Russland auf dem Weg in den Totalitarismus?

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Von Euronews
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Nicht nur in Fragen der Syrien- und der Energiepolitik gehen die Ansichten der EU und Russlands weit auseinander. Das gleiche gilt auch für bürgerliche Rechte und Freiheiten. Bei einer Pressekonferenz anlässlich des EU-Russland-Gipfeltreffens in Jekaterinburg entgegnete der russische Präsident Wladimir Putin auf eine Frage zu Razzien bei nichtstaatlichen Organisationen: Das Gesetz sehe nicht ihre Schließung aber ihre Bestrafung vor, wenn sie ihre Finanzierung nicht offenlegten. Übten diese Organisationen politische Tätigkeiten aus, müssten sie sich als ausländische Agenten erklären. Von den Razzien waren auch deutsche politische Stiftungen betroffen. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte das Thema beim jüngsten Putin-Besuch in Deutschland angesprochen. Ohne Erfolg – selbstverständlich.

Euronews:
Aus unserem Studio in Brüssel sprachen wir der Menschenrechtsaktivistin Ljudmila Alexejewa in Moskau, die dort die Helsinki-Gruppe leitet. Was erhoffen Sie sich von dem jüngsten EU-Russland-Gipfel für die Menschenrechte und die Freiheiten in Russland?

Ljudmila Alexejewa:
Ich hoffe, dass die Gesprächspartner der russischen Führung diesen Fragen Nachdruck verliehen haben. Die Bürger Russlands sind beunruhigt über die Menschenrechtslage und über das Verhältnis zwischen den Behörden und der Zivilgesellschaft. Der EU kann nicht entgangen sein, dass die Behörden einen großangelegten, grausamen Angriff gegen die Zivilgesellschaft gestartet haben, dessen Ziel meiner Ansicht nach deren Unterdrückung ist.

Euronews:
Die Bürger sind möglicherweise vor allem mit ihrem materiellen Wohlergehen beschäftigt. Sollte daher nicht die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Russland und der EU im Vordergrund stehen und sollten humanitäre Fragen nicht als zweitrangig gelten?

Ljudmila Alexejewa:
Es stimmt, dass die meisten Bürger mit Problemen des Alltags beschäftigt sind. Doch Menschenrechtsaktivisten, Politiker, alle, die denken, sind sich darüber im Klaren, dass die Menschen ihre Alltagsprobleme nicht lösen können, so lange die Gesellschaft der bürgerlichen Freiheiten entbehrt und so lange sie keinen Einfluss auf die Entscheidungen der Behörden nehmen kann.

Euronews:
Welche Bedeutung messen die Europäer den Fällen Chodorkowski, Magnitski oder Navalny zu?

Ljudmila Alexejewa:
Ich denke, dass diese Fälle nicht nur für die Bürger unseres Landes sondern auch für jeden Europäer und für die gesamte Welt Bedeutung haben. Das Leben dieser Menschen hängt davon ab, welchen Weg ein so großes Land wie Russland einschlagen wird. Es ist kein demokratisches Land, doch es kann den Weg der Demokratrie gehen. Die Gefahr liegt darin, dass es sich von einem derzeitig autoritären zu einem totalitären Staat entwickeln kann, wie die jüngsten Ereignisse beweisen. Wird Russland zu einem totalitären Staat, zieht das die ganze Welt in Mitleidenschaft. Wir müssen uns nur daran erinnern, wie es sich auswirkte, als unser Land die Sowjetunion war.

Euronews:
Ljudmila Alexejewa, vielen Dank für das Gespräch.

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