Europas banger Blick über den Atlantik

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Von Andreas Rogal
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Europäische Multilateralisten hoffen auf einen Biden Sieg, aber das transatlantische Bündnis ist auf jeden Fall im Wandel.

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Dass Europa wie der Phönix aus der Asche des Zweiten Weltkriegs steigen konnte, ist in entscheidendem Maße den Vereinigten Staaten von Amerika zu verdanken.

Der Marschall-Fond half der Wirtschaft auf die Beine, die NATO sorgte für Sicherheit angesichts der Gefahr, die von der Sowjetunion ausging.

Die Gründung dessen, was heute Europäische Union heißt, unterstützte die USA politisch von Beginn an.

Doch die vier Jahre der Präsidentschaft Donald Trumps hat diese gemeinsame Geschichte in vielfacher Weise herausgefordert - mit Handelskonflikten, der Infragestellung des militärischen Bündnisses und nicht zuletzt mit Trumps Sicht auf Europa als eine Gefahr für Amerika, statt einem Verbündeten.

Würde ein Präsident Biden diese Entwicklung stoppen und zur gewohnten Beziehung zurückfinden?

Dazu Robert Malley, ehemaliger Berater von Präsident Obama:

"Biden würde sicher versuchen die multilateralen Allianzen zu reparieren, sie wieder zusammenzuflicken, insbesondere die mit der EU, denn wie wir wissen, verbindet ihn viel mit Europa. Das heißt allerdings nicht, dass das so einfach sein wird, zum Ausgangspunkt vor Trump zurückzukehren. Es ist viel Schaden angerichtet worden, nicht nur was das gegenseitige Vertrauen betrifft. sondern auch ganz allgemein: ich denke, Europa weiß nun, dass die Zukunft nicht garantiert ist, auch wenn auf Präsident Trump Präsident Biden folgt, denn, wer weiß, wer danach kommt. Europa wird also darauf achten, seine strategische Selbstständigkeit weiter zu vertiefen, selbst wenn sich die Beziehungen mit den USA nach einem Wahlsieg Joe Bidens, wie ich meine dramatisch, verbessern würden."

Einer möglichen zweiten Amtszeit von Präsident Trump sieht man vielerorts in Europa mit großer Sorge entgegen, so auch im Berliner Büro der Denkfabrik  European Council of Foreign Relations, ECFR:

"Die größte Gefahr ist, dass die EU auseinanderbricht. Denn es würde ein Lager geben, das eine zweite Trump Amtszeit als Gelegenheit zu vertiefter europäischer Souveränität nutzen will, und ein anderes, das trotz allem weiter den USA verbunden sein will. Das könnte die Europäische Union schon spalten," meint Bürochefin Jana Puglierin. "Hier in Berlin fürchten wir das sehr, denn wir sind ja immer die treibende Kraft, wenn es darum geht, den Club zusammenzuhalten, mit Polen und mit Frankreich zusammenzuarbeiten, mit dem Norden und dem Süden."

Auch wenn sich innerhalb der Weißen Hauses die Situation tiefgreifend verändern sollte, geopolitisch ist die USA schon seit einiger Zeit und bereits bevor Trump die Bühne betrat, in einer Umorientierung in Richtung Osten begriffen.

Ian Lesser vom German Marshall Fund in Berlin erläutert:

"Es gibt strukturelle Gründe dafür, dass der Aufstieg Chinas für die Vereinigten Staaten von hroßer Bedeutung ist, und auch für den generellen Fokus auf Asien. Wir sind ja ein bi-ozeanisches Land, sozusagen eine bi-ozeanische Macht, das hat uns von Anfang an geprägt, und eine Austarierung der Schwerpunkte ist da nicht überraschend. Dazu kommen demographische und generationsbedingte Veränderungen, die in diese Richtung wirken. Die jüngere Generation schenkt Asien offensichtlich mehr Aufmerksamkeit als Europa. Andererseits gibt es nach wie vor überwältigende Gründe dafür, dass die USA ihre Beziehung zu Europa pflegen sollte."

Vier Jahre Trump waren in vieler Hinsicht schmerzhaft für Europa, aber nicht alle Probleme sind allein ihm zuzuschreiben. Und auch Trumps Ohrfeigen können eine heilsame Wirkung entfalten, zumal wenn sie eine vertiefte gemeinsame EU-Außenpolitik zur Folge haben.

Das transatlantische Bündnis hat sich dauerhaft gewandelt, daran wird weder der eine noch der andere Wahlausgang etwas ändern.

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