Impfneid: Dürfen Geimpfte bald wieder ein normales Leben führen?

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Von Euronews
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Es ist eine schwierige Frage, mit der sich die Bundesregierung derzeit beschäftigt - gesellschaftlich, ethisch wie juristisch: mehr Freiheiten und damit Privilegien für vollständig Geimpfte und Genesene.

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Es ist eine schwierige Frage, mit der sich die Bundesregierung derzeit beschäftigt - gesellschaftlich, ethisch wie juristisch: mehr Freiheiten und damit Privilegien für vollständig Geimpfte und Genesene.

Die Bundesregierung will Geimpften Grundrechte zurückgeben. Nach dem jüngsten Impfgipfel im Kanzleramt ist ein entsprechender Entwurf im Justizministerium entstanden. Er soll denen, die immun sind, einige Freiheiten erlauben, auf eine Sonderbehandlung mit Restaurant- und Theateröffnungen können die überwiegend älteren Geimpften aber nicht rechnen.

Die Zeit drängt - sonst werden Gerichte Fakten schaffen

Ist es unsolidarisch den Jungen gegenüber, die in der Pandemie Rücksicht genommen und für die Älteren einkaufen gegangen sind oder ist die Debatte zu sehr von Impfneid geprägt?

Die Diskussion um Freiheitsrechte gewinnt an Brisanz je mehr Personen vollständig geschützt sind. Die Menschen werden unruhig nach einem Jahr der Pandemie. Acht Prozent der Deutschen sind jetzt vollständig geimpft, etwa 30 Prozent haben eine erste Dosis erhalten.

Über den vorläufigen Gesetzesentwurf, der die Lockerungen für Geimpfte und Genesen festlegen soll, diskutiert das Kabinett am Montag. Eile ist geboten, bevor Gerichte über die Frage entscheiden. Möglichst noch im Laufe dieser Woche will die Bundesregierung zu einer Entscheidung kommen.

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) ist federführend zuständig. "Es geht hier nicht um Sonderrechte oder Privilegien, sondern um ein zentrales Grundrecht", sagte sie im ARD-Talk bei Anne Will. Sie hält sich an die Definition des Robert-Koch-Instituts (RKI) nach der von vollständig Geimpften und Genesen nach 14 Tagen kein Risiko mehr ausgehe. Damit sei der Grund für eine Grundrechtseinschränkung hinfällig.

Impfneid und gesellschaftlicher Sprengstoff

Allerdings, so Lambrecht, gebe es auch keinen Freifahrtschein. Denn es ergebe sich daraus kein Anspruch, dass dafür ein Schwimmbad oder Restaurant geöffnet würde. Das wäre "zu viel Sprengstoff für die Gesellschaft".

Es soll keine Benachteiligung von Ungeimpften entstehen, zudem könnten besondere Privilegien wie ein Impfzwang durch die Hintertür wirken.

Spätestens ab Juni soll die geltende Impfpriorisierung aufgegeben werden, danach kann sich jeder, unabhängig von Alter und Vorerkrankungen, um einen Impftermin bemühen. Es geht um die Übergangsphase, also den Monat Mai, in dem die Impfreihenfolge eingehalten wird und sich nicht jeder Bürger und jede Bürgerin impfen lassen kann.

Gleichstellung von Geimpfen und negativ-Getesteten

Es sei nicht zu akzeptieren, "dass man mit einem negativen Test mehr machen dürfe, als mit einer Corona-Impfung", sagte die Linken-Co-Vorsitzende Janine Wissler (Linke) am Montag nach Beratungen des Parteivorstands in Berlin.

Deutsche Modellregionen für Tourismus, wie auf der Insel Sylt, sehe Wissler "skeptisch". Die Beschäftigten dort seien "vielfach nicht geimpft und damit nicht geschützt", sagte sie. Die größte deutsche Nordseeinsel gehört zur touristischen Modellregion Nordfriesland. Unter strengen Auflagen wird der Tourismus dort wieder hochgefahren.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder wolle vermeiden, dass Menschen ihre Grundrechte zurückfordern und sich beklagen, dass noch nicht genügend Impfungen möglich sind, sagte er bei Anne Will. 

Er sei außerdem für ein "gezieltes Impfen" in Corona-Hotspots, um die sozialen Ungleichheiten und Neiddebatten entgegenzuwirken. Sozial schwache Regionen mit einer großen jungen Bevölkerung waren bislang besonders stark von den Infektionen und der Pandemie betroffen. 

Ein solches Pilotprojekt läuft bereits seit Anfang der Woche in Köln.

Rückkehr zu Grundrechten – wer darf wann wieder was?

Folgende mögliche Freiheiten könnten für vollständig geimpfte und genesene Personen kommen:

  • Zunächst müssen Geimpfte und Genesene ihre Impfung oder das Vorhandensein von Antikörpern nachweisen, um ihre Grundrechte wahrnehmen zu können, z.B. durch einen Eintrag im gelben Impfausweis oder einen positiven Labortest (PCR). Die Wissenschaft geht davon aus, dass die Antwort des Immunsystems mindestens ein halbes Jahr lang stark genug ist.

  • Für Geimpfte und Genesene sollen sämtliche Kontaktbeschränkungen wegfallen, sie sollen sich wieder privat und mit beliebig vielen Personen treffen können. Bei Treffen sollen Geimpfte und Genesene nicht mitgezählt werden.

  • Die Ausgangssperre ab einer Inzidenz von 100 zwischen 22 und 5 Uhr soll für nachweislich Geimpfte und Genesene nicht gelten.

  • Nach Reisen aus dem Ausland sollen sich Geimpfte und Genesene nicht mehr in Quarantäne begeben müssen.

  • Gleichstellung mit negativ Getesteten: Dort, wo es Erleichterungen für Personen mit einem negativen Corona-Test gibt, zum Beispiel Angebote in Modellregionen, für Testeinkäufe, Friseurbesuche etc., soll das gleiche auch für vollständig Geimpfte und Genesene gelten.

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