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Prozess in Magdeburg: Angeklagter nutzt Medienrummel beim Prozess-Auftakt

Der Angeklagte Taleb Al Abdulmohsen
Der Angeklagte Taleb Al Abdulmohsen Copyright  (c) Copyright 2025, dpa (www.dpa.de). Alle Rechte vorbehalten
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Von Sonja Issel
Zuerst veröffentlicht am Zuletzt aktualisiert
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Unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen hat in Magdeburg der Prozess gegen Taleb Al Abdulmohsen begonnen. Der Mann soll im Dezember 2024 mit einem Auto in den Magdeburger Weihnachtsmarkt gerast sein.

Unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen hat in Magdeburg der Prozess über den Anschlag auf den Weihnachtsmarkt begonnen. Gegen 9:30 Uhr wurde das Verfahren offiziell eröffnet - es dürfte sich über mehrere Monate hinziehen.

Der Angeklagte, Taleb Al Abdulmohsen, sichtlich gealtert, nahm in einem gesicherten Glaskasten Platz. Mit ihm im Container sitzen Justizbeamte, maskiert und in schusssicheren Westen. Laut MDR verfolgen rund 80 Anwälte und Nebenkläger das Verfahren. Als Al Abdulmohsen in den Saal geführt wurde, brachen zwei Frauen der Nebenklage in Tränen aus. Beobachter berichten, der Saal sei ansonsten „erstaunlich leer“ geblieben.

Gut eine Stunde nach Prozessbeginn hat die Staatsanwaltschaft damit begonnen, zu verlesen. Sie umfasst über 200 Seiten.

Angeklagter nutzt Medienrummel

Während Fotografen und Kamerateams Aufnahmen machten, nutzte Taleb Al Abdulmohsen die Aufmerksamkeit für eigene Botschaften: Noch vor Prozessbeginn hielt er in seinem Glaskasten einen Laptop in die Höhe, auf dessen Bildschirm wechselnde Begriffe erschienen - darunter "Sept. 2026", möglicherweise eine Anspielung auf die Landtagswahl im kommenden Jahr. Die Bedeutung weiterer Botschaften blieb zunächst unklar. Auch nach Prozessbeginn setzte der Angeklagte seine Gesten fort.

Der Angeklagte Taleb Al Abdulmohsen zeigt Botschaften auf seinem Laptop - was genau der damit meint, ist jedoch nicht klar
Der Angeklagte Taleb Al Abdulmohsen zeigt Botschaften auf seinem Laptop - was genau der damit meint, ist jedoch nicht klar (c) Copyright 2025, dpa (www.dpa.de). Alle Rechte vorbehalten

Der Rechtsanwalt des Angeklagten hatte zwischenzeitlich gefordert, dass der Angeklagte den Glascontainer verlassen solle. Er würde der Welt darin wie ein Tier präsentiert werden. Zudem sei es durch die eingebaute Lüftung nicht möglich, dass sich Anwalt und Angeklagter richtig verständigen können.

Das Gericht lehnte den Antrag ab und verwies auf die Gefahr von Übergriffen, besonders in Form von Racheakten. Der Glascontainer diene zum Schutz des Angeklagten und seinen Verteidigern.

Erhöhte Sicherheitsvorkehrungen

Der Angeklagte war am Morgen per Hubschrauber nach Magdeburg gebracht und in einer Fahrzeugkolonne zum Gericht eskortiert worden.

Kurz vor Beginn des Prozesses blieb es rund um das Gerichtsgebäude in Magdeburg überraschend ruhig. Laut MDR-Reportern bildeten sich keine langen Schlangen an den Sicherheitskontrollen. Die Polizei hatte das Gelände weiträumig abgesperrt.

Das gesamte Gelände rund um das Gerichtsgebäude ist am Tag des Prozess-Beginns besonders gut gesichert
Das gesamte Gelände rund um das Gerichtsgebäude ist am Tag des Prozess-Beginns besonders gut gesichert (c) Copyright 2025, dpa (www.dpa.de). Alle Rechte vorbehalten

Für das Verfahren wurde eigens ein temporäres Gerichtsgebäude errichtet. Der Komplex umfasst rund 4.700 Quadratmeter, der eigentliche Saal misst etwa 2.000 Quadratmeter und bietet Platz für bis zu 700 Personen. Nach Angaben des Landgerichts erfüllt der Bau höchste Sicherheitsstandards - mit Zugangsschleusen, Kontrollpunkten und einem abgeschirmten Bereich für den Angeklagten. Für Medienvertreter und Nebenkläger sind separate Zonen vorgesehen.

Hintergrund

Taleb Al Abdulmohsen soll am 20. Dezember 2024 über den Magdeburger Weihnachtsmarkt gerast sein. 64 Sekunden lang fuhr er in Schlangenlinien durch die Menschenmenge - laut Anklage mit bis zu 48 Kilometern pro Stunde.

Der Mann arbeitete als Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie in der Salus-Klinik in Bernburg (Sachsen-Anhalt), wo er im Maßregelvollzug für suchtkranke Menschen tätig war. Seit 2020 war er dort beschäftigt, zuletzt jedoch krankgeschrieben.

Nach Recherchen mehrerer Medien und der laufenden politischen Aufarbeitung des Falls zeichnen sich Hinweise ab, dass Al Abdulmohsen mehrere Feindbilder entwickelt hatte. In sozialen Netzwerken äußerte er sich als scharfer Kritiker des Islams und Saudi-Arabiens, griff aber auch die Säkulare Flüchtlingshilfe in Köln sowie den deutschen Staat an.

Das Nachrichtenmagazin Der Spiegel berichtete unter Berufung auf Ermittlerkreise, Taleb Al Abdulmohsen habe demnach "überwiegend aus persönlichen Motiven" gehandelt.

Zudem soll der Angeklagte nach Informationen der Volksstimme einen achtseitigen Brief an die Staatsanwaltschaft geschickt haben, in dem er den Anschlag rechtfertigte und neue Drohungen formulierte. Darin habe er laut dem Bericht erklärt, er würde "den Weihnachtsmarkt erneut angreifen", wenn er die Möglichkeit dazu hätte. Ein Handschriftenvergleich bestätigte demnach die Echtheit des Schreibens.

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