"Bataclan" - Trauma vieler Franzosen
Der Prozessbeginn spült bei vielen Franzosen traumatische Bilder wieder hoch. Das Schlüsselwort: „Bataclan“. 20 Verdächtige müssen sich in Paris für islamistische Terroranschläge vor knapp sechs Jahren verantworten mit 130 Toten und 350 Verletzten.
Extremisten hatten am 13. November 2015 in der Pariser Konzerthalle «Bataclan» ein Massaker angerichtet – 90 Menschen wurden erschossen. Außerdem wurde in Bars und Restaurants im Osten der Hauptstadt gefeuert. Am Stade de France sprengten sich während des Fußball-Länderspiels Deutschland-Frankreich drei Selbstmordattentäter in die Luft. Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) reklamierte die Anschläge für sich.
Feuerwehrmann Christophe, der an diesem Freitag, den 13. In der Cocktailbar „La Belle Equipe“ im Einsatz war – hier starben 20 Menschen:
"Da waren etwa fünfzig Leute. Sie rennen in alle Richtungen, heulen, schreien und viele Opfer liegen übereinander."
Die Angriffsserie richtete sich gegen die Zuschauer eines Fußballspiels im Stade de France, gegen die Besucher eines Rockkonzerts der Rockband „Eagles of Death Metal“ im "Bataclan"-Theater, dazu gegen die Gäste zahlreicher Bars, Cafés und Restaurants – mehrere Schusswaffenattentate, ein Massaker mit Geiselnahme sowie sechs Detonationen, die von Selbstmordattentätern mit Sprengstoffwesten ausgelöst wurden.
ZIELSCHEIBE LEBENSFREUDE
Zur Zielscheibe wurden Lebens- und Ausgehfreude, das gemeinsame Feiern, der Sport, der Spaß, die Musik. Danach blieb der sonst hell beleuchtete Eiffelturm mehrere Nächte lang schwarz. Für viele Pariser geht es heute noch um eines der für sie schlimmsten und prägendsten Ereignisse.
Seit 2015 haben Terroristen insgesamt mehr als 250 Menschen in Frankreich getötet und bei Tausenden überlebenden Opfern langfristige physische und psychische Wunden verursacht.
Viele Entkommene haben versucht, ihre Erlebnisse in Artikeln, Büchern und Musik zu verarbeiten.
Die beiden Väter Georges Salines und Azdyne Amimour wurden sogar so etwas wie Freunde - Georges' Tochter Lola wurde von den Terroristen im Pariser Konzertsaal "Bataclan" ermordet, Azdynes Sohn Samy war einer der Täter und starb ebenfalls dort. Die Väter schrieben ein Buch "Il nous reste les mots" - "Uns bleiben die Worte".
DIE TRAGEN REICHTEN NICHT
Auch Christophe Molmy, ehemaliger Leiter der BRI (Brigades de Recherche et d‘intervention, “Anti-Gang-Brigade”) - Polizeieinheit während der Anschläge vom November 2015, erinnert sich noch an viele Details:
„Polizisten kamen mit Tragen. Am Ende hatten wir nicht einmal mehr genug Tragen, also haben sie mobile Metallbarrieren von draußen geholt und Leute darauf gelegt. Sie haben eine Kette gebildet, um die Verletzten herauszuholen, um sie zu einer sogenannten Sammelstelle für Opfer zu bringen, wo sich die Feuerwehr um die Menschen kümmerte, sie behandelte und in Krankenhäuser schickte.“
Die Musik - der „Eagles of Death Metal“ - hätte Maler und Musiker Serge Maestracci am 13. November 2015 in der Pariser Konzerthalle Bataclan fast das Leben gekostet. Aber dann half sie ihm weiter:
"Ich war komplett panisch geworden. Ich hatte Angst, das Haus zu verlassen und durch die Stadt zu radeln. Ich hatte das Gefühl, zur Zielscheibe geworden zu sein."
"Durch die Musik konnte ich meine Gefühle, und was ich erlebt hatte, ausdrücken."
"Nach so einem Erlebnis - und gerade, weil ich kurz nach der Attacke fliehen konnte - wird Dir bewusst, dass Du nur aufgrund weniger Minuten dem Tod entkommen bist. Das Leben kommt zum Stillstand. Und dann geht es auf einmal weiter. Und Dir wird klar - Du musst jede Minute ausnutzen!"
MONATELANGER PROZESS
Für den Prozess wurden im Pariser Justizpalast ein neuer Saal gebaut und ein eigenes Schwurgericht berufen. Knapp 1.800 Nebenkläger haben sich angeschlossen. Mindestens 145 Verhandlungstage sind angesetzt.
su mit AFP, dpa