Nach fünf Jahren haben Forschende endlich ihre Studie zu den Folgen des Tiefseebergbaus für die Biodiversität veröffentlicht.
Die Forderungen nach einem weltweiten Moratorium für Tiefseebergbau werden lauter. Nun liegen die Ergebnisse einer fünfjährigen Untersuchung vor.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler analysierten Proben vom Meeresboden in der Tiefe des Pazifiks, sowohl vor als auch nach der Fahrt von Bergbaumaschinen über ein 80 km großes Gebiet.
Teams der Universität Göteborg, des Natural History Museum und des National Oceanography Centre im Vereinigten Königreich verbrachten mehr als 160 Tage auf See. Danach folgten drei Jahre im Labor, um das Ausmaß der Schäden durch die Fahrspuren zu ermitteln.
Die Studie erschien im Fachjournal Nature. Finanziert hat sie The Metal Company, ein Tiefseebergbau-Riese, der als Erster kommerziell am Meeresboden fördern will.
Die Forschenden betonen, sie hätten unabhängig gearbeitet. Das Unternehmen durfte die Ergebnisse vor der Veröffentlichung einsehen, aber nicht verändern.
Auswirkungen des Tiefseebergbaus auf die Artenvielfalt
Die Forschenden untersuchten Daten aus der Clarion-Clipperton-Zone zwischen Hawaii und Mexiko, die wegen ihresmineralreichen Meeresbodens derzeit im Fokus steht.
Sie fanden mehr als 4.000 Tiere am Meeresboden und verfolgten die Artenvielfalt des Gebiets zwei Jahre davor und zwei Monate danach, als die Bergbaumaschine mehr als 3.000 Tonnen polymetallischer Knollen einsammelte.
In den Fahrspuren der Fahrzeuge sank die Zahl makrofaunistischer Tiere im Vergleich zu unberührten Flächen um erstaunliche 37 Prozent. Dazu zählen mit bloßem Auge sichtbare Organismen wie Würmer, Krebstiere, Schnecken und Muscheln.
In Bereichen, die von der Sedimentfahne der Maschine überzogen wurden, nahm die Anzahl der Tiere nicht ab. Der Test führte jedoch zu einem Rückgang der Artenvielfalt um 32 Prozent, also der Zahl unterschiedlicher Arten in einem Gebiet.
The Metals Company zeigt sich „ermutigt“ von den Ergebnissen und argumentiert, die Auswirkungen auf die Artenvielfalt seien „auf das direkt abgebaute Gebiet begrenzt“.
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace hält dagegen: Beim Test kam eine Maschine zum Einsatz, die „nur halb so groß ist wie die geplanten“. Der tatsächliche Schaden des Tiefseebergbaus wäre damit deutlich größer.
Georgia Whitaker von Greenpeace International sagt: „The Metals Company versucht, von den schlechten Schlagzeilen abzulenken. Dabei geht es um Schaden an einzigartigen, kostbaren, neu entdeckten Meerestieren.“
„Es ist irreführend zu behaupten, betroffen sei allein der Abbauort.“
Warum treiben Länder den Tiefseebergbau voran?
Die wachsende Nachfrage nach Tiefseebergbau dreht sich um kleine Knollen am Meeresboden. Sie stecken voller wichtiger Mineralien wie Kupfer, Eisen, Zink und weiterer Stoffe.
Diese Rohstoffe werden für grüne Technologien genutzt, etwa für Batterien in Elektroautos, Solarmodule und Mobiltelefone. Auch an Land kommen sie vor. Der Abbau ist jedoch oft mit riskanten Lieferketten und fragwürdigen Praktiken verbunden, wie mehrere Recherchen zeigen.
Ein im vergangenen Jahr veröffentlichter Bericht der Environmental Justice Foundation kommt jedoch zu dem Schluss, dass Tiefseebergbau für die Transformation zu sauberer Energie nicht nötig ist.
Demnach könnten fortschrittliche Technologie, Kreislaufwirtschaft und Recycling gemeinsam die Nachfrage nach Mineralien zwischen 2022 und 2050 um 58 Prozent senken.
Neben den inzwischen belegten Schäden für die Artenvielfalt warnen Fachleute, dass der Tiefseebergbau auch den im Ozean gespeicherten Kohlenstoff beeinflussen könnte.
Welche Länder loten den Tiefseebergbau aus?
Im vergangenen Jahr machte Norwegen als erstes Land weltweit den Weg für Tiefseebergbau frei. So will das Land langfristig 280.000 Quadratmeter nationaler Gewässer öffnen.
Ab 2025 wollte die Regierung Lizenzen vergeben. Doch in der vergangenen Woche kündigte die neu gewählte Regierung an, dies werde um mindestens vier Jahre verschoben. Das ist Teil der Verhandlungen, um den Staatshaushalt 2026 zu verabschieden.
Umweltverbände wie Greenpeace und WWF begrüßten den Schritt. Ministerpräsident Jonas Gahr Støre sagte jedoch vor Journalistinnen und Journalisten, es handle sich um eine Verschiebung, nicht um ein dauerhaftes Verbot.
Er fügte hinzu, die Sozialistische Linkspartei, die am dritten Dezember Budgetvereinbarungen blockierte, „hat nicht für immer das Sagen“. Zugleich bestätigte er, dass in der laufenden Legislaturperiode bis 2029 kein Abbau am Meeresboden stattfinden wird.
Auch die Behörden der Cookinseln haben im vergangenen Monat Anträge für Tiefseebergbau in den Gewässern des Pazifikstaats zurückgestellt. In der Region wird frühestens 2032 abgebaut.
Bereits im April unterzeichnete Donald Trump einen Erlass, um den Tiefseebergbau in US-amerikanischen und internationalen Gewässern voranzutreiben. Die USA wollen damit, wie es heißt, zum „globalen Vorreiter einer verantwortungsvollen Nutzung von Meeresboden-Mineralien“ werden.
Der Schritt stieß unter anderem in China auf heftige Kritik. Dort werden Genehmigungen erst vergeben, wenn sich die Staaten auf einen Rahmen zur gemeinsamen Nutzung der Ressourcen geeinigt haben.
Gleichzeitig wächst die Unterstützung für ein zeitweiliges Verbot. Mehr als 35 Staaten und die EU stehen dahinter.