Welche Folgen hat der Krieg für die reichsten Oligarchen der Ukraine?

Geschäftsmann Ihor Walerijowytsch Kolomojskyj bei einem Treffen mit dem damaligen Präsidenten der Ukraine, Petro Poroschenko, ebenfalls ein Oligarch (März 2015)
Geschäftsmann Ihor Walerijowytsch Kolomojskyj bei einem Treffen mit dem damaligen Präsidenten der Ukraine, Petro Poroschenko, ebenfalls ein Oligarch (März 2015) Copyright AP Photo
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Von Euronews
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Ein paar Dutzend Geschäftsleute in der Ukraine gelten als Schlüsselakteure der ukrainischen Wirtschaft. Sei es in Medien, Banken, dem Energiesektor, Immobilien oder der Landwirtschaft: Der Krieg hat auch für diese Schlüsselakteure seine Folgen.

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Seit der Invasion Russlands nimmt das Leid der Zivilbevölkerung immer weiter zu. Millionen Menschen flohen ins Ausland und hoffen, so schnell wie möglich in die Heimat zurückkehren zu können. Auch die Wirtschaft in der Ukraine schrumpft, was erhebliche Auswirkungen auf die Reichsten des Landes, die sogenannten Oligarchen, hat.

Schon lange vor dem Krieg galt die Ukraine als eines der Länder mit der höchsten Korruptionsrate. Wenige Dutzend Geschäftsleute, die unter anderem die Bereiche Medien, Energie, Banken, Einzelhandel, Wirtschaft und Immobilien kontrollieren, gelten als Schlüsselakteure der ukrainischen Wirtschaft. Einer von ihnen, der "Schokoladenkönig" Petro Poroschenko, war von 2014 bis 2019 Präsident.

Laut dem jährlichen Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International von 2021 taucht die Ukraine mit Platz 122 von 180 im unteren Drittel der Liste auf. Damit schneidet die Ukraine nur wenig besser ab als Russland, das auf Platz 136 landete.

Der russische Einmarsch in der Ukraine hat den Oligarchen auf beiden Seiten der Grenze einen schweren Schlag versetzt. Das größte Stahlwerk in Mariupol, das Rinat Achmetow gehört, ist zu einer rauchenden Ruine geworden, in vielen Gebieten ist das Ackerland unbewirtschaftet, die Felder sind mit Minen übersät, die Fabriken stehen wegen Stromausfällen still, und die Exporte auf dem Seeweg sind erheblich zurückgegangen.

Eine Folge des Krieges, die sich auf längere Sicht positiv auf das Land auswirken könnte ist, dass der politische Einfluss der Superreichen in der Ukraine zurückgeht. Bereits vor dem Krieg hatte Präsident Wolodymyr Selenskyj ein Gesetz zur Entoligarchisierung eingebracht, durch das der politische Einfluss der Wirtschaftselite eingeschränkt werden sollte.

Der Krieg hat diese Lage nun verschärft: Selenskyj ist auf die politische und finanzielle Unterstützung der Oligarchen derzeit kaum angewiesen. Die bittere Erfahrung, das Land gegen die russische Aggression zu verteidigen, dürfte das Vertrauen der Ukrainer in die Oligarchen schwinden lassen. 

Die Bekämpfung der Korruption und die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit sind Schritte, die von den ukrainischen Behörden als Bedingung für den Erhalt umfangreicher finanzieller Hilfspakete aus dem Westen erwartet werden.

Auswirkungen auf die fünf größten Oligarchen in der Ukraine

Rinat Achmetow besitzt "nur noch" 4,3 Milliarden Dollar

Achmetow, der reichste Bürger der Ukraine, zahlt einen hohen Preis für den Einmarsch Russlands in die Ukraine.

Das Rückgrat seines Geschäftsimperiums, das Metallurgiekonglomerat Metinvest, verlor zwei seiner wichtigsten Fabriken im Süden der Ukraine. Asowstal und das Iljitsch-Hüttenwerk wurden bei der Erstürmung von Mariupol durch russische Truppen in Schutt und Asche gelegt.

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Rinat Achmetow gilt als reichster Mann der Ukraine - trotz hoher Vermögensverluste seit Russland Invasion in die Ukraine.AP Photo

Im Juni 2022 reichte Achmetow vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eine Klage gegen Russland ein.

