind des Volkes". Sind Sie besorgt wegen der Unzufriedenheit in Ihrem Land? Verfolgt Ihre Partei einen Sparkurs? Sorgen Sie sich über die Unzufriedenheit?"

Dmitri Medwedew: "Meinen Sie jetzt die Situation in unserem Land?"

Euronews: "Ja, in Russland."

Dmitri Medwedew: "Jede Veränderung wird von den Menschen ganz unterschiedlich aufgefasst. Wenn Sie Änderungen der Rentengesetzgebung meinen, solche Reformen werden in keinem Land mal eben so einfach durchgeführt. Das sind wirklich komplizierte Reformen, die den Menschen Sorgen bereiten. Dennoch sind diese Änderungen notwendig. Und wir haben Maßnahmen ergriffen. Solche Reformen sind in den meisten Länder notwendig, die ein bestimmtes Entwicklungsniveau und einen bestimmten Lebensstandard erreicht haben. Deshalb werden solche Entscheidungen ja getroffen. Der Lebensstandard ist jetzt anders und die Lebenserwartung ist in unserem Land auf 73 Jahre gestiegen, was die Situation radikal von beispielsweise den 1940er oder 1950er Jahren unterschiedet, als das Rentenalter festgelegt wurde. Das ist eine objektive, wenn auch schwierige Realität."

Euronews: "Aber machen Sie sich ernsthaft Sorgen? Wie ernst ist die Lage?"

Dmitri Medvedev: "Ich denke, die abgegebenen Erklärungen, die Änderungen am Gesetzentwurf sowie die Änderungen, die schließlich angenommen und unterzeichnet wurden, haben einige Bedenken zerstreut. Ich bin also der Meinung, dass sich die Situation insgesamt bald beruhigen wird."

Russlands Führung in Syrien

Euronews: "Uns bleibt nicht mehr viel Zeit, lassen Sie uns noch über Syrien sprechen. Manche würden sagen, dass Russland dort sein Ziel erreicht hat, es spielt eine Führungsrolle und hat die USA quasi an den Rand gedrängt. Welche Garantien kann Russland den Syrern geben, damit sie nun zurückkehren können und ihr Leben besser sein wird als unter Assad, als sie damals geflohen sind? Russland will das Land wieder aufbauen. Welche Garantien können sie dem syrischen Volk geben?"

Dmitri Medwedew: "Syrien hat in der Tat sehr viel gelitten. Als ich 2010 in Syrien war, hat das Land im Vergleich zu anderen in der Region damals einen sehr guten Eindruck bei mir hinterlassen. Es war ein normaler, moderner und relativ säkularer Staat, in dem Vertreter verschiedener Religionen friedlich Seite an Seite lebten, darunter Muslime, Christen und Alewiten, im Gegensatz zu Religionskonflikten anderswo.

Natürlich sind die Umstände in Syrien heute völlig anders. Meiner Meinung nach muss das Ziel der Weltgemeinschaft sein, dafür zu sorgen, dass der Frieden auf syrischem Boden wiederhergestellt wird. Und natürlich unterstützen wir auf Wunsch des syrischen Staates und der syrischen Führung, das Land dabei, diese Ordnung wiederherzustellen. Der Präsident hat das mehrfach bestätigt und es handelt sich um eine transparente Situation.

Aber wir hoffen, dass es nun vorbei ist, dass Syrien seine Führung wählt und in eine Erholungsphase geht. Einige Regeln werden sich dabei ändern, ein nationaler Dialog wird in Gang gesetzt werden. Nur dann wird es möglich sein, in Syrien wieder Frieden zu schaffen. Wir sind bereit, dabei auf jede erdenkliche Weise zu helfen."

Euronews: "Herr Medwedew, Sie haben 30 Sekunden Zeit. Ich werde einen Namen sagen und Sie sagen mir das erste, was Ihnen dazu in den Sinn kommt. Donald Trump. Das erste, was Ihnen in den Sinn kommt."

Dmitri Medwedew: "Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika."

Euronews: "Putin."

Dmitri Medwedew: "Der Präsident von Russland."

Euronews: "Nein, Sie müssen mir schon etwas mehr sagen. Was ist das Wesentliche, was ihn beschreibt?"

**Dmitri Medwedew: "**Aber er ist der Präsident unseres Landes. Was sonst sollte mir in den Sinn kommen? Außerdem kenne ich ihn schon sehr lange."

Euronews: "Jean-Claude Juncker."

Dmitri Medwedew: "Auch einer unserer Kollegen, Spitzenpolitker der Europäischen Union."

Euronews: "Ein Wort, bitte."

Dmitri Medwedew: "Ich habe keine anderen Assoziationen, obwohl wir uns gut verstehen. Ich hoffe, ich werde ihn auf dem Gipfel sehen."

Euronews: "Sie werden Angela Merkel sehen."

Dmitri Medwedew: "Ja, das gleiche gilt für Angela Merkel. Wir kennen uns schon lange. Wir haben im Allgemeinen eine gute Beziehung, auch trotz der jüngsten Meinungsverschiedenheiten. Aber gut, wenn Sie mehr wollen: Zu Angela Merkel fällt mir ein, sie hat einmal gesagt, dass sie in Ostdeutschland aufgewachsen ist."

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