4 Monate nach Brückeneinsturz von Genua: Abriss steht bevor

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Von Giorgia Orlandi
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Vor genau vier Monaten brach ein Teilstück der Morandi-Brücke in sich zusammen, 43 Menschen kamen ums Leben. Etliche Anwohner mussten wegen Einsturzgefahr ihre Häuser und Wohnungen verlassen. Eine von ihnen hat Euronews-Reporterin Giorgia Orlandi in dieser schweren Zeit begleitet.

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Aus schwindelerregender Höhe lässt sich das Grauen von Genua ungefähr nachempfinden. Genau vier Monate ist es her, dass die Morandi-Brücke einstürzte und zahlreiche Menschen in den Tod riss.

Durch den Kollaps des 200 Meter langen Teilstücks kamen 43 Menschen ums Leben. Ein Dutzend Fahrzeuge stürzten fünfzig Meter in die Tiefe. Die Überreste der Morandi-Brücke wirken wie ein Mahnmal.

Schweren Herzens kehrt Iris Bonacci jedes Mal in die Via Porro zurück. Und jedes Mal bereitet sie sich seelisch darauf vor, dass es ihre letzte Begehung sein wird. Hier steht das Lebenswerk der 55-jährigen Lehrerin - ihr Haus, dass sie auf Anordnung der Behörden von einem auf den anderen Augenblick verlassen musste.

Unstimmigkeit über Abrisspläne

In sicherer Entfernung zum Gebäude erläuterte die Lehrerin: "Mein Haus steht dort drüben. Das graue Gebäude neben dem roten unter der Brücke. Ich fühle Schmerz und Wut. Ich habe das Haus so sehr geliebt. Das es noch steht, aber abgerissen wird, kann ich gedanklich nicht akzeptieren."

Ein Handy- Video ihres Mannes - aufgenommen drei Tage nach dem Unglück - verdeutlicht, wie dicht ihr Haus an der Brücke steht.

Euronews-Korrespondentin Giorgia Orlandi erklärt das Sperrgebiet vor Ort: "Die sogenannte Rote Zone ist als Hochsicherheitsbereich ausgewiesen und erstreckt sich von der östlichen zur westlichen Seite der Morandi-Brücke. Rund dreihundert hier lebende Familien mussten ihr Zuhause zwangsweise verlassen. Der Genueser Bürgermeister hat als Chef des Rekonstruktionskomitees den Abriss innerhalb der nächsten Tage angekündigt. Er will zu seinem Versprechen stehen, bereits im kommenden Jahr eine neue Brücke fertigzustellen. Die Ermittler in dem Fall, die immer noch vor Ort an der Beweissicherung arbeiten, haben allerdings schon mehr Zeit gefordert."

Der für das Tagesgeschäft in Genua zuständige Vize-Bürgermeister Stefano Balleari hingegen erklärte den Abriss und den Brückenneubau zum gegenwärtig wichtigsten Ziel: "Ich hoffe, dass der Aufbau der neuen Brücke noch vor März beginnen kann. Die Konstruktion muss schneller gehen."

Abstecher zum Abschluss

Die betroffenen Anwohner hatten nur drei Mal Gelegenheit zu kurzen Besuchen in ihren alten Räumlichkeiten, um zu retten, was ihnen lieb und teuer ist.  Iris Bonacci: "Ich habe Broschüren mitgenommen, die mich an meine Heimat Kalabrien erinnern. Wir alle haben einige merkwürdige Dinge an uns gerafft. Mein Psychologe meinte, um damit am alten Leben festzuhalten. Wenn man das Räumungsschreiben schwarz auf weiß in der Hand hält, dämmert es einem. Dann wird man allmählich klarer im Kopf, und am Ende habe ich realisiert, dass ein Teil meines Lebens vorüber ist."

Den Verlust des Zuhauses vor Augen, lässt Iris Bonacci trotzdem auch ein weiterer Gedanke nicht los - das tödliche Schicksal von 43 Menschen in ihrer direkten Nachbarschaft.

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