Warum köpfen sich diese japanischen Meeresschnecken selbst?

Forscher haben herausgefunden, dass einigen japanischen Meeresschnecken ganze neue Körper wachsen können, wenn man ihnen den Kopf abtrennt.
Forscher haben herausgefunden, dass einigen japanischen Meeresschnecken ganze neue Körper wachsen können, wenn man ihnen den Kopf abtrennt. Copyright Sayaka Mitoh via AP
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Von Cornelia Trefflich mit AP
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Zwei Arten japanischer Meeresschnecken können sich selbst einen komplett neuen Körper nachwachsen lassen, nachdem sie ihren Kopf vom Rest abgetrennt haben.

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Die Fähigkeit zur Regeneration gibt es im Tierreich häufiger. Damit sichern sich Spezies bessere Überlebenschancen, indem sie beispielweise einzelne Gliedmaßen oder Organe nachwachsen lassen. Ein Forscherteam an der Nara Women's University aus Japan hat jüngst eine interessante Entdeckung gemacht, die alle bisher beobachteten Entdeckungen in den Schatten stellt.

Zwei Arten der Sacoglossus-Meeresschnecken (Elysia cf. marginata und Elysia atroviridis) sind in der Lage, einen komplett neuen Körper nachwachsen zu lassen, inklusive funktionierender, lebenswichtiger Organe wie dem Herzen, nachdem sie ihren Kopf vom restlichen Körper abgetrennt haben.

Eine Entdeckung, dem Zufall geschuldet

Die Entdeckung dieses Phänomens war dem Zufall geschuldet, als Student:innen, die mit den Tieren arbeiteten, beobachteten, dass eine der Schnecken einen Teil ihres Körpers abgetrennt hatte. Ein Vorgang, der in der Biologie als Autotomie bezeichnet wird.

Am bekanntesten ist dieser Prozess bei Eidechsen, die bei drohender Gefahr ihren Schwanz abwerfen, der später nachwächst. Die beobachtete Schnecke war keiner Gefahr ausgesetzt und die Trennung passierte zwischen Kopf und dem restlichen Körper, wobei der Kopf sich danach weiter bewegte.

"Wir dachten, dass es ohne Herz und andere wichtige Organe bald sterben würde, aber wir waren wieder überrascht, dass es den ganzen Körper regenerierte." erklärt Doktorandin Sayaka Mitoh der Nara Women's University in Japan.

Sayaka Mitoh via AP
Diese Meeresschnecke hat sich "geköpft" und lebt weiterSayaka Mitoh via AP

Innerhalb weniger Stunden nach der Autotomie begannen die Köpfe der Schnecke zu fressen. Die Wunde am Hals verheilte innerhalb weniger Tage. Das Herz begann sich innerhalb einer Woche zu bilden - und innerhalb von wenigen Wochen hatte die Meeresschnecke einen völlig neuen Körper.

Überleben ohne Körper und Herz - geht das überhaupt?

Die Forscher um Yoichi Yusa der Nara Women's University in Japan starteten daraufhin ein Experiment. Sie schnitten 16 der Meeresschnecken die Köpfe ab und beobachteten, was dann passierte. Die Ergebnisse veröffentlichten sie im Fachblatt CurrentBiology_. _

Sechs von ihnen begannen sich zu regenerieren, drei lebten vollständig weiter. Ein Exemplar bildete seinen Körper sogar zweimal nach.

Die Forscher können noch nicht erklären, wie die bis zu sechs Zentimeter großen Schnecken eine Zeitlang ohne Herz überleben können, das Blut und Nährstoffe zum Gehirn pumpt:

"Einige Tiere können ihre Beine, Anhängsel oder Schwänze autotomieren, aber kein anderes Tier wirft seinen ganzen Körper ab. Wir denken also, dass dies der extremste Fall ist", erklärt Professor Yoichi Yusa, Professor für Wasserökologie von der Nara Women's University.

Diese Meeresschnecken können auch Photosynthese

Doch die Meeresschnecken zeichnet noch eine weitere Fähigkeit aus. Sie können, ähnlich wie grüne Pflanzen, ihre Energie fast zwei Wochen lang durch Photosynthese gewinnen. Eine These der Forscher ist nun, dass der abgetrennte Kopf der Schnecke sich durch Sonnenlicht und Sauerstoff das Überleben sichert. Das würde auch erklären, warum der Kopf nach der Autotomie eine grüne Farbe annimmt.

"Eine wichtige Funktion des Herzens ist es, das Blut zirkulieren zu lassen und Sauerstoff zu transportieren. Im Fall der autotomierten Meeresschnecke braucht sie das Herz für diesen Zweck möglicherweise nicht", sagt Yusa.

Ältere Schnecken schienen nicht die gleiche Widerstandsfähigkeit zu haben. Sobald ihre Körper abfielen, bewegten sie sich weiter, aber sie nahmen keine Nahrung zu sich und starben nach etwa 10 Tagen. Und was passiert mit den abgetrennten Körpern? Nun, auch sie lebten einige Monate weiter, allerdings ohne einen neuen Kopf auszubilden, und begannen dann, sich zu zersetzen.

Des Rätsels Lösung?

Doch warum köpfen sich die Schnecken überhaupt? Die Methode dient nicht der Fortpflanzung, soviel ist klar, denn der "abgelegte" Körper stirbt schließlich, während Schnecke mit ihrem neuen Körper weiterlebt.

Die Forscher meinen, dass es den Tieren helfen könnte, sich lästiger Parasiten zu entledigen, die unter anderem ihre Fortpflanzung behindern könnten. Sollte sich diese These bestätigen, wäre das die extremste Form der Parasitenkontrolltechnik, die bislang dokumentiert wurde.

Weitere Quellen • Current Biology

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