Frischer Wind und viel Technik: Wie sich der ländliche Raum neu erfindet

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Von Laurence Alexandrowicz
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In unserer Sendung sehen Sie, wie Japan, das mit einer alternden Bevölkerung zu tun hat, Gegenden neues Leben einhaucht, diese für Menschen als Wohnort reizvoll macht und den ländlichen Raum aufwertet.

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Wie kann man Gegenden neues Leben einhauchen und menschenleere Gebiete wieder reizvoll machen? Japan, das es mit einer alternden Bevölkerung zu tun hat, bietet da interessante Lösungen innerhalb eines Vorhabens namens Digital Garden City an.

Innerhalb von 60 Jahren ist die Bevölkerungsanzahl im Ort Kamiyama um 70 Prozent zurückgegangen. Dennoch gehört diese Gebirgsgemeinde zu den Vorzeigeobjekten Japans. Dem Ort wurde neues Leben eingehaucht - dank des Einsatzes eines Einheimischen und dank Breitband-Verbindung.

„Ich habe mich gefragt, ob ich diese Gegend nicht in ein Silicon Valley umwandeln könnte. Deshalb habe ich mich der Digitalisierung angenommen", so der Unternehmer Ominami Shinya.

Tokio oder Kamiyama: Beschäftigte haben die Wahl

Oft waren es ortstypische Häuser, in denen Büroräume eingerichtet wurden. Rund 15 Unternehmen haben hier Zweigstellen eröffnet, meist handelt es sich um Unternehmen der Bereiche Datenverarbeitung und Telekommunikation. Das größte Unternehmen ließ sich hier 2013 nieder und beschäftigt rund 15 Menschen.

„Die Angestellten können auswählen, ob sie in Tokio oder in Kamiyama arbeiten möchten", erläutert der Unternehmer Sumita Tetsu. „Die Arbeitsplätze und die Gehälter sind an beiden Orten gleich. Ich glaube, dass die Anzahl der Unternehmen aus dem Bereich Datenverarbeitung in ländlichen Gegenden zunehmen wird", sagt er.

Inzwischen übersteigt in dem Ort die Zahl der Zuzüge die der Wegzüge. 70 Prozent der Kinder in den örtlichen Betreuungseinrichtungen stammen aus zugezogenen Familien. Die Entwicklung Kamiyamas begann 1999. Damals wurde der Ort Heimat von in- und ausländischen Kunstschaffenden, später arbeitete man daran, Unternehmen anzulocken.

Der Unternehmer Takeuchi Kazuhiro betont: „Wir wollen einen Ort schaffen, dessen Potenzial und Begeisterung man spürt. Wir helfen Unternehmen, indem wir Objekte vorschlagen und sie in Verbindung mit der örtlichen Bevölkerung bringen."

Fahrende Krankenstation hält in entlegenen Gebieten

In der Stadt Ina wird Technologie großgeschrieben: Ältere Menschen erhalten Lieferungen mithilfe von Drohnen, alleinlebende oder solche, die abgelegen wohnen, erhalten Unterstützung bei der Gesundheitsversorgung. Yasue Akira, der in Ina die Förderung neuartiger Industrietechnologien leitet, gibt zu bedenken: „In Japan ist das medizinische Personal im ländlichen Raum knapp. Um dieses Problem zu lösen, dachten wir, dass es notwendig sei, die Dienstleistungen zu den Menschen zu bringen, indem Technologie eingesetzt und Fernsprechstunden angeboten werden."

Im Winter fällt hier oft Schnee. Das erschwert die Fortbewegung. Für Nishimura Akira ist die fahrende Krankenstation deshalb ein Glücksfall. Der Wagen hält in der Nähe seines Hauses, über einen Bildschirm tauscht er sich mit einem Arzt aus. „Im Krankenhaus sind immer Menschen um einen herum, da gibt es dann Dinge, die ich nicht aussprechen kann. Hier, von Angesicht zu Angesicht, habe ich den Eindruck, wirklich meine Sorgen zum Ausdruck bringen zu können", so Nishimura Akira. Die Krankenschwester Yazawa Rina sagt: „Mich hat das Stethoskop am meisten beeindruckt. Erstaunlich, dass man das über das Internet anwenden kann." Und Arzt Kamiyama Ikuo ergänzt: „Durch die Verringerung der Anfahrtszeiten kann ich mehr Menschen behandeln."

Provinz Fukushima will Anreize schaffen

Frischer Wind weht nicht nur im ländlichen Raum. Auch die Provinz Fukushima, in der es 2011 zum verheerenden Unfall im Kernkraftwerk kam und deren Bevölkerung deshalb teils umgesiedelt werden musste, bemüht sich, wieder Menschen anzuziehen. In Minamisoma ließen sich junge Betriebe nieder.

„Wenn es viele Probleme gibt und die Leute denken, dass sie hier nicht leben können, dann bin ich bereit, 100 oder sogar 1000 kleine Unternehmen zu gründen, um diese Probleme zu lösen", sagt der Unternehmer Wada Tomoyuki. Zu den Betrieben, die sich angesiedelt haben, gehört ein Reithof, der in einer Gegend mit großer Pferdesportgeschichte Ausritte anbietet. Jin Yoichiro arbeitet für das Reitunternehmen: „Der Verantwortliche von Workers Base, Herr Wada, war mein Fürsprecher. Er hat mich mit wichtigen Kapitalgebern in Kontakt gebracht“, sagt er.

Das Unternehmen Haccoba stellt in der Gegend den über Japan hinaus bekannten Reiswein Sake her. „Hier zu arbeiten, verschafft mir den Eindruck, unserer Ware eine zusätzliche Gefühlsnote zu geben. Zum Beispiel gibt es in einem Gebiet in der Nähe des Kernkraftwerks Fukushima Bauern, die Reis anbauen, und wir können ihre Bemühungen durch unseren Sake in die ganze Welt hinaustragen“, erläutert Weinhersteller Sato Taisuke.

Selbsttätige Geräte für viele Lebenslagen

In Minamisoma gilt die Neuerung als der Pfad in Richtung Zukunft. Die Neubelebung hat viel mit technischem Fortschritt zu tun. Auf diesem weltweit einzigartigen Versuchsgelände wird mit Robotern hantiert. Es werden selbsttätige Geräte entwickelt, unter anderem zum Einsatz bei Katastrophenfällen.

„Professor Suzuki, Sie sind Leiter des Versuchszentrums. Die Roboter werden zukünftig Einkäufe oder Arzneimittel in entlegene Gebiete ausliefern: Welche Rolle spielen Roboter in der Neubelebung von Gegenden?", fragt euronews-Reporter Serge Rombi.

„Die Nutzung von Robotern im ländlichen Raum ist vielversprechend. Wir brauchen Menschen, die sie in Gang setzen, steuern und warten können. Ich glaube, dass das den ländlichen Raum neu beleben kann, indem neue Arbeitsmöglichkeiten geschaffen werden“, sagt Suzuki Shinji.

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