Seit zehn Tagen ist der Tanker "Bella 1" im Atlantik vor der US-Küstenwache auf der Flucht. Nun hat die Besatzung eine russische Flagge an die Bordwand gemalt, in der Hoffnung, dadurch besser geschützt vor einer Beschlagnahmung zu sein.
Am 21. Dezember wurde der Tanker "Bella 1", der mit iranischem Ölhandel in Verbindung stehen soll, in der Nähe von Venezuela von der US-Küstenwache gestoppt und dann sofort in den offenen Atlantik abgedrängt. Die Crew verweigerte einen Abfangversuch und Zugang an Bord.
Seitdem verfolgt die Küstenwache den Tanker. Dieser steht unter US-Sanktionen, weil er iranisches Öl transportiert haben soll, und ist zurzeit vermutlich leer. Nach Angaben der USA war er auf dem Weg nach Venezuela, um venezolanisches Öl zu transportieren.
Russische Flagge auf das Schiff aufgemalt
Das Schiff fuhr ohne Flagge, weshalb es nach internationalem Recht einer Inspektion durch die Küstenwache unterliegt, sagten US-Beamte. Nun hat die Crew eine russische Flagge auf das Schiff aufgemalt und behauptet Berichten der New York Times zufolge, unter russischer Flagge zu fahren. Sie beansprucht damit also russischen Schutz. Das macht die Operation der US-Küstenwache zur Beschlagnahmung der "Bella 1" komplizierter, wie US-Beamte am Dienstag mitteilten.
Die US-Regierung hatte aufgrund der Vorgeschichte des Tankers eine gerichtliche Anordnung zur Beschlagnahmung erwirkt, doch die Flagge erschwert die Durchsetzung nach dem Seerecht. Die Küstenwache verfolgt den Tanker aus einer Entfernung von etwa 800 Metern, während die Regierung in Washington den rechtlichen Status des Schiffes auf diplomatischem Wege klärt.
Das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen erlaubt es Behörden, Schiffe zu entern, die unter falscher Flagge fahren oder ohne gültige Registrierung operieren. Wenn Russland die "Bella 1" offiziell registriert hätte, könnte eine gewaltsame Enterung zu diplomatischen Spannungen führen.
Das US-Finanzministerium verhängte 2024 Sanktionen gegen den Tanker, weil er angeblich iranisches Öl im Auftrag der Hisbollah, der Huthi-Miliz im Jemen und der iranischen Revolutionsgarde transportiert hatte.
Eigentümer des Schiffes ist das in der Türkei ansässige Unternehmen Louis Marine Shipholding Enterprises. Die meisten Besatzungsmitglieder stammen aus Russland, Indien und der Ukraine, wie ein Beamter mitteilte.
Ziel Curaçao - dann abrupter Kurswechsel
Laut dem Analyseunternehmen Kepler zeigt die Seeroutenverfolgung, dass die "Bella 1" im September auf der Insel Kharg iranisches Rohöl geladen hat, bevor sie ihren Ortungstransponder in der Nähe der Straße von Hormus deaktivierte.
Das Schiff blieb zwei Monate lang unentdeckt. Als die Signale wieder aufgenommen wurden, war der Tanker leer, was darauf hindeutet, dass er seine Ladung auf See auf andere Schiffe umgeladen hat.
Die "Bella 1" überquerte Anfang Dezember den Atlantik und gab zunächst Curaçao als Zielort an. Nachdem die US-Streitkräfte am 10. Dezember einen weiteren Tanker beschlagnahmt hatten, änderte sie abrupt ihren Kurs.
Der Transponder des Tankers ist US-Medienberichten zufolge seit dem 17. Dezember ausgeschaltet. Aufgrund seiner nordwestlichen Route gehen die Behörden davon aus, dass er möglicherweise in Richtung Island oder Grönland unterwegs ist. Der New York Times zufolge ist "Bella 1" Teil der „Geisterflotte“ und hat eine Rolle bei der Verschiffung von Öl aus dem Iran, Russland und Venezuela gespielt.
Das „Wall Street Journal“ berichtete, die US-Küstenwache und das Militär stellten derzeit ein maritimes Spezialteam und Waffen zusammen, um das Schiff zu stürmen. Präsident Donald Trump erklärte am Montag, die Behörden würden den Tanker kapern. „Wir werden ihn am Ende bekommen“, sagte er Reportern in Florida.
Die Verfolgung ist die dritte Operation dieser Art in diesem Monat. Die US-Küstenwache hat zwei weitere Tanker mit venezolanischem Rohöl erfolgreich abgefangen und beide nach Texas eskortiert.
Im Visier: Tanker und Drogenschiffe
Die USA haben ihre größte militärische Präsenz in der Region seit Jahrzehnten aufgebaut und Angriffe gegen mutmaßliche Drogenhandelsschiffe in der Karibik und im östlichen Pazifik durchgeführt.
Trump ordnete am 17. Dezember eine vollständige Blockade gegen sanktionierte Tanker an, die mit Venezuela Handel treiben, um Präsident Nicolás Maduro die wichtigste Einnahmequelle zu nehmen. Das venezolanische Regime bezeichnete er als „ausländische Terrororganisation“. Trump verlangt von Venezuela, "das gesamte Öl, Land und andere Vermögenswerte, die sie uns zuvor gestohlen haben", zurückzugeben.
Die venezolanische Regierung bezeichnete die Beschlagnahmungen als Piraterie.
Russland nutzt seit seinem Angriff auf die Ukraine Anfang 2022 eine eigene Schattenflotte von Schiffen, die undurchsichtige Eigentumsverhältnisse, Billigflaggen und unregelmäßige Versandpraktiken nutzen, um russisches Öl zu transportieren und westliche Sanktionen zu umgehen. Die Flotte aus Hunderten oft alternder Schiffe ist für Russland von entscheidender Bedeutung, um weiterhin Öl exportieren und seine Kriegsanstrengungen finanzieren zu können.