Brexit im Schrittempo - Erwartungen an den EU-Gipfel

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Von Stefan Grobe
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Ein Dinner sollte es richten zwischen EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und der britischen Premierministerin Theresa May, fast schon unter konspirativen Bedigungen.

Am Ende drang wenig nach außen. Beide Seiten betonten lediglich, die Brexit-Verhandlungen sollten beschleunigt werden.

Doch bislang gibt es kaum Fortschritte, etwa bei den britischen Finanzverpflichtungen oder bei der inner-irischen Grenzen.

Beim Luxemburger Aussenministertreffen nach dem Dinner gefragt, meinte Irlands Ressortchef Simon Coveney lakonisch, da müsse man schon die fragen, die dabei gewesen waren.

Ursprünglich wollten die Staats- und Regierungschefs bereits jetzt die zweite Phase der Verhandlungen über die künftigen Beziehungen einläuten.

Doch wie Luxemburgs Aussenminister Jean Asselborn erklärt, ist der Weg dahin noch weit.

London dränge zwar auf eine Übergangsphase, aber die könne es nicht geben, so lange Fortschritte bei den Austrittsverhandlungen nach Artikel 50 ausblieben.

Das könne vielleicht im Dezember geschehen.

Ob die Lage kurz vor Weihnachten anders aussieht als heute, steht derzeit völlig in den Sternen.

Belgiens Aussenminister Didier Reynders sagt, man arbeite in den Gremien auf Vorschalg Londons an einer zweijährigen Übergangsphase, aber mit welchen praktischen Folgen dies einhergehe, das sei noch unklar.

Vielleicht bringt der EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag in Brüssel die nötige Klarheit.

Dann wird auch Theresa May wieder dabei sein. Und ein Arbeitsdinner gibt es auch.

Euronews: Die Staats- und Regierungschefs der EU kommen an diesem Donnerstag und Freitag zu einem Gipfel zusammen, bei dem es vor allem um Brexit geht. Bei mir im Studio ist jetzt der Leiter der Robert-Schuman-Stiftung in Brüssel, Charles de Marcilly.
Kann man auf diesem Gipfel Fortschritte beim Thema Brexit erwarten?

Charles de Marcilly: Das ist die große Frage. Wir werden wohl einige Fortschritte haben, aber keinen Durchbruch. Die Staats- und Regierungschefs haben aber ein Angebot gemacht, nämlich ein Mandat für Chefunterhändler Michel Barnier, den Gesprächsrahmen auszudehnen. Wir sind jetzt in der fünften Verhandlungsrunde, aber wenn man den Beteiligten so zuhört, scheinen wir immer noch in der ersten Runde zu sein. Zugleich kennen wir die Strategie von Theresa May, nämlich diese Diskussion auf höchstmöglicher Ebene zu führen, damit sie ja nur nicht Detailfragen beantworten muss. Es ist diese Strategie, die auf EU-Seite jedem auf die Nerven geht.

Euronews: Theresa May hat Anfang der Woche Jean-Claude Juncker zu einem Dinner getroffen. Ist dabei irgendetwas herausgekommen, das die Verhandlungen beschleunigen könnte?

Charles de Marcilly: Nun, wird haben eine Verhandlungswoche hinter uns, bei der die abschliessende Erklärung und die Preseekonferenz der Unterhändler sehr frostig waren. Wir haben gesehen, dass es wirklich tiefgreifende Meinungsunterschiede gibt, selbst über den Stand der Verhandlungen. Die eigentliche Botschaft ist also, dass wir uns hier auf sehr dünnem Eis befinden. Am Montag Abend etwa gab die Kommission eine Presseerklärung heraus, und alle haben gedacht, jetzt kommt etwas Wichtiges. Wenn man aber die Erklärung liest stellt man fest, dass absolut nichts drin steht. Selbst visuell gibt es nichts Neues. Thersa May schüttelt Junckers Hand, setzt sich ins Auto und fährt davon. Man hätte sich ein wenig mehr Wärme erhofft.

Euronews: Für die EU war aber dieser Gipfel eine wichtige Verhandlungsetappe…

Charles de Marcilly: Erinnern Sie sich doch daran, dass, genau wegen des Mangels an Fortschritt, Theresa May in verschiedenen Reden, vor allem in Italien, zu mehr Ehrgeiz aufgerufen hat. Und das war für die Briten bereits ein Schritt vorwärts. Die glauben tatsächlich, sie hätten Fortschritte gemacht. Jetzt erwarten sie dasselbe von den Europäern. Die Europäer sehen zwar die politische Logik hinter diesem Schachzug, aber keinerlei praktische Folgen. Und genau das ist der Knackpunkt. Die Briten betonen stets den politischen Aspekt, während die EU auf die praktischen Folgen pocht.

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Euronews: Zum Thema Irland. Was ist die EU-Position zur inner-irischen Grenze und was die britische? Gibt es eine Annäherung?

Charles de Marcilly: Ja und nein. Das Thema gehört zu den europäischen Prioritäten – und das haben die Briten nach der zweiten Verhandlungsrunde dann auch eingesehen. Die EU sagt: Ihr Briten verlasst uns, also müsst Ihr auch eine Lösung finden. Aber in allen Dokumenten zum Thema sind die Lösungsvorschläge unklar. Es könnten wieder Grenzübergänge geschaffen werden, die Rede ist von fünf bis zehn. Praktisch wird das sehr schwierig umzusetzen sein. Es wird also weiter gerätselt.

Was die anderen Themen angeht, vor allem die britischen Finanzverpflichtungen, gibt es ebenfalls keine klare offizielle Haltung Londons. In der Presse wurde spekuliert, man könnte sich auf 20, 30 oder 40 Milliarden Euro einigen, die Europäer sehen die wahre Summe aber eher bei 100 Milliarden. Hier gibt es also ein wirkliches Problem, das gelöst werden muss, bevor die zweite Phase der Verhandlungen beginnen kann.

Euronews:
Von dieser zweiten Phase ist bereits viel die Rede, aber noch sind wir weit davon entfernt. Ist der Dezember-Gipfel eine realistische Frist?

Charles de Marcilly: Die Europäer haben hier bislang kaum Konzessionen gemacht, weil sie den Briten vorwerfen, nicht wirklich Fortschritte zu wollen. Auf britischer Seite gibt es ein immenses innenpolitisches Problem. London verhandelt also mit Brüssel nicht mit geschlossenen Reihen, denn unter den Konservativen, ja selbst unter Theresa Mays eigenen Ministern gibt es scharfe Meinungsverschiedenheiten. Unter diesen Umständen bleibt den Briten in Brüssel nichts anderes übrig, als sich hinter Maximalpositionen zu verschanzen.

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Und deswegen gab es zwischen der ersten und der fünften Verhandlunsgrunde, die vorige Woche zu Ende gegangen ist, auch kaum Fortschritte. Jetzt kommt es auf Theresa Mays diplomatisches Geschick an, den Staats- und Regierungschefs zu beweisen, dass es eben doch Fortschritte gibt. Sie muss natürlich darauf achten, dass ihre Argumente nicht zu verdreht sind, dass sie dem EU-Gipfel nicht zu Reaktionen provoziert. Aber die Fronten sind klar: die Europäer sind einig, und Theresa May ist in einer Position der Schwäche.

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