Kaïs Saïed: Die Ursachen der illegalen Migration bekämpfen

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Von Aissa BOUKANOUNSabine Sans
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Der Präsident Tunesiens spricht in der Sendung The Global Conversation über Migration, die Partnerschaft mit der EU und über den Kampf gegen den Terrorismus.

Die Europäische Union hat kürzlich die Verhandlungen mit Tunesien intensiviert. Man will im Austausch für die EU-Unterstützung des Landes die globale Migrationspartnerschaft beleben, und den Erfolg des demokratischen Übergangs sicherstellen. Das sind die Hauptthemen in diesem Global-Conversation-Gespräch mit dem tunesischen Präsidenten Kaïs Saïed am Rande seines Treffens in Brüssel mit europäischen Politikern.

Migration ist nicht nur ein Sicherheitsproblem

**Euronews-Reporter Aissa Boukanoun:
**
Sie sind zu einem Arbeitsbesuch hier in Brüssel, um mehrere wichtige Themen mit europäischen Beamten zu diskutieren, insbesondere die Migrationspartnerschaft. Welche Kooperationsstrategie plant Ihr Land in Bezug auf den Informationsaustausch über irreguläre Ausreisen aus Tunesien nach Europa?

Kaïs Saïed, Präsident von Tunesien:

Ich habe über dieses Thema bereits bei vielen Gelegenheiten gesprochen - über die illegale oder unkontrollierte Einwanderung. Viele Leute glauben, dass das Problem der Migration aus einer europäischen Sicherheitsperspektive heraus bewältigt werden kann. Aber es ist klar, dass diese Option nicht ausreicht, um die Migrationswelle einzudämmen. Wenn illegale Einwanderer ihre Ziele erreicht haben, gut zu leben und ihren Traum verwirklichen, wenn sie die gleichen Chancen bekommen, die die Bürger in Europa in ihren Ländern bekommen, ist Einwanderung kein Thema. Viele illegale Einwanderer, die aus Tunesien und Nordafrika nach Europa kommen, werden von kriminellen Organisationen ausgebeutet, die sie nach Europa schleusen. Sie sind dann gezwungen, illegal zu arbeiten und ihre Rechte als Flüchtlinge werden missachtet. Aber wir müssen auch über die reguläre Migration sprechen, zum Beispiel von Akademikern und anderen hoch qualifizierten Arbeitskräften. Im vergangenen Jahr sind fast fünfhundert Ärzte nach Europa gegangen.

"Es wird keine Sicherheit und keinen Frieden geben, wenn wir nicht die Ursachen beseitigen, die zur illegalen Migration führen.
Kaïs Saïed
Präsident Tunesiens

Euronews:

Welche Unterstützung braucht Tunesien von der EU, um die in Tunesien aktiven Schlepperbanden zu bekämpfen.

Kaïs Saïed:

Wer nimmt die Flüchtlinge auf europäischer Seite in Empfang? Wenn sie dann in der Landwirtschaft oder in einigen Branchen schwarz arbeiten, wer nutzt sie aus und profitiert von ihnen? Hier ist es notwendig, die Netzwerke zu bekämpfen, die innerhalb Europas am Menschenschmuggel verdienen. Es wird keine Sicherheit und keinen Frieden geben, wenn wir nicht die Ursachen beseitigen, die zu dieser illegalen Migration führen. Einige der illegalen Migranten wurden zur Flucht gezwungen, weil sie (in ihrer Heimat) jegliche Perspektive, jegliche Hoffnung auf ein besseres Leben verloren haben. Sie haben keine Träume mehr.

Privilegierte Partnerschaft mit der EU

Euronews:

Die EU und Tunesien haben 2012 eine "privilegierte Partnerschaft" gegründet. Bei diesem ehrgeizigen Aktionsplan steht die sozio-ökonomische Entwicklung im Mittelpunkt. Wie hilft Ihnen diese Partnerschaft dabei, Arbeitsmöglichkeiten zu schaffen, und die Jugendarbeitslosigkeit in Tunesien zu bekämpfen?

**Kaïs Saïed:
**

Auf jeden Fall hilft uns diese privilegierte Partnerschaft. Es gibt Vereinbarungen mit einigen europäischen Ländern und mit der EU in Bezug auf die Schaffung von Arbeitsplätzen für die Jugend. Ich habe ihnen vorgeschlagen, einen neuen Mechanismus festzulegen, um mehr Gerechtigkeit innerhalb der Welt zu schaffen.

Kampf gegen Covid-19

Euronews:

Sind Sie bei den Europäern auf ein offenes Ohr gestoßen, als Sie mit ihnen über die Schwierigkeiten Tunesiens gesprochen haben, genügend Covid-19-Impfstoffe zu bekommen, um die Übertragung des Virus einzudämmen?

Kaïs Saïed:

Ja, es gibt Hilfsbereitschaft. Es geht hier um operative Lösungen. In Tunesien haben wir eine Reihe von Impf-Aktionsplänen verabschiedet. Aber sie sind immer noch unzureichend und zu ineffektiv. In den vergangenen Tagen bekamen wir Alarmsignale aus verschiedenen Regionen Tunesiens, in denen es an Sauerstoff fehlte und die medizinische Versorgung kritisch war. Aber wir haben es geschafft, die Situation unter Kontrolle zu bringen. Diese katastrophalen Zustände können nur mit globaler Hilfe, nicht allein mit den Ressourcen eines Landes in den Griff bekommen werden.

Kampf gegen den Terrorismus

Euronews:

Lassen Sie uns zum nächsten Thema übergehen: zum Kampf gegen den Terrorismus. Gerade nach der Revolution von 2011 erlebt Tunesien ein Wiederaufleben der dschihadistischen Bewegungen, die in der Nähe der Grenzen zu Libyen und Algerien aktiv sind. Wo steht Tunesien im Kampf gegen dschihadistische Gruppen?

**Kaïs Saïed:
**
Tunesien ist kein Land, in dem der Terrorismus zum Alltag gehört. Wir sind ein sicheres Land. Wir sollten unsere Gesellschaft immunisieren, indem wir eine Plattform für kulturelle Werte einrichten, die die Menschen davor schützt, sich von terroristischen Bewegungen verführen zu lassen. Denn gerade Menschen mit einem gewissen intellektuellen Mangel sind anfällig für Terrorismus.

Tunesiens Beziehungen zu anderen Ländern

Euronews:

In diesem Jahr haben einige arabische Länder offizielle und diplomatische Beziehungen zu Israel aufgenommen. Wie steht Tunesien dazu?

Kaïs Saïed:

Bei unseren Beziehungen mit anderen Ländern respektieren wir ihre Entscheidungsfreiheit, ihre Eigenständigkeit. Wir mischen uns nicht in innerstaatliche Angelegenheiten anderer Länder ein - sie sind frei, aber auch wir sind frei in unseren Entscheidungen.

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