Friedenserhaltung im Libanon

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Erster offizieller Besuch in Brüssel des libanesischen Ministerpräsidenten Najib Mikati. Seiner Regierung ist es bisher gelungen, sich vom Bürgerkrieg im Nachbarland Syrien nicht destabilisieren zu lassen. Der Grund: eine totale Abkoppelung von der Krise.

Darüber und über andere Themen sprach Mikati exklusiv mit euronews.

euronews: Herr Präsident, die Europäische Union leidet unter ausufernden Schulden und politischen Umbrüchen. Gleichzeitig werden zusätzliche Hilfen an den Libanon gezahlt. Ist das in Ordnung?

Mikati: Die EU unterstützt die arabischen und die Mittelmeerstaaten, die sich in Demokratien umwandeln. Ich denke, dass es in Ordnung ist, wenn die Union bei dieser Unterstützung auch den Libanon berücksichtigt. Er ist das Land, das historisch mit Europa demokratische Grund- und Freiheitswerte teilt. Das Ganze in einem Rahmen echter Partnerschaft.

euronews: EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso hat erklärt, er unterstütze den Libanon bei seinem Bemühen, der Welthandelsorganisation WTO beizutreten…

Mikati: Der Libanon hat bislang 80 Prozent der Hürden für einen WTO-Beitritt genommen, und wir werden diesen Prozess beenden, sobald unser Parlament die acht für den Beitritt nötigen Gesetze verabschiedet hat. Es hat sich aber gezeigt, dass es für diese acht Gesetze noch zahlreiche Änderungsanträge gab, seitdem die Entwürfe von der Vorgängerregierung im Parlament eingebracht wurden.

euronews: Der Internationale Währungsfonds hält das libanesische Wachstum für das achtstärkste unter allen arabischen Ländern, übertroffen nur von den Ölstaaten am Golf. Wie kann das angehen bei einer libanesischen Verschuldung von 50 Milliarden Dollar?

Mikati: Die geldpolitische Stabilität ist sehr wichtig für ein Land wie den Libanon. Trotz der sehr hohen öffentlichen Verschuldung kann der Libanon noch immer Dollar-Kredite aufnehmen, und zwar zu einem Zinssatz von sechs Prozent auf 15 Jahre. Dieser Zinssatz wird noch nicht einmal allen europäischen Ländern eingeräumt. Diese Staaten kriegen weder diesen Zinssatz, noch diese Laufzeit.

euronews: Belgien ist Teil der Friedenstruppe im Südlibanon. Sie haben hier in Brüssel auch belgische Regierungsvertreter gesprochen – welche Zukunft hat diese Friedenstruppe im Libanon?

Mikati: Ich habe bei meinen Gesprächen mit der belgischen und auch der europäischen Führung die grundsätzliche Bereitschaft vorgefunden, der Friedenstruppe im Südlibanon weiter anzugehören. Es wird zwar eine Reduzierung der Truppenstärke einiger Länder wie Frankreich und Spanien geben, aber das ist kein erster Schritt in Richtung auf ein Ende dieser Mission. Es ist nur eine Reaktion auf die schwieriger werdenden wirtschaftlichen Umstände in Europa.

euronews: Haben die Ermittlungen der Anschläge auf die Friedenstruppe neue Erkenntnisse gebracht?

Mikati: Das ist eine höchste Sicherheitsfrage. Entsprechende Ermittlungsergebnisse unserer Behörden und der UN-Friedenstruppe sind nicht öffentlich.

euronews: Werden diese veröffentlicht?

Mikati: Das ist eine Frage der nationalen Sicherheit.

euronews: Ihre Regierung umfasst Gegner wie Befürworter des Regimes in Syrien – eigentlich also eine Quelle der Instabilität. Hier in Europa wird Ihnen gleichwohl hoch angerechnet, dass die Bildung Ihrer Regierung den Ausbruch eines Krieges in der Region verhindert hat…

Mikati: Der Libanon hat ein Interesse daran, sich nicht in den Syrien-Konflikt einzumischen. Zumal die in dieser Frage geteilte libanesische Gesellschaft auch nicht die Fähigkeit hat, die Entwicklung in Syrien zu beeinflussen. Selbst dann nicht, wenn alle Libanesen das Regime in Damaskus oder die syrische Opposition unterstützen würden. Eine Parteinahme würde dem Libanon sehr schaden, und das werde ich nicht zulassen.

euronews: Befürchten Sie nicht, dass diese Haltung hinfällig wird, sollte ein Militäreinsatz gegen Syrien beschlossen werden? Befürchten Sie einen solchen Einsatz?

Mikati: Wir unterstützen in der Syrien-Frage ganz den Vermittlungsplan von Kofi Annan, für den bereits mehrere Protokolle unterzeichnet wurden. Andere Stellungnahmen werden wir im Lichte der Umsetzung dieses Plans abgegeben.

euronews: Eine letzte Frage zur Rolle des Libanon in der arabischen Welt. Sehen sie diese an Dynamik verlieren?

Mikati: Der Libanon hat immer eine Brückenfunktion zwischen arabischen Staaten übernommen. Aber wo sind diese Staaten heute? Wo ist die Arabische Liga? Der “arabische Frühling” hat Umwälzungen gebracht, die sich jetzt wieder stabilisieren müssen. Danach könnte der Libanon seine traditionelle Rolle wieder spielen. Aber zur Zeit ist unsere wichtigste Aufgabe, die Sicherheit und nationale Einheit des Libanon zu schützen.

euronews: Herr Präsident, vielen Dank für dieses Gespräch.

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