Ultimatum an Polen

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Die polnische Regierung entfernt sich von den Grundwerten der Europäischen Union. Jetzt stellt sie sogar die Vorrangigkeit des Europarechts in Frage.

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Ein Ultimatum und offener Streit über Polens Justizreform: Der Tonfall zwischen Warschau und Brüssel wird immer schärfer.

Der Europäische Gerichtshof hat die Disziplinarkammer Polens für illegal erklärt - es handele sich um "ein Werkzeug, um politischen Druck auszuüben".

Polens Verfassungsgericht keilte zurück: das Land müsse sich nicht an Europarecht halten.

Die Behörde des polnischen Menschenrechtsbeauftragten kritisiert wiederum die Justizreform der rechtskonservativen Regierungspartei und fordert, dass die Vorgaben aus Brüssel respektiert und umgesetzt werden.

Der stellvertretende Ombudsmann, Maciej Taborowski:

"Laut Artikel 9 der Verfassung, erkennt Polen die Gültigkeit völkerrechtlich bindender Verträge an. Auch wir haben immer wieder daran erinnert - und sogar Klage eingereicht beim polnischen Verfassungsgericht, denn diese Verfassungsbestimmung muss in einer europarechtsfreundlichen Weise umgesetzt werden, sie dient dem Schutz unserer Bürger."

"Peitsche" für Polens unabhängige Richter

Igor Tuleya ist einer der Richter, deren Immunität von der polnischen Disziplinarkammer aufgehoben wurde. DerEuGH fordert, das rückgängig zu machen.

"Ich habe beim Gerichtspräsidenten beantragt, meine Richterbefugnis zurückzuerhalten, wieder im Justizdienst tätig sein zu dürfen, mein Richteramt wieder ausüben zu können", sagte Tuleya bei einer Pressekonferenz. "Wir werden sehen, wie der Gerichtspräsident entscheiden wird. Falls er das Gesetz achtet, wird er mir selbstverständlich wieder die Erlaubnis erteilen, zurückkehren zu dürfen in den Gerichtssaal."

Igor Tuleya hatte die Justizreform, insbesondere die Einrichtung der Disziplinarkammer offen kritisiert.

"Die Disziplinarkammer kann nicht als Gericht bezeichnet werden, sondern als Peitsche", so Tuleya wörtlich, "die gegen unabhängige Richter eingesetzt wird. In ganz Europa sollten die Warnleuchten angehen: Wer Gerichte und Rechtsstaatlichkeit in Polen zerstört, der unterminiert Gerichte überall in Europa."

Polens Regierung fordert "Gleichbehandlung"

Die polnische Regierung ihrerseits fühlt sich vom Europäischen Gerichtshof unfair behandelt.

Vize-Außenminister Paweł Jabłoński:

"Dieser Fall ist glasklar: Die Europäische Union hat keinerlei Kompetenzen, in unser Gerichtssystem einzugreifen. Justizsysteme werden von den Mitgliedstaaten organisiert. Die EU mischt sich ja auch nicht in Deutschland, Spanien, Tschechien oder Dänemark ein. Genausowenig sollte sie das gegenüber Polen tun. Jeder Mitgliedstaat sollte gleich behandelt werden. Wir wollen nicht mehr - aber auch nicht weniger."

Warschau und Brüssel auf "Konfrontationskurs"

Die Warschauer Euronews-Korrespondentin Magdalena Chodownik ordnet die Vorgänge folgendermaßen ein: 

"Als Reaktion auf die umstrittene Position des polnischen Verfassungsgerichts, hat die EU Polen eine Frist gesetzt: bis 16. August muss das EuGH-Urteil umgesetzt werden, sonst drohen Strafzahlungen. In der Zwischenzeit hat Regierungs-Chef Morawiecki das Verfassungsgericht aufgefordert zu klären, welches Recht Vorrang hat, polnisches oder europäisches. Warschau und Brüssel steuern weiter auf Kollisionskurs."

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