Verdächtige Geldflüsse, internationale Strohmänner und mutmaßliche Tarnorganisationen: Italienische Behörden haben ein komplexes Netzwerk aufgedeckt, über das Millionenbeträge aus Europa an die Hamas geflossen sein sollen.
Die italienischen Behörden haben eine von der Anti-Mafia-Direktion Genua koordinierte Großoperation gegen eine mutmaßliche Terrorzelle mit Verbindungen zur Hamas durchgeführt. Staatspolizei und Guardia di Finanza ergriffen Maßnahmen gegen neun Verdächtige, für die Untersuchungshaft angeordnet wurde. Zudem wurden Vermögenswerte im Wert von mehr als acht Millionen Euro beschlagnahmt.
Die Ermittlungen waren nach Hinweisen auf verdächtige Finanztransaktionen aufgenommen worden und deckten ein komplexes System internationaler Währungs- und Dreiecksgeschäfte auf.
Den Verdächtigen wird vorgeworfen, Teil der Hamas zu sein und die Organisation aktiv finanziell unterstützt zu haben. Nach Erkenntnissen der Ermittler dienten die gesammelten Gelder nicht ausschließlich humanitären Zwecken, sondern flossen in die Unterstützung krimineller Aktivitäten der Bewegung, einschließlich Angriffen auf Zivilisten. Schätzungsweise sieben Millionen Euro sollen nach Gaza und in andere palästinensische Gebiete überwiesen worden sein, um die bewaffnete Strategie der Gruppe zu fördern.
Wer sind die Verdächtigen?
Im Zentrum der Ermittlungen stehen mehrere Organisationen, darunter die in Genua ansässige Benefizielle Vereinigung der Solidarität mit dem palästinensischen Volk (ABSPP). Mohammad Hannoun, der als führender Kopf der italienischen Zelle gilt, soll die Spendensammlung gesteuert und mehr als 71 Prozent der Gelder an Organisationen weitergeleitet haben, die direkt vom militärischen Flügel der Hamas kontrolliert werden. Um internationale Bankkontrollen zu umgehen, sollen die Verdächtigen zudem neue Strukturen unter anderem unter dem Namen "The Golden Dome" gegründet haben.
Die Ermittlungen, die nach dem Angriff vom 7. Oktober 2023 intensiviert wurden, erfolgten in Zusammenarbeit mit Behörden in den Niederlanden und Israel. Dadurch konnten Finanzströme überwacht und Kommunikationsinhalte ausgewertet werden. Zu den mutmaßlichen Empfängern der Gelder zählt auch Osama Alisawi, ehemaliger Minister der Hamas-Regierung im Gazastreifen. Zudem sollen Mittel an Familien von Attentätern geflossen sein, um die logistische und ideologische Kontinuität der Organisation zu sichern.
Telefonüberwachungen und die Auswertung sichergestellter Server in Genua förderten Dokumente zutage, die von militärischer Ausbildung junger Rekruten sowie von der Verherrlichung sogenannter "Märtyrer" berichten. Auf beschlagnahmten Fotos seien einige Verdächtige in Kampfausrüstung an der Seite der Al-Qassam-Brigaden zu sehen. Diese Erkenntnisse belegten, so die Staatsanwaltschaft, eine klare ideologische Bindung an das terroristische Programm und eine fortlaufende Koordination mit einem europaweit agierenden Netzwerk.
In einer Stellungnahme betonte die italienische Staatspolizei, die Ermittlungen relativierten in keiner Weise mögliche Verbrechen, die im Zuge der israelischen Militäroperationen nach dem 7. Oktober 2023 begangen worden seien und die einer Bewertung durch den Internationalen Strafgerichtshof unterlägen. Zugleich könnten solche Vorwürfe jedoch weder Terrorakte der Hamas rechtfertigen noch als mildernde Umstände dienen.
Abschließend heißt es, terroristische Handlungen stellten nach gefestigter Rechtsprechung Gewaltakte gegen die Zivilbevölkerung dar – unabhängig davon, ob sie im Kontext bewaffneter Konflikte oder in völkerrechtlich umstrittenen Gebieten begangen würden.