"Der Spiegel" entlässt Starjournalisten wegen Fälschung von Artikeln "in großem Umfang"

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Copyright Flickr/Karl-Ludwig Poggemann
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Von Alice Tidey & Linda Fischer
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Das Wochenmagazin Der Spiegel teilte am Mittwoch mit, dass es seinen preisgekrönten Reporter Claas Relotius entlassen habe. Grund sei, dass er in den vergangenen Jahren „in großem Umfang“ Quellen und Fakten seiner Geschichten manipuliert und erfunden habe.

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Das Wochenmagazin Der Spiegel teilte am Mittwoch mit, dass es seinen preisgekrönten Reporter Claas Relotius entlassen habe. Grund sei, dass er in den vergangenen Jahren „in großem Umfang“ Quellen und Fakten seiner Geschichten manipuliert und erfunden habe. Den gesamten Fall rekonstruierte Ullrich Fichtner, einer der Chefredakteure, in der dieswöchigen Ausgabe.

Er schrieb darin, dass Relotius inzwischen zugegeben hat, dass 14 der 60 Artikel, die er für den Spiegel geschrieben hatte, "zumindest teilweise fabriziert" seien. Die Redaktion werde weiterhin daran arbeiten, die anderen zu überprüfen.

Einige von Relotius manipulierten Artikeln sind preisgekrönt. Darunter "Die Geschichte von Ahmed und Alin", eine Reportage über zwei irakische Kinder, die vom sogenannten Islamischen Staat entführt wurden. Oder "Nummer 440“, eine Geschichte über einen unschuldigen Häftling im US-Militärgefängnis Guantanamo Bay, der bei seiner Freilassung das Gefängnis nicht verlassen möchte. Für diese und weitere Geschichten enthielt Relotius Preis für den CNN-Journalisten des Jahres 2014, den Europäischen Pressepreis 2017 und den deutschen Reporterpreis 2013, 2015, 2016 und 2018. Inzwischen hat er sämtliche Reporterpreise zurückgegeben.

Aufgedeckt durch Spiegel-Reporterkollegen Juan Moreno

Der 33-jährige Relotius begann 2011 als freier Autor beim Spiegel und wurde vor anderthalb Jahren fest angestellt. Seine Täuschung wurde von einem seiner Kollegen, Juan Moreno, aufgedeckt, der im vergangenen Monat mit ihm an einem Artikel über eine Gruppe amerikanischer Bürgerwehrleute gearbeitet hatte, die an der US-mexikanischen Grenze patrouillieren.

Moreno entdeckte verdächtige Überschneidungen mit früher erschienenen Reportagen, Bilder, die woanders schon einmal verwendet wurden. Er schlug beim Spiegel Alarm – wurde aber zunächst nicht ernst genommen. Als er dann eine weitere Reise in die USA nutze, um einige der im Artikel zitierten Personen zu besuchen, stellte er fest, dass sie Relotius nicht kannten – ihn nie getroffen hatten.

"Drei, vier Wochen lang geht Moreno durch die Hölle, weil Kolleginnen und Vorgesetzte in Hamburg seine Vorwürfe anfangs gar nicht glauben können", schrieb Fichtner in dem Artikel. Denn zunächst bestritt Relotius sämtliche Vorwürfe und legte sogar Gegenbeweise vor. Als die Belege sich aber gegen ihn erhärteten, gab er schließlich seine Täuschung zu.

"Ich bin krank, und ich muss mir jetzt helfen lassen", wird er vom Spiegel zitiert.

Der Spiegel entschuldigte sich bei seinen Lesern für den Betrug und bezeichnete ihn als "einen Tiefpunkt in der 70-jährigen Geschichte des SPIEGEL". Der Verlag habe nun eine Kommission einberufen, der auch Externe angehören, um die Vorgänge aufzuklären und Wiederholungen zu vermeiden. So kam durch die Untersuchungen nun heraus, dass auch ein kürzlich erschienenes Interview mit Traute Lafrenz, der letzten Überlebenden der "Weißen Rose", teilweise manipuliert wurde.

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