In den christlichen Dörfern der Provinz Idlib ist die Weihnachtsbeleuchtung zurückgekehrt, und es finden die ersten öffentlichen Feiern seit Jahrzehnten statt. Die Atmosphäre spiegelt einen tiefgreifenden Wandel in der syrischen Landschaft wider.
Am Mittwoch haben die Syrer zum zweiten Mal seit dem Sturz des Regimes von Baschar al-Assad am 8. Dezember 2024 das Weihnachtsfest gefeiert. Die Stimmung schwankte dabei zwischen vorsichtiger Aufbruchstimmung im Norden des Landes und festlicher Vorfreude in der Hauptstadt Damaskus.
In der Provinz Idlib, die bis vor Kurzem unter der Kontrolle der ehemaligen al-Nusra-Front stand, kam es im Gegensatz zu den Vorjahren zu öffentlichen Weihnachtsfeiern.
In den christlichen Dörfern al-Qunya, al-Yaqoubia und al-Jadida, deren Bewohner in den vergangenen Jahren aus ihren Häusern vertrieben worden waren, beschränkten sich die Feierlichkeiten nach Angaben lokaler Quellen damals aufgrund der Sicherheitslage und sozialer Spannungen auf Gebete; öffentliche Festlichkeiten fanden nicht statt.
Inzwischen kehren viele christliche Familien in ihre Häuser zurück. Straßen sind erneut mit Lichtern und Dekorationen geschmückt, und die Gottesdienste finden in einer festlichen Atmosphäre statt – getragen von der symbolischen Bedeutung, die das Weihnachtsfest für diese Bevölkerungsgruppe in Syrien hat.
Diese Veränderungen spiegeln die sich wandelnde soziale und politische Lage des Landes wider, seit Interimspräsident Ahmad al-Sharaa in Damaskus die Macht übernommen hat und neue Ansätze in der Verwaltung öffentlicher Angelegenheiten verfolgt werden.
Latakia: Dekorationen und Menschenmassen in Scharen
In Latakia, insbesondere im sogenannten amerikanischen Viertel im Stadtzentrum, wurde das Weihnachtsfest in diesem Jahr auffallend öffentlich gefeiert. Zahlreiche Dekorationen, Lichterinstallationen und organisierte Veranstaltungen prägten das Straßenbild.
Auf den Straßen versammelten sich große Menschenmengen. Beobachter werten dies als Ausdruck des Wunsches vieler Bewohner, die Freude an den Feiertagen zurückzugewinnen – und sich dabei bewusst von der Zurückhaltung zu lösen, die in anderen Regionen des Landes weiterhin vorherrscht.
Wie sieht Weihnachten in Aleppo und Homs aus?
In Aleppo, einer Stadt, die ihre religiösen Festtraditionen auch während der Kriegsjahre bewahrt hat, wird Weihnachten in diesem Jahr wieder sichtbar – und farbenfroher als zuletzt. Kathedralen in den Vierteln al-Aziziyeh und al-Jadida sind mit traditionellen Dekorationen geschmückt.
In Homs, wo das öffentliche Leben allmählich zur Normalität zurückkehrt, feierten die Bewohner in Vierteln wie al-Hamidiya sowie in den Dörfern Wadi al-Nasara und al-Qusayr. Die Aktivitäten verbanden Tradition mit schlichter Gestaltung. Dazu gehörten das Singen von Weihnachtsliedern durch Kinder, das Schmücken von Straßen und das Aufstellen beleuchteter Weihnachtsbäume in verschiedenen Stadtteilen.
Feierlichkeiten im Herzen von Damaskus
In der Hauptstadt Damaskus konzentrierten sich die Feierlichkeiten auf die christlichen Viertel Bab Sharqi und Bab Touma. Die Dekorationen fielen jedoch zurückhaltender aus als in früheren Jahren. Auch im Viertel Qassaa blieben viele Geschäfte still – anders als sonst, als Fassaden üblicherweise in Rot und Gold erleuchtet wurden. In diesem Jahr beschränkte sich der Schmuck auf symbolische Akzente.
Die Veranstaltungen wurden von strengen Sicherheitsmaßnahmen begleitet. Straßen in Richtung Bab Sharqi und Bab Touma wurden für den Fahrzeugverkehr gesperrt. Sicherheitskreise erklärten gegenüber Euronews, dies diene dem Schutz der Feiernden.
Der Junge Jad sagte Euronews: „Die Atmosphäre ist gut, aber es fehlen die vielen Dekorationen, Lichter und Bäume, die wir früher gesehen haben.“ Yaman, als Weihnachtsmann verkleidet, ergänzte: „Die Menschen beginnen allmählich, ihre Häuser zu schmücken. Ich gehe auf die Straße, um zu zeigen, dass der Geist von Weihnachten noch lebt.“
Vorsichtige Freude
Gesprächspartner, die aus Sicherheitsgründen anonym bleiben wollten, sagten Euronews, viele Christen seien weiterhin von Angst und Sorge geprägt – unter anderem wegen früherer Drohungen gegen Kirchen, der Zerstörung von Marienstatuen in einem Gotteshaus sowie sektiererischer Inhalte in sozialen Medien. Dies habe viele Familien dazu veranlasst, die Feierlichkeiten bewusst zu reduzieren.
Andere Quellen verwiesen darauf, dass die Zurückhaltung auch mit der anhaltenden Trauer nach dem Bombenanschlag auf die Mar-Elias-Kirche im Stadtteil Duwaila Ende Juni zusammenhänge, bei dem mehr als 25 Menschen getötet und Dutzende verletzt worden waren. Weihnachten sei nicht abgesagt worden, sondern „in kollektiver Stille“ begangen worden – als Zeichen der Solidarität und des Gedenkens.
Lamees Abu Adel sagte Euronews, viele Besucher seien eigens von außerhalb nach Damaskus zurückgekehrt, um an den Feierlichkeiten teilzunehmen. Die Sicherheitsvorkehrungen seien streng gewesen, der Bab-Sharqi-Joy-Chor habe einen besonderen Abend gestaltet, die Atmosphäre insgesamt sei „fröhlich und erhebend“ gewesen. Auch Charbel Absi erklärte, die Viertel Bab Touma und Bab Sharqi seien in diesem Jahr „auf bemerkenswerte Weise geschmückt“ gewesen, die Besucherzahlen hätten nicht abgenommen.
Dutzende Syrer demonstrierten friedlich aus christlichen Vierteln in Damaskus. Sie forderten den Schutz heiliger Stätten sowie die Unverletzlichkeit religiöser Symbole.
Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete zu dem Vorfall, bei den Tätern habe es sich um ausländische Kämpfer der Gruppierung Ansar al-Tawhid gehandelt.
Die islamistische Gruppierung Haiʾat Tahrir al-Sham reagierte rasch: In einem Video trat ein lokaler Vertreter gemeinsam mit christlichen Geistlichen auf und bestritt, dass es sich bei den Tätern um Syrer gehandelt habe. Er versicherte, die Verantwortlichen würden „zur Rechenschaft gezogen“, und kündigte an, den beschädigten Weihnachtsbaum neu zu schmücken und am folgenden Tag erneut zu entzünden.