Euronews-Reporterin Monica Pinna hat an der polnisch-ukrainischen Grenze Frauen auf der Flucht vor dem Krieg kennengelernt, deren Geschichten sie nicht vergessen wird.
Der russische Krieg gegen die Ukraine hat am 24. Februar angefangen und scheint kein Ende nehmen zu wollen. Die Welt ist Zeuge einer unfassbaren Tragödie. Millionen Ukrainer haben ihre Heimat verlassen. Ein Großteil floh ins benachbarte Polen. Euronews-Reporterin Monica Pinna ist ins polnisch-ukrainische Grenzgebiet gefahren. Sie schildert ihre sehr persönlichen Eindrücke.
Elizaveta sah mich und das Mikrofon an. Sie atmete tief ein. Ihre Mutter sah sie an und reichte ihr die Hand.
In dem Moment, bevor Elizaveta zu sprechen begann, gefror mir das Blut in den Adern. Diese Geste zwischen diesen beiden Generationen von ukrainischen Frauen versetzte mir einen emotionalen Elektroschock. Sie bedeutete Liebe, sie bedeutete Schmerz und Stärke. Noch immer ungläubig darüber, was ihr Leben von einem Tag auf den anderen verändert hatte, begann Elizaveta zu erzählen.
"In der Ukraine gibt es ein großes Problem. Putin tötet unsere Kinder. So viele Kinder."
Sie schluchzte nicht, die Tränen liefen ihr einfach aus den Augen. In dieser Situation konnte ich als Journalistin keine emotionale Distanz halten. Auch Thierrys Augen hinter der Kamera waren voller Tränen, und Karolina, unsere "Augen und Ohren" vor Ort, konnte sie auch nicht zurückhalten.
Ähnliche Szenen wiederholten sich während unseres zehntägigen Einsatzes in Polen, an der Grenze zur Ukraine, immer und immer wieder. Wir konnten unsere Distanz nicht wahren. Die Welle der Traurigkeit und des Schmerzes, die von der Ukraine ausging, hat uns alle getroffen. Eine Frage bekam ich nicht aus dem: Warum geschieht das alles?
Viele Male kam ich mich aufdringlich vor. Aber oft war ich auch von der Reaktion überrascht. Diese Mütter, Großmütter oder jungen Frauen waren sich bewusst, dass sie Zeugnis ablegen mussten, sogar fern der Heimat, sogar als Flüchtlinge.
"Die Welt muss es erfahren", sagte mir Ljuba am Busbahnhof in Przemyśl, der größten polnischen Stadt nahe der ukrainischen Grenze. Erschüttert und noch immer unter Schock stehend, beschrieb sie, wie ihre ganze Welt auf den Kopf gestellt wurde:
_"Putin ist der Aggressor. Unschuldige Menschen sterben. Überall schießen Panzer. Ein junges Mädchen, 18 Jahre alt, steht da mit einem Maschinengewehr. Es ist furchtbar. Panzer in der Stadt. Überall. Die Leute tragen Militäruniformen. Haltet ihn auf oder es gibt einen Atomkrieg. Haltet ihn auf. Morgen wird er in Europa sein. Haltet ihn auf."
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Die 20-jährige Veronika stand in eine große Decke eingewickelt am Busbahnhof von Przemyśl an. Sie ist davon überzeugt, dass die Ukraine gewinnen wird, weil "Russland mit einer Armee kämpft. Die Ukraine kämpft mit Menschen." Dieses starke Gefühl der Zugehörigkeit und des Durchhaltevermögens ist mir bei allen Flüchtlingen, mit denen ich gesprochen habe, begegnet.
Und da war auch Ljudmilla, eine 67-jährige Ärztin im Ruhestand, die mir versicherte: _"Wir werden das durchstehen."
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Sie versuchte zu lächeln, während sie das sagte. In diesem gezwungenen Lächeln, das sich in Tränen verwandelte, sah ich die ganze Widerstandsfähigkeit einer Bevölkerung, die für Gerechtigkeit, Demokratie und Freiheit kämpft.
Sind das nicht die Werte, auf die sich die Europäische Union gründet?