Nach Mitternacht haben die Notaufnahmen jedes Jahr alle Hände voll zu tun. Die Verletzungen, mit denen die Menschen zu ihnen kommen, sind alles andere als unkompliziert.
Am Montagmorgen geht es los: Pyrotechnik für Silvester darf verkauft werden. Auch Onlineshops dürfen vorab bestellte Böllerware an den letzten drei Werktagen des Jahres an die Haustüren liefern.
Nach dem vergangenen Silvester ist die Debatte über ein Böllerverbot in Deutschland aufgrund schwerer Vorfälle mit sogenannten Kugelbomben erneut aufgeflammt. Diese sind wegen ihrer hohen Explosionskraft hierzulande nicht für den allgemeinen Gebrauch zugelassen. Rund um den Jahreswechsel kamen fünf Männer bei Unfällen mit Feuerwerkskörpern ums Leben, zudem kam es zu Angriffen auf Einsatzkräfte. Die Todesfälle waren neben Kugelbomben auf illegale bzw. selbstgebaute Explosivkörper zurückzuführen, darunter "pyrotechnische Bomben" und Rohrbomben.
Abgerissene Finger oder Hände, schwerste Verbrennungen im Gesicht, zerstörte Augen – Verletzungen, die Ärzte in der Silvesternacht behandeln, kennt man hierzulande normalerweise nur aus der Kriegschirurgie. "Es sind Verletzungen, wie sie an der Front in der Ukraine passieren. Wir wissen, wie sie aussehen, da wir hier ukrainische Soldaten interdisziplinär versorgen", sagte Professor Adrian Dragu, Direktor der Abteilung für Plastische und Handchirurgie am Universitätsklinikum Dresden, der Deutschen Presseagentur (dpa).
Komplexe chirurgische Techniken sind notwendig, um manche Verletzungen zu behandeln.
Vor allem alkoholisierte Männer unter 25 Jahren sind betroffen. Auch Kinder leiden, zum Beispiel wenn sie in den Tagen nach dem Jahreswechsel mit Blindgängern spielen.
Finger ab? Keinesfalls auf Eis transportieren
Dem Dresdner Handchirurgen Dragu zufolge ist es nach einem Unfall mit Pyrotechnik entscheidend, schnell und strukturiert zu handeln. Besonders bei alkoholisierten Patienten sei dies oft schwierig. Zeugen sollten bei leichten Verletzungen Erste-Hilfe-Maßnahmen wie die stabile Seitenlage durchführen. In schweren Fällen müsse der Betroffene jedoch sofort ins Krankenhaus gebracht werden. Dragu rät, abgetrennte Finger in sterilen Tüten gekühlt zu transportieren – keinesfalls auf Eis, da ein tiefgefrorener Finger biologisch zerstört werde.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hat sich aktuell für weitergehende Böllerverbote und zusätzliche Schutzzonen in Städten ausgesprochen. Eine solche Regelung würde Silvester sicherer machen, erklärte Jochen Kopelke, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Die Innenminister von Bund und Ländern konnten sich zuletzt jedoch nicht auf ein Verbot privaten Feuerwerks verständigen.
Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, hat nachdrücklich ein Verbot privater Feuerwerke verlangt. "Niemand hat etwas gegen organisierte Feuerwerke an zentralen Plätzen, doch die wilde Böllerei muss untersagt werden", sagte Reinhardt dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
Der Bundesverband für Pyrotechnik und Kunstfeuerwerk (bvpk) lehnt Forderungen nach einem generellen Böllerverbot ab. Schwere Unfälle mit Pyrotechnik kämen nach Angaben des Verbands "praktisch ausschließlich durch illegales Feuerwerk" zustande, so der Bundesgeschäftsführer Christoph Kröpl. Im Gegensatz dazu sei legal verkauftes Silvesterfeuerwerk "streng geprüft und in Größe und Wirkung stark limitiert".
Dass auch legale Böller Schäden anrichten, hat ein junger Mann aus Berlin erfahren müssen: Er ist seit dem Jahreswechsel 2023 auf einem Auge blind. Auf das Böllern möchte er trotzdem nicht verzichten.