Studie zu "Kriegsmüdigkeit des Westens": Kreml-Propaganda oder Fakt?

 Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba EU-Außenvertreter Josep Borrell in Kiew (2. Oktober 2023)
Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba EU-Außenvertreter Josep Borrell in Kiew (2. Oktober 2023) Copyright HANDOUT/AFP/Pressedienst des ukrainischen Außenministeriums
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Soziologen haben Moskaus Propagandanarrative zur angeblichen "Kriegsmüdigkeit des Westens" untersucht und welche Wirkung sie auf die öffentliche Meinung in der Ukraine hat.

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Laut einer Umfrage des Kiewer Internationalen Instituts für Soziologie ist der Anteil der Ukrainer, die glauben, dass der Westen der Ukraine überdrüssig ist und Verhandlungen mit Moskau wünscht, deutlich gestiegen: von 15 % im September 2022 auf 30 % im Oktober 2023.

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"Kriegsmüdigkeit des Westens"

Die Soziologen wollten wissen, wie die ukrainische Bevölkerung über eines der wichtigsten Propagandanarrative des Kremls denkt - "die Kriegsmüdigkeit des Westens". die Kremlsprecher Dmitri Peskow nicht müde wird zu zitieren: "Wir haben dies bereits wiederholt gesagt: Wir prognostizieren, dass der Überdruss an diesem Konflikt in verschiedenen Ländern, einschließlich der USA, wachsen wird."

Die Mehrheit der Ukrainerinnen und Ukrainer (mehr als 60%) ist jedoch nach wie vor davon überzeugt, dass die Unterstützung durch die westlichen Länder stark ist. Und nach Ansicht von Expert:innen wie Judy Dempsey von Carnegie Europe wird sie in den kommenden Monaten nicht nachlassen.

"Natürlich möchte Präsident Putin gern, dass dies der Fall ist"

"Natürlich möchte Präsident Putin gern, dass dies der Fall ist. Und er möchte innerhalb der Europäischen Union ein Gefühl des Zögerns oder vielmehr der Kriegsmüdigkeit gegenüber der Ukraine hervorrufen.

Ich bin mir hier in Berlin nicht so sicher, ob dieser Überdruss tief und breit genug verwurzelt ist. Das Gefühl, dass der Krieg lange genug gedauert hat, ist unter den Mitgliedsstaaten vorhanden.

Aber es ist nicht tief genug, um tatsächlich zu diesen Punkt zu führen, an dem die Europäer sagen: Genug ist genug, lasst uns verhandeln."

Laut Dempsey ist die Unterstützung Brüssels für Kiew seit Februar 2022, dem Beginn der russischen Invasion in vollem Umfang, ungebrochen. Die EU ist bereit, Kiew weiterhin finanzielle, politische und militärische Unterstützung zu gewähren. 

Ähnlich schätzt sie auch die US-Bereitschaft zur Fortsetzung der Unterstützung ein. "Präsident Biden hat noch sieben Monate Zeit, um die Ukraine weiter zu unterstützen, und das hat er auch erklärt. Die Vereinigten Staaten versorgen die Ukraine mit einem ernstzunehmenden Waffensystem. Daran wird sich nichts ändern."

"Es lohnt sich, die Ukraine in diesem Konflikt zu unterstützen"

Die Niederlage der Ukraine im Krieg gegen Russland könnte das Sicherheitsgefüge in Europa in Zukunft ernsthaft beeinflussen, warnt Maximilian Hess, Forscher am American Foreign Policy Research Institute und Autor des Buches "Economic War. Ukraine and the Global Conflict between Russia and the West".

"Es geht nicht nur um die zukünftige Sicherheitsordnung Europas und das Potenzial für weitere russische Aggressionen, sondern auch sondern um das wirtschaftliche und politische System, für das die Ukrainer kämpfen, für Reformen, die sie mit ihren europäischen Nachbarn zusammenführen sollen.

Es lohnt sich, die Ukraine in diesem Konflikt zu unterstützen, denn die Alternative, bei der Putin gewinnt und das Land zerstört, wird nicht nur das europäische Sicherheitsparadigma erschüttern, sondern auch das politische und wirtschaftliche Paradigma in ganz Europa und zwischen Europa und dem Westen."

Nach Ansicht des Experten sollten sich die Ukrainer in den kommenden Monaten keine Sorgen machen, dass die Hilfe Europas und der Vereinigten Staaten deutlich reduziert wird oder ganz wegfällt.

"Die EU hat die Unterstützung recht klug verteilt. Aufgrund ihrer Struktur wird sie noch recht lange gewährt werden. In den Vereinigten Staaten wird es noch viele politische Auseinandersetzungen um die Hilfe für die Ukraine geben. Aber zumindest bis zu den Präsidentschaftswahlen, also bis November 2024, wird die Unterstützung bestehen bleiben", glaubt Hess.

Keine baldiges Ende des Konflikts in Sicht

Der Einmarsch der russischen Armee in das Nachbarland begann im Februar 2022. Der Krieg dauert nun schon mehr als eineinhalb Jahre an. Weder Kiew noch Moskau sind bereit, sich an den Verhandlungstisch zu setzen und bestehen auf ihren eigenen Bedingungen.

Der Kreml sagt, dass "die Sonderoperation so lange fortgesetzt wird, bis ihre Ziele erreicht sind".

Die ukrainische Führung hält einen Dialog nicht für möglich, "solange sich Besatzungstruppen auf dem Territorium des Landes befinden."

Европейский парламент 17 октября поддержал инициативу Еврокомиссии по созданию Фонда помощи Украине на сумму 50 миллиардов евро

"_"_"_Wir denken nicht einmal an territoriale Kompromisse. Für die Ukraine gibt es keinen Unterschied zwischen der Region Donezk und der Region Lemberg, der Region Tschernihiw und der Krim, Kiew und Sewastopol", erinnerte Ruslan Stefantschuk, Vorsitzender der Werchowna Rada, auf der internationalen Konferenz "Crimea Global. Die Ukraine durch den Süden verstehen".

"Zum jetzigen Zeitpunkt sehe ich keine Möglichkeit, diesen Krieg zu beenden", sagte Judy Dempsey. 

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"Die Ukrainer sind nicht bereit, über ein Friedensabkommen zu verhandeln, bei dem die Wahrung der territorialen Integrität des Landes nicht berücksichtigt wird, und aus dem Kreml ist zu hören, dass auch dort kein Dialog gewünscht wird. 

Es stellt sich die Frage: Wenn keine der beiden Seiten zu Verhandlungen bereit ist, wenn sich der Krieg hinzieht und immer mehr Menschen sterben, sollte es dann einen Vermittler geben, der die beiden Seiten wirklich zusammenbringt? Aber im Moment gibt es keinen Vermittler."

Frieden könne nur erreicht werden, wenn die Machthaber in Russland den Krieg nicht mehr fortsetzen könnten, meint Maximilian Hess.

"Meiner Meinung nach gibt es keine Möglichkeit, den Krieg in naher Zukunft zu beenden, weil Wladimir Putin kein Interesse daran zeigt. Es war der Kreml, der 2014 diesen Konflikt begonnen hat, der sich 2022 zu einem ausgewachsenen Krieg ausweitete. Frieden ist erst möglich, wenn der Kreml nicht mehr kämpfen kann oder will", glaubt Hess.

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