NATO-Generalsekretär Mark Rutte sieht kaum Zeit zur Vorbereitung: Bereits 2027 könne die Lage ernst werden. Europa müsse schneller aufrüsten - und von Alleingängen absehen.
NATO-Generalsekretär Mark Rutte hat sich gegen Überlegungen zu einer eigenständigen europäischen Sicherheitsarchitektur ohne die Vereinigten Staaten ausgesprochen und betont, weiterhin fest auf das Engagement der USA im Verteidigungsbündnis zu vertrauen.
Zuvor hatte der CSU-Politiker und EVP-Präsident Manfred Weber gefordert, Europa müsse deutlich mehr Verantwortung übernehmen. Deutsche Soldaten sollten demnach unter europäischer Führung zur Absicherung eines Friedens in der Ukraine eingesetzt werden. "Ich wünsche mir Soldaten mit der europäischen Flagge auf der Uniform, die gemeinsam mit unseren ukrainischen Freunden den Frieden sichern", sagte Weber der Funke-Mediengruppe.
Rutte widersprach dieser Forderung. In einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur erteilte er EU-geführten Truppen zur Friedenssicherung in der Ukraine eine Absage und stellte klar, dass Sicherheit in Europa weiterhin nur im transatlantischen Rahmen gewährleistet werden könne.
Europa und USA arbeiten laut Rutte in der NATO zusammen
Zur nach der Rede des US-Vizepräsidenten JD Vance in München diskutierten Gefahr, dass sich die USA unter Donald Trump nicht mehr genügend für die NATO engagieren könnten, erklärte Rutte, er sei kaum besorgt. Die USA hätten "eigene sehr konkrete Interessen in der NATO". Denn: "Die Arktis ist ein großes Thema. Wir sehen chinesische und russische Schiffe, die dort unterwegs sind. Und wir können die Arktis nur gemeinsam verteidigen – europäische und amerikanische Nato-Verbündete zusammen."
Auch der Nordatlantik sei wichtig für die USA: "Um den Nordatlantik sicher zu halten, brauchen die USA eine starke europäische Seite der Nato. Wir sitzen da alle im selben Boot - nicht nur aus historischen, sondern auch aus praktischen Gründen."
Eindringliche Warnung
In dem zweiten Weihnachtsfeiertag veröffentlichten Interview warnte Rutte zugleich eindringlich vor der Gefahr eines möglichen russischen Angriffs auf das NATO-Bündnis.
In seinem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa wollte der Niederländer - kurz nach seinem Treffen mit Bundeskanzler Friedrich Merz - nicht darüber mutmaßen, welches NATO-Land der russische Präsident Wladimir Putin als nächstes ins Visier nehmen könnte.
Rutte sagte: "Ich werde nicht spekulieren, wo und wann und wie genau. Am Ende gilt: Wenn es einen Angriff auf die Nato gibt, dann sind wir alle angegriffen - weil das ist Artikel 5. Das heißt: Ein Angriff auf einen ist ein Angriff auf alle."
Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius hatte vor wenigen Tagen erklärt, Putin teste die NATO, es gehe dem russischen Präsidenten aber "nicht um einen Full-Scale-Krieg".
Sowohl Rutte als auch Pistorius plädieren dafür, die Verteidigungsanstrengungen der NATO schnell zu verbessern.
Auf die Frage, wie viel Zeit bleibe, um sich vorzubereiten, antwortete Rutte: "Manche Nachrichtendienste sagen 2027, andere 2029, 2031. Aber selbst 2031 ist morgen - 2029 ist heute Nachmittag, 2027 ist jetzt. Das heißt: Wir müssen die Verteidigungsausgaben wirklich hochfahren, so wie wir es in Den Haag beschlossen haben und begreifen, dass die Beschlüsse bei Weitem nicht ausreichen würden, wenn die Ukraine verlieren würde."
Lob für Deutschland
Der NATO-Generalsekretär unterstrich, wie wichtig bei den Friedensverhandlungen zur Beendigung des Ukraine-Kriegs die Zusagen an Kyjiw sind: "Wir brauchen sehr starke Sicherheitsgarantien für die Ukraine. Damit Putin weiß: Wenn ich es noch einmal versuche, wird die Reaktion verheerend sein."
Rutte lobte die Verteidigungsausgaben und die Zusagen Deutschlands an die Ukraine als "wirklich beeindruckend". Er sagte: "Natürlich liegen Polen und die baltischen Republiken bei den Verteidigungsausgaben (nach BIP) weiterhin sehr weit vorn, aber dann kommen die Deutschen unmittelbar dahinter. Und beim insgesamt ausgegebenen Geld sind sie - außerhalb der USA - ganz klar Nummer eins. Hier geht Deutschland voran. Und das ist entscheidend, weil es die größte Volkswirtschaft Europas ist. Ohne Deutschland geht das nicht. Sie müssen diese Führungsrolle gegenüber den anderen zeigen - und sie tun es."