Schwellenländer auf der Kippe

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Von Euronews
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Die indische Rupie setzte im August zu einer rekordverdächtigen Talfahrt an und muss als Symbol für die wirtschaftlichen Schwierigkeiten erachtet werden, die das Land seit geraumer Zeit heimsuchen. Es ist noch gar nicht lange her, da galt Indien als asiatischer Hoffnungsträger, doch das Wachstum ist mittlerweile von der Überhol- auf die Standspur gewechselt.

Exklusiv hat Indien diese Tendenz nicht. Weitere Schwellenländer müssen einen fortgesetzten Kapitalabfluss hinnehmen, nicht zuletzt aufgrund der Aussicht eines Endes der lockeren Geldpolitik der US-Notenbank.

Brasilien ist ein Leidensgenosse. Die hohe Inflation, eine lahmende Wirtschaft und explodierende Preise setzen der größten Volkswirtschaft Südamerikas gewaltig zu und schüren die Unzufriedenheit.

euronews: “Zum Thema ‘Währungskrise in den Schwellenländern’ sind wir in Paris jetzt mit Jean-Pierre Petit verbunden. Man sagt, eine Änderung der Politik der US-Notenbank sei nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt und dass die eigentlichen Gründe in der Schwäche der Wirtschaft zu suchen sind. Welches sind diese Schwächen?”

Jean-Pierre Petit: “Wenn diese Länder Außenstände haben, liegt das teilweise daran, dass sie Probleme mit der Wettbewerbsfähigkeit haben. Und weil diese Länder seit drei oder vier Jahren im Vergleich zum vorherigen Jahrzehnt kaum Strukturreformen umgesetzt haben. Sie haben Angebotsengpässe, das gilt vor allem für Indien und Brasilien. Und besonders deshalb sollten internationale Investoren von der Kreditwürdigkeit und der Nachhaltigkeit der Maßnahmen überzeugt werden.

Warum spielen auch Entscheidungen der US-Notenbank eine Rolle? Nun, es hat Auswirkungen, wenn die Notenbank finanzpolitische Entscheidungen trifft – der Hauptinvestor weltweit sind bekanntlich die USA. Wenn die dortigen Investoren sehen, dass ein veränderter Zinssatz positiv für die USA ist, dann fließt das Kapital, das in den vergangenen Jahren in die aufstrebenden Märkte gepumpt wurde, zurück in die USA. In dieser Zeit ist sehr viel Geld in den Anleihenmarkt, den Schuldenmarkt sowie den Zinsmarkt geflossen. Viele Länder, in denen sich das Defizit ausgeweitet hat, darunter Indien, sind in Schwierigkeiten. Das gilt auch für Länder, in denen das Defizit weiterhin hoch ist – wie Türkei, Südafrika oder die Ukraine.”

euronews: “Kann eine anhaltende Krise in diesen Ländern auch Schaden in der Eurozone anrichten?”

Petit: “Ein Knall in den Schwellenländern hätte sicher negative Auswirkungen. China werde ich jetzt mal außen vor lassen, denn das Land hat große Margen, mit denen es manövrieren kann und ist nicht derartig von den aktuellen Problemen betroffen. Insgesamt bin ich aber der Meinung, dass es keinen großen Knall in den Schwellenländern geben wird, der die weltweite Nachfrage sinken lässt, wie es 1997 und 98 der Fall war.”

euronews: “Die Vereinigung der aufstrebenden Volkswirtschaften will einen Interventionsfonds für den Devisenmarkt einrichten. Ist das kurzfristig die Lösung?”

Petit: “In der derzeitigen Lage ist das nicht das probate Mittel. Die richtige Vorgehensweise für die am meisten betroffenen Länder ist, die Gründe der Defizite anzugehen, vor allem die strukturellen. Ebenso Defizite der Steuerung, was besonders Indien betrifft. Indien ist ein Land, das keine Strukturreformen mehr durchführt, das politisch sehr fragil ist, das im Korruptionswahrnehmungsindex weltweit an 95. Stelle steht und das aufgrund der politschen Lage bewegungsunfähig ist.

Das ist entscheidender als die Einrichtung eines Interventionsfonds. Mir ist bewusst, dass man Dringlichkeitsmaßnahmen einleiten muss. Aber bisher gibt es dafür keinen Grund. Einige Länder, und zwar diejenigen, die in den größten Schwierigkeiten stecken, sollten die internationale Gemeinschaft davon überzeugen, dass sie willens sind, das Ungleichgewicht an der Wurzel zu packen.”

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