Schockierendes Ausmaß sexueller Gewalt: Amnesty berichtet aus Tigray

Eine Frau aus Tigray in der Klinik des Sudanesischen Roten Halbmonds in Hamdayet nahe der sudanesisch-äthiopischen Grenze im Osten des Sudan.23.03.2021
Eine Frau aus Tigray in der Klinik des Sudanesischen Roten Halbmonds in Hamdayet nahe der sudanesisch-äthiopischen Grenze im Osten des Sudan.23.03.2021 Copyright Nariman El-Mofty/Copyright 2021 The Associated Press. All rights reserved.
Von Euronews mit dpa
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In dem seit neun Monaten andauernden Konflikt in Tigray sind Tausende von Frauen und Mädchen vergewaltigt, gefoltert und verstümmelt worden.

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Der bewaffnete Konflikt in der äthiopischen Region Tigray schwelt seit November 2020. Mehr als zwei Millionen Menschen sind vor den Kämpfen zwischen Äthiopiens Regierung und der Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF) bereits geflohen.

Systematische, sexualisierte Gewalt gegen Frauen

Ein jüngst veröffentlichter Bericht der Menschenrechtsorganisation Amnesty International offenbart nun eine neue Dimension der begangenen Gräueltaten in der Krisenregion. Mädchen und Frauen wurden offenbar systematisch von Militärs und paramilitärischen Spezialeinheiten vergewaltigt, gruppenvergewaltigt, gefoltert und als Sexsklavinnen missbraucht. Allein zwischen Februar und April 2021 seien 1.288 derartige Fälle registriert worden. Doch nur wenige Frauen und Mädchen haben überhaupt die Möglichkeit, sexualisierte Gewalt gegen sie anzuzeigen oder sich ärztlich behandeln zu lassen.

Die Menschenrechtsorganisation hatte zwischen März und Juni mit 63 Überlebenden von Vergewaltigung und sexueller Gewalt meist in Flüchtlingslagern im Sudan gesprochen. Sie schilderten, wie äthiopische und eritreische Soldaten und Mitglieder verbündeter Milizen mit einem schockierenden Ausmaß an Brutalität "darunter Schläge, Todesdrohungen und Beleidigungen ethnischer Natur" Frauen teils vor ihren Angehörigen, darunter Kinder, vergewaltigten, oder sie wochenlang unter sklavenähnlichen Umständen gefangen hielten, ebenfalls vergewaltigten und teilweise an den Genitalien verstümmelten.

Amnesty International spricht von Verbrechen gegen die Menschlichkeit

"Diese Verbrechen sind Kriegsverbrechen und mutmaßlich auch Verbrechen gegen die Menschlichkeit", schreibt Amnesty. Die Organisation fordert den Generalsekretär der Vereinten Nationen auf, dringend ein Expert:innenteam in die Region Tigray zu entsenden, wie es in der Resolution 1888 des UN-Sicherheitsrates vorgesehen ist. Doch bislang hat sich die äthiopische Regierung internationalen, nichtstaatlichen Menschenrechtsorganisationen quergestellt, wenn es darum ging, gemeinnützige Organisationen in die Region zu lassen.

Die Folgen der Vergewaltigungen sind schwerwiegend. Überlebende leiden häufig unter gesundheitlichen Komplikationen aufgrund der Gewalt, die ihnen angetan wurde. Neben körperlichen Beschwerden wie anhaltenden Blutungen, Schmerzen, Inkontinenz sind Depressionen, Schlaflosigkeit, Angstzustände und andere Formen der emotionalen Belastung bei den Überlebenden und den Familienmitgliedern, die Zeugen der Misshandlungen waren, weit verbreitet. Einige der Überlebenden infizierten sich bei den Vergewaltigungen mit HIV und anderen Geschlechtskrankheiten, so Amnesty.

Angst vor Stigmatisierung

Viele der von Amnesty International befragten Überlebenden hatten jedoch überhaupt keine Gesundheitseinrichtungen aufgesucht, weil sie Angst vor Stigmatisierung haben. Die nun veröffentlichten Zahlen dürften wahrscheinlich nur einen Bruchteil der Gesamtzahl sexualisierter Gewalt ausmachen.

Der Konflikt zwischen der Zentralregierung Äthiopiens und der Tigray-Region eskalierte im November und zog ein Militäroffensive gegen die in der Region herrschende Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF) nach sich. Die TPLF hatte Äthiopien bis zur Wahl von Abiy Ahmed 2018 zum Regierungschef des Landes nominiert. Im Juni hatte die Zentralregierung eine einseitige Waffenruhe verkündigt. Die Kämpfe gingen aber unvermindert weiter.

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