Drangsaliert, bedroht, verfolgt: Russische Journalisten werden auf Linie gebracht

Russische Ermittlungsbehörden haben ein Strafverfahren gegen den bekannten Journalisten Alexander Nevzorov eingeleitet. Der ehemalige Abgeordnete ist der erste prominente Journalist, gegen den wegen der Verbreitung angeblicher Falschinformationen über die russische Armee ermittelt wird. Er hatte berichtet, eine Entbindungsklinik im ukrainischen Mariupol sei absichtlich beschossen worden. Der 63 jährige Nevzorov ist ein altgedienter Journalist und ehemaliges Parlamentsmitglied der Staatsduma. Es wird vermutet, dass er sich außerhalb Russlands aufhält.
Journalisten verlassen das Land
Die Journalistin und Auslandskorrespondentin Schanna Agalakowa hatte kurz nach der Invasion beim staatlichen russischen Fernsehen gekündigt. Agalakowa, die seit zwei Jahrzehnten als Korrespondentin u.a. in New York und Paris tätig ist, hatte Anfang des Monats ihre Kündigung bei Pervy Kanal (Channel One) mit dem Einmarsch begründet.
Sie kritisierte, dass die staatlichen Medien Russlands Gegner in der Ukraine immer wieder als "Nazis" bezeichnen - ein Begriff, der in einem Land, das noch immer von den Opfern des Zweiten Weltkriegs gezeichnet ist, einen besonderen Nerv trifft.
Bei einer Pressekonferenz in Paris, die von der Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF) organisiert wurde, sagte Agalakova, dass sie nicht länger an den "Lügen" und "Manipulationen" des russischen Staatsfernsehens beteiligt sein könne. Sie beschrieb ein Mediensystem, das "nur die Sichtweise des Kremls wiedergibt".
Es drohen drakonische Strafen
Die russische Fernsehredakteurin Marina Ovsyannikova, die mit einem Plakat "Kein Krieg" die Abendnachrichten gestört hatte, ist zwar wieder frei, ihr droht aber weitere strafrechtliche Verfolgung mit drakonischen Strafen bis hin zu jahrelanger Haft.
Bis zu 15 Jahre Gefängnis oder rund 45.000 Euro Strafe drohen seit Monatsbeginn für Äußerungen zum Krieg, die nicht auf Moskauer Regierungslinie sind. Bald könnten auch Russen im Ausland zur Rechenschaft gezogen werden, zum Beispiel an Botschaften, in Handelsmissionen und in diplomatischen Institutionen und Repräsentanzen.