Indem sie die Bedingungen der mütterlichen Gebärmutter nachbilden, wollen die Ärzte die Entwicklung des Fötus verlängern und seine langfristige Gesundheit verbessern.
Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zählen Frühgeburten weltweit zu den häufigsten Ursachen für den Tod von Neugeborenen. Um die Überlebenschancen extrem früh geborener Babys deutlich zu verbessern, arbeiten Ärztinnen und Ärzte derzeit an der Entwicklung einer künstlichen Gebärmutter.
Diese soll die Bedingungen im Körper der Mutter möglichst realistisch nachbilden und insbesondere Säuglingen helfen, die zwischen der 24. und 28. Schwangerschaftswoche geboren werden. Babys, die so früh zur Welt kommen, sind erheblichen und oft lebensbedrohlichen Risiken ausgesetzt, da viele ihrer Organe noch nicht vollständig entwickelt sind. Sie haben ein erhöhtes Sterberisiko durch Komplikationen wie Atemprobleme, Schwierigkeiten bei der Nahrungsaufnahme, eine unzureichende Regulierung der Körpertemperatur sowie wiederkehrende Infektionen.
In Europa werden laut Europäischer Kommission jedes Jahr rund 500.000 Kinder zu früh geboren. Aufgrund geringer Nährstoffreserven und eines unreifen Körpersystems steigt bei Frühgeborenen das Risiko für Unterernährung, Infektionen und langfristige Entwicklungsstörungen. Grundsätzlich gilt: Je früher ein Baby geboren wird, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit für Langzeitkomplikationen oder einen tödlichen Verlauf.
Ein vielversprechender Ansatz kommt von Neonatologen der Neugeborenen-Intensivstation des Radboud University Nijmegen Medical Centre in den Niederlanden. Das von ihnen entwickelte System besteht aus einem versiegelten Beutel, der mit erwärmtem künstlichem Fruchtwasser gefüllt ist. In dieser sogenannten "AquaWomb" ist das Baby an eine künstliche Plazenta angeschlossen, die es kontinuierlich mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt.
Durch die möglichst genaue Nachahmung der mütterlichen Gebärmutter wollen die Forschenden die Entwicklungsphase des Fötus um mehrere Wochen verlängern und dadurch die späteren Gesundheitsergebnisse verbessern. "Unser Ziel ist es, die fötale Physiologie und den fötalen Kreislauf intakt zu halten, damit sich das Kind noch einige Wochen weiterentwickeln kann", erklärt Mitbegründerin Myrthe van der Ven.
Voraussetzung: Kaiserschnitt
Schon vier zusätzliche Wochen können einen erheblichen Unterschied machen: Sie erhöhen die Überlebenschancen deutlich und senken das Risiko chronischer Erkrankungen. "Es ist ein großer Unterschied, ob ein Kind mit 24 oder mit 28 Wochen geboren wird", betont Willem de Boode, Kinderarzt und Neonatologe am Radboud University Medical Centre. Viele Menschen, die zu früh geboren wurden, hätten noch im jungen Erwachsenenalter mit den Folgen ihrer Frühgeburt zu kämpfen.
Voraussetzung für den Einsatz der künstlichen Gebärmutter ist eine Entbindung per Kaiserschnitt. Dabei wird das Baby direkt in einen mit künstlichem Fruchtwasser gefüllten Beutel gelegt, um den Kontakt mit Luft zu vermeiden, der die unreifen Lungen schädigen könnte. "Es ist entscheidend, dass die Spontanatmung bei der Geburt nicht ausgelöst wird", so de Boode. Dafür sei eine spezielle Transfervorrichtung notwendig, die den direkten Übergang vom Mutterleib in das künstliche System ermöglicht.
Nach dem Transfer muss das Baby innerhalb weniger Minuten an die künstliche Plazenta angeschlossen werden. "Sobald das Kind geboren ist, funktioniert die Plazenta der Mutter nicht mehr. Dieser Schritt ist meiner Meinung nach der kritischste im gesamten Verfahren", erklärt van der Ven.
Das Projekt in Eindhoven befindet sich noch in der Entwicklungsphase. Parallel dazu gibt es ähnliche Forschungsprojekte in den USA und Kanada, die ebenfalls darauf abzielen, die Versorgung von Frühgeborenen zu verbessern.
Die Dringlichkeit solcher Innovationen zeigt sich auch in den Zahlen der WHO: Im Jahr 2024 starben weltweit täglich etwa 6.400 Neugeborene – fast 47 Prozent aller Todesfälle bei Kindern unter fünf Jahren.