Hunderte Haftbefehle, Dutzende Festnahmen und Sicherheitswarnungen: Die Behörden haben auf Hinweise auf mögliche Anschläge rund um Weihnachten und Neujahr reagiert.
Im Rahmen von Ermittlungen der Istanbuler Generalstaatsanwaltschaft wegen möglicher Anschläge auf Weihnachts- und Neujahrsveranstaltungen ist am Donnerstag eine groß angelegte Operation gegen den sogenannten Islamischer Staat im Irak und in der Levante (ISIL) durchgeführt worden.
Die Staatsanwaltschaft teilte mit, dass zeitgleiche Razzien gegen Verdächtige erfolgt seien, die mutmaßlich Anschläge im Sinne von Aufrufen der Organisation vorbereitet hätten. Gegen 137 Personen seien im Zuge der Ermittlungen Haftbefehle erlassen worden. Bei Einsätzen an 124 Adressen in ganz Istanbul wurden demnach 115 Verdächtige festgenommen.
Bei den Durchsuchungen stellten die Sicherheitskräfte Pistolen, Munition sowie zahlreiche organisationsbezogene Unterlagen sicher. In der Erklärung der Generalstaatsanwaltschaft hieß es weiter, die Verdächtigen hätten zu Aktionen insbesondere gegen Nicht-Muslime in der bevorstehenden Weihnachts- und Neujahrszeit aufgerufen. Einige von ihnen sollen Verbindungen zu Konfliktgebieten gehabt haben, gegen andere hätten bereits nationale und internationale Haftbefehle wegen terroristischer Straftaten vorgelegen.
Die Fahndung nach den noch flüchtigen Verdächtigen dauere an.
In einer schriftlichen Erklärung der Istanbuler Generalstaatsanwaltschaft hieß es, die Maßnahmen seien auf Anweisung der Abteilung für terroristische Straftaten und unter Beteiligung der Anti-Terror-Einheiten der Sicherheitsdirektion durchgeführt worden. Weitere Informationen würden zu einem späteren Zeitpunkt bekannt gegeben.
Ermittlungen zur Finanzierung des IS
Auch die Generalstaatsanwaltschaft Ankara leitete Ermittlungen ein. Dort wurden im Rahmen einer Untersuchung zur Finanzstruktur der IS-Organisation Haftbefehle gegen zehn Verdächtige erlassen.
Wie die Demirören News Agency (DHA) berichtete, stützten sich die Ermittlungen auf Berichte der Finanzaufsichtsbehörde MASAK sowie auf Auswertungen sozialer Medien. Den Verdächtigen wird vorgeworfen, Mitglieder der Organisation und deren Familien in syrischen Konfliktgebieten über Bankkonten finanziell unterstützt zu haben – unter Verwendungszwecken wie "Infak", "Aufruf zur Einheit", "Sühne" oder "Hilfe für gefangene Schwestern".
Die Anti-Terror-Abteilung der Sicherheitsdirektion Ankara leitete daraufhin eine Operation ein, um die mutmaßlich an der Terrorismusfinanzierung beteiligten Personen festzunehmen.
Sicherheitswarnungen vor Silvester
Zudem hatte das Gendarmeriekommando der Provinz Ankara seine Einheiten in einem Schreiben vom 19. Dezember vor möglichen Anschlägen vor dem Jahreswechsel in Ankara und Istanbul gewarnt. Demnach habe es Hinweise auf Pläne für zeitgleiche Angriffe in stark frequentierten Bereichen gegeben, insbesondere in Einkaufszentren und auf öffentlichen Märkten.
In dem Schreiben wurde auch auf verschiedene mögliche Vorgehensweisen hingewiesen, darunter bewaffnete Angriffe, Selbstmordanschläge, Autobomben, Drohnenattacken oder gezielte Fahrten mit Fahrzeugen in Menschenmengen.
Frühere IS-Anschläge in der Türkei
Der IS hatte in der Vergangenheit zahlreiche Anschläge in der Türkei verübt. Am 10. Oktober 2015 töteten Selbstmordattentäter bei einem Angriff auf eine Friedenskundgebung in Ankara 103 Menschen. Später wurde bekannt, dass Sicherheitsbehörden vor dem Anschlag gewarnt worden waren; die juristische Aufarbeitung dauert bis heute an.
In der Silvesternacht 2017 wurden bei einem bewaffneten Angriff auf den Nachtclub Reina in Istanbul 39 Menschen getötet. Zudem kamen in denselben Jahren Hunderte Zivilisten bei Anschlägen auf den Atatürk-Flughafen, in Suruç und in Diyarbakır ums Leben.