Wer ist der deutsche Ben-Laden-Freund (51), der französische Gefängniswärter angreift?

Wer ist der deutsche Ben-Laden-Freund (51), der französische Gefängniswärter angreift?
Copyright 
Von Kirsten Ripper mit DPA, AFP, STERN
Diesen Artikel teilenKommentare
Diesen Artikel teilenClose Button

In Frankreich rufen mehrere Gewerkschaften zu einem Streik der Gefängniswärter auf nach einem Angriff durch einen deutschen Dschihadisten.

WERBUNG

Mehrere französische Gewerkschaften von Gefängniswärtern haben für Montag zu einem Streik und Protestaktionen aufgerufen, nachdem ein deutscher Islamist in einer Haftanstalt in Nordfrankreich mehrere Justizangestellte mit einem Küchenmesser und einer Schere angegriffen hatte. Drei Gefängniswärter wurden leicht verletzt. Der Angriff – den einige als Versuch, die Justizangestellten zu töten, beschreiben – fand im Hochsicherheitsgefängnsi von Vendin-le-Veil statt. Der Inhaftierte wollte offenbar durch die Attacke vermeiden, dass er an die USA ausgeliefert wird.

Der Deutsche Christian Ganczarski (51) ist in Frankreich im Gefängnis, weil ein Pariser Gericht ihn wegen des Terroranschlags auf der tunesischen Ferieninsel Djerba 2009 verurteilt hatte. Bei diesem Anschlag 2002 auf eine Synagoge (SIEHE FOTO OBEN) waren 21 Menschen – darunter 14 deutsche Touristen – getötet worden.
Die Haftstrafe wegen dieses Anschlags hatte Ganczarski fast verbüßt. Doch die USA fordern von Frankreich seine Auslieferung, denn der ehemalige mutmaßliche Mitarbeiter von Oussama ben Laden soll wegen der Terroranschläge vom 11. September 2001 vor Gericht gestetllt werden.

Die Zeitung Le Parisien schreibt, dass Ganczarski in abgehörten Telefongesprächen gesagt habe, er wolle eine Auslieferung an die USA um jeden Preis verhindern.

Ben-Laden-Freund Christian Ganczarski (51)

Christian Ganczarski ist 1966 in Gliwice in Polen geboren. Seine Familie zieht nach Deutschland, als er 9 Jahre alt ist. Aufgewachsen ist der Sohn der katholischen Familie im Ruhrgebiet, der Vater arbeitet als Dreher. Der Sohn kann nur Polnisch, hat offenbar Mühe in der Schule, geht kurz auf ein Internat in Duisburg, schafft aber keinen Abschluss. Der Stern bechreibt den späteren “deutschen General von Ben Laden” als einen, der “reden, argumentieren, überzeugen” kann.

Unter dem Einfluss eines Arbeitskollegen aus Tunesien konvertiert Christian Ganczarski 1986 zum Islam.

Er arbeitet als Emaillierer und Schweißer, leistet seinen Wehrdienst ab und heiratet die ebenfalls zum Islam übergetretene vier Jahre jüngere Nicola. 1991 wird das erste Kind geboren, die Tochter leidet an Diabetes.

Kurz darauf bekommt Ganczarski über die Mülheimer Moschee ein Stipendium an der Universität für Islamische Wissenschaften in Medina. Die Familie zieht nach Saudi Arabien, wo Sohn Mohammed geboren wird. Ganczarski soll erste Kontakte zum Terrornetzwerk Al Kaida haben, doch vor allem wegen mangelnder Arabischkenntnisse kehrt die Familie nach Deutschland zurück.

Zunächst arbeitslos reist Ganczarski – der sich inzwischen Ibrahim oder Abou Ibrahim nennt – nach Tschetschenien, Afghanistan und Pakistan, schlägt sich dann als Mitarbeiter einer Computerfirma durch.

Der Stern beschreibt eine Begegnung von Christian Ganczarski mit Oussama Ben Laden in Kandahar in Afghanistan vor den Anschlägen auf das World Trade Center in New York 2001: er ist “dieser Deutsche, der sich Anfang April 2000 in der Führungsspitze der Terrororganisation al Qaeda bewegt wie in einer Familie”.

Ganczarski gilt als Ben Ladens Computerexperte, Funkspezialist und Materialbeschaffer.

2003 hat auch der Al-Kaida-Anführer Khalid Scheich Mohammed vor Gericht ausgesagt, Ganczarski habe enge Kontakte zu Osama ben Laden gehabt und sei als Kurier für Ben Laden tätig gewesen.

In Frankreich verurteilt für Anschlag auf Touristen in Djerba

Die Staatsanwaltschaft in Paris nennt Ganczarski in ihrem Plädoyer 2009 “intelligent” und “gefährlich”. Seine Bekanntschaft zu Osama Ben Laden (1957-2011) begründet der Deutsche mit der Zuckerkrankheit des Al-Kaida-Chefs. Seine Tochter sei ebenfalls auf Insulin angewiesen, sagte Ganczarski den französischen Ermittlern. So sei man in Afghanistan in Kontakt gekommen. Sein Glaube und Geschäfte hätten ihn zu den Reisen in die Region veranlasst.

Zur Verurteilung Ganczarski führt letztendlich ein Anruf des Selbstmordattentäters Nawar am Tag des Anschlags von Djerba – einer der Hauptbeweise der Anklage. Nawar bat Ganczarski dabei “um göttlichen Segen”. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft wollte der Attentäter damit grünes Licht für die Tat einholen. Die deutsche Justiz hatte das von Sicherheitskräften abgehörte Telefonat ebenfalls ausgewertet und Ganczarski nach dem Anschlag mehrmals vernommen. Sie fand jedoch keine Beweise gegen den Familienvater. Sogar der Versuch, ihn wenigstens durch einen vergleichsweise harmlosen Vorwurf – der “Nichtanzeige geplanter Straftaten” – in Haft zu nehmen, scheiterte am “Nein” des Bundesgerichtshofs.

Nicht gänzlich geklärt sind die Umstände der Verhaftung Ganczarskis in Paris. “Das war ein abgekartetes Spiel der Geheimdienste und der beteiligten Regierungen”, meinte damals sein Anwalt Sébastien Bono. Ganczarski hatte Deutschland 2002 nach etlichen Vernehmungen durch die Bundesanwaltschaft unbehelligt verlassen können. Er reiste daraufhin mit seiner Familie nach Saudi-Arabien aus, wo jedoch sein Visa nicht verlängert wurde.

Unbestätigten Berichten zufolge wurde dann in Absprache zwischen Deutschland, Frankreich, Saudi-Arabien und dem US-Geheimdienst CIA vereinbart, den Deutschen nicht wie sonst üblich direkt nach Deutschland auszufliegen. Ganczarski wurde im Juni 2003 stattdessen in eine Maschine nach Paris gesetzt. Dort wartete bereits die französische Polizei. Die Behörden im Nachbarland hatten die Ermittlungen aufgenommen, weil bei dem Anschlag auch zwei Franzosen getötet worden waren.

Polish- #German veteran #alQaeda#djihadist Christian #Ganczarski has reportedly stabbed 3 prison guards.
Ganczarski is jailed in France for his role in the attack on a #Jewish synagogue in #Djerba, #Tunisia, in 2002, pic.twitter.com/nl5Ua0G4SL

— Mourad Teyeb (@MouradTeyeb) 12. Januar 2018

Hochsicherheitsgefängnis Vendin-le-Vieil

WERBUNG

Frankreichs Justizministerin Nicole Belloubet soll das Hochsicherheitsgefängnis Vendin-le-Vieil, wo Christian Ganczarski die Wärter angegriffen hat, am Dienstag besuchen. Sie hat bereits Vertreter der Gewerkschaften der Justizangestellten in Paris getroffen, die auch die Absetzung des Direktors des Hochsicherheitsgefängnisses verlangen – u.a. weil Christian Ganczarski nicht mehr in Isolationshaft war.

Die französische Presse berichtet, dass in Vendin-le-Vieil auch der einzige überlebende mutmaßliche Attentäter der Anschläge von Paris 2015 Salah Abdeslam inhaftiert werden soll.

Appel à un “blocage total” des prisons lundi pour protester contre l’agression de surveillants à Vendin-le-Vieil, où la ministre de la Justice se rendra mardi https://t.co/5E7hUJkoz2#AFPpic.twitter.com/6LWs4cRWfd

— Agence France-Presse (@afpfr) 13. Januar 2018

Diesen Artikel teilenKommentare

Zum selben Thema

Streik in 119 Gefängnissen

Wie sicher sind Frankreichs Gefängnisse?

Brigitte Macron im Video mit Aya Nakamura und ihr Mann spielt für sie Fußball