Seit Beginn des Krieges wurden seine anderen Vermögenswerte, darunter Kraftwerke, Banken, Bauernhöfe, Bergbau- und Verarbeitungsbetriebe, entweder durch Raketeneinschläge beschädigt oder von der russischen Armee beschlagnahmt. Und der Fußballverein Shakhtar Donetsk, dessen Eigentümer er ist, war gezwungen, vorübergehend nach Kiew umzuziehen.

Seit Beginn des Krieges haben Achmetows Unternehmen den ukrainischen Streitkräften Geld und andere Ressourcen zur Verfügung gestellt, darunter mehr als 100 Millionen Dollar für Schutzwesten und Helme, Fahrzeuge für das Militär, Lebensmittelpakete und Medikamente für die Zivilbevölkerung bereitgestellt.

Nach Angaben des Sprechers von Achmetow kehrte er am Tag vor dem Einmarsch Russlands in die Ukraine zurück: "Er erlebte den Beginn des Krieges zu Hause, in Kiew. Seitdem hat er die Ukraine nicht einen Tag verlassen", sagte der Sprecher des Oligarchen.

Nach Angaben von Forbes Ukraine ist Achmetows Vermögen von fast 14 Milliarden Dollar im Januar 2022 auf 4,3 Milliarden Dollar im Dezember geschrumpft. Dennoch ist er der reichste Geschäftsmann der Ukraine.

"Da die intensiven Militäraktionen und Raketenangriffe in der Ukraine leider fast täglich fortgesetzt werden, ist eine genaue und vollständige Berechnung der Verluste zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich, und die Schätzungen können falsch und nicht repräsentativ sein", kommentierte der Vertreter Achmetows die möglichen wirtschaftlichen Verluste des Oligarchen.

Im Jahr 2021 beschuldigte ihn Selenksyj, einen Staatsstreich geplant zu haben, was Achmetow entschieden bestreitet. Nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine übergab er alle Medienlizenzen, die er besitzt, an den Staat, was von der Regierung begrüßt wurde. Seine großzügige Unterstützung der Streitkräfte dürften Rinat Achmetow Pluspunkte in den Augen der Behörden einbringen...

Wiktor Pintschuk

Seit Beginn der russischen Invasion hat Wiktor Pintschuk die westlichen Länder aktiv aufgefordert, ihre militärische Unterstützung zu verstärken, und hat einige Länder, wie z. B. Deutschland, dafür kritisiert, dass sie dies nur langsam tun.

Bis Ende September hatte der Oligarch nach Angaben seiner gemeinnützigen Stiftung mehr als 45 Millionen Dollar für die Unterstützung der ukrainischen Armee und der Zivilbevölkerung ausgegeben.

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Wiktor Pintschuk mit Vitali Klitschko, heute Bürgermeister von Kiew.AP Photo

Pintschuks Geschäftsimperium, das sich auf die das Metallunternehmen Interpipe stützt, hat weniger gelitten als das anderer Oligarchen.

"Die finanzielle Lage der Holding hat sich verschlechtert, aber man kann nicht sagen, dass es eine Katastrophe war", sagte ein Experte der Beratungsfirma Concorde Capital. Sie litten mehr unter den steigenden Energiepreisen und logistischen Problemen als unter dem Krieg.

Der Krieg hat die Möglichkeiten von Interpipe, Produkte auf dem Seeweg zu exportieren, eingeschränkt.

Laut Forbes verringerte sich das Vermögen von Victor Pintschuk von 2,6 auf 2 Milliarden Dollar.

Petro Poroschenko: "Sie und ich sind Soldaten"

Vor dem Krieg kämpfte Poroschenko mit seinem Image als Politiker und musste sich gegen Anschuldigungen wegen Verrats und Terrorismus-Unterstützung wehren. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft soll Poroschenko dafür plädiert haben, Kohle aus den von prorussischen Rebellen kontrollierten Gebieten im Donbas zu beziehen - anstelle von Kohle aus Südafrika.

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Obwohl er seine Unschuld beteuert, wurden einige seiner Vermögenswerte und ein Teil seines Eigentums von einem Kiewer Gericht beschlagnahmt.

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Petro Poroschenko mit seinen AnwältenAP Photo

Seit der Invasion hat sich die Kritik an Selenskyj in den von Poroschenko kontrollierten Medien gemildert.

"Am ersten Tag der russischen Aggression, dem 24. Februar, ging ich zu Selenskyj und sagte: "Ich bin nicht mehr der Oppositionsführer. Sie und ich sind Soldaten. Bis zu unserem Sieg werde ich niemanden kritisieren", sagte Poroschenko der Voice of America.

Poroschenko, der während seiner Amtszeit als Präsident nationalistische Ansichten vertrat, zog wie andere Politiker eine Militäruniform an und organisierte Freiwilligengruppen, um im Krieg zu helfen. Selenskyjs Büro beschuldigte ihn jedoch, das ganze für PR-Zwecke zu nutzen.

Poroschenkos Unternehmen haben nach Angaben seines Sprechers mehr als 46 Millionen Dollar für die Unterstützung der Streitkräfte ausgegeben. Er lieferte in Italien und Großbritannien gekaufte Panzerwagen, Geländewagen mit Vierradantrieb, Schutzwesten, Helme, Treibstoff und mehr.

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Laut Forbes hat sich sein Vermögen durch den Krieg von 1,6 Milliarden Dollar auf 700 Millionen Dollar geschmälert. Er lehnte es ab, dies zu kommentieren.

Igor Kolomoisky

Kolomoisky gilt seit Beginn des Wahlkampfs als Selenkyjs wichtigster Unterstützer: Er nutzte seine einflussreichen Fernsehkanäle, um für den beliebten Schauspieler und Komiker bei den Präsidentschaftswahlen 2019 zu werben. In der Vergangenheit hatte Poroschenko Selenskyj als "Kolomoiskys Marionette" bezeichnet, um seinen Rivalen zu diffamieren.

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Ihor Kolomojskyj ist ein ukrainischer Unternehmer, Milliardär, Philanthrop und Oligarch.AP Photo

Die enge Bindung an den neuen Staatschef hat Kolomoisky jedoch nicht vor Schwierigkeiten bewahrt. Im Januar 2022 beschuldigte das US-Justizministerium Kolomoisky und seinen Partner der Geldwäsche in den USA. Seine Anwälte bestreiten jegliches Fehlverhalten.

Sein wichtigstes Finanzvermögen, eine Privatbank, wurde vor sieben Jahren von den ukrainischen Behörden beschlagnahmt, nachdem die Aufsichtsbehörden ein 5-Milliarden-Dollar-Loch in ihren Büchern entdeckt hatten.

"Kolomoisky hat nur sehr geringe Chancen, auf dem Rechtsweg etwas zu erreichen", so ein Experte von Concorde Capital über die Bemühungen des Oligarchen, die Bank zurück zu bekommen.

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Im Juli unternahm Selenskyj Berichten zufolge Schritte, um Kolomoisky die ukrainische Staatsbürgerschaft zu entziehen, da der Oligarch auch israelische und zyprische Pässe besitzt. Kolomoisky ficht diese Entscheidung an.

Im November wandte die ukrainische Regierung Kriegsgesetze an, um die Kontrolle über die Anteile am führenden Energieunternehmen des Landes, Ukrnafta, zu übernehmen. Auch dieses wird (zumindest teilweise) von Kolomoisky kontrolliert.

Viktor Medwedtschuk

Viktor Medwedtschuk, der vor dem Krieg ein Vermögen von 620 Millionen Dollar besaß, war der einflussreichste pro-russische Oligarch in der Ukraine. Berichten zufolge ist der russische Präsident Wladimir Putin der Patenonkel seiner Tochter.

Medwedtschuks Freundschaft mit dem Kreml ist ihm zum Verhängnis geworden.

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Wiktor Medwedtschuk gilt als Vertrauter Wladimir Putins.AP Photo

Am Vorabend des russischen Einmarsches in die Ukraine wurde Medwedtschuk verhaftet. Es wird gegen ihn ermittelt, weil er mit Russland kollaboriert und illegal Gas aus dem Schwarzen Meer gefördert und Kohle aus den von Separatisten kontrollierten Gebieten im Donbas bezogen haben soll.

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Medwedtschuk entkam nach der Invasion aus dem Hausarrest, wurde aber bei dem Versuch, das Land zu verlassen, wieder festgenommen. Er blieb mehrere Monate in Gewahrsam, bevor er im September gegen ukrainische Soldaten ausgetauscht wurde, die aus russischer Gefangenschaft heimkehrten.

Sein Aufenthaltsort ist derzeit unbekannt. Es ist jedoch bekannt, dass Kroatien seine 200 Millionen Dollar teure Superyacht Royal Romance beschlagnahmt hat. Sie soll an die Ukraine versteigert werden soll.

Weitere Quellen • Politico

